Ihr sollt Marktplatzstrategien entwickeln, nicht wahllos Marktplätze eröffnen
Marktplätze sind angesagt: Nach Real und der Hitmeister-Übernahme hat Karstadt noch bei Hood zugeschlagen. Und DPD kooperiert als exklusiver Dienstleister mit Buyerzon, einem völlig unbekannten Marktplatz. Das Marktplatz-Fieber scheint um sich zu greifen. Auch wenn es generell zu begrüßen ist, dass die Wichtigkeit einer Marktplatzstrategie in der Branche angekommen ist, sollte es klar werden, dass eine Marktplatzstrategie nicht zwingend einen eigenen Marktplatz voraussetzt. Erst recht keinen Vollsortimenter, der einfach alles im Sortiment hat und so von der Positionierung her ein Amazon- oder Ebay-Mitbewerber sein müsste.
Nicht jeder braucht einen Marktplatz
Um einen Marktplatz zu betreiben, ist eine gewisse Größe nötig. Für viele Händler, auch größere Händler, kann es sinnvoller sein, bestehende Marktplätze zu nutzen. Marktplätze brauchen schon beim Start riesige Sortimente, viele Händler und müssen über große Reichweiten verfügen. Sowie über Prozesse und Manpower zur Betreuung der Händler.
Das sind unter anderem Gründe dafür, dass Real mit Hitmeister und Karstadt mit Hood sich komplette Marktplätze eingekauft haben. Mit Hood.de ist allerdings der letzte Marktplatz mit erwähnenswerter Reichweite weg vom Markt, für weitere Marktplatz-Interessenten bleibt jetzt nur noch Neuaufbau. Und wer heute noch einen Marktplatz eröffnen will, braucht einen extrem langen Atem.
Vollsortimenter, die Amazon-Klone
Extrem schwierig ist die Eröffnung eines Marktplatzes, der sich als Generalist positioniert. Die letzte erfolgreiche Neueröffnung dürfte Siroop.ch in der Schweiz sein. Die von den Besonderheiten des schweizer Marktes profitieren, der im Vergleich zum Binnenmarkt noch sehr in sich geschlossen agiert.
Auf dem deutschen oder europäischen Markt ist die Etablierung eines neuen Generalisten oder Vollsortimenters, der einfach alles verkauft, ungleich schwerer. Zuletzt konnte der schwedische Marktplatz Fyndiq davon ein Lied singen, der sich aus Deutschland wieder zurückzog, weil sich das Geschäft nicht lohnte. Eine enorme Werbemacht in Richtung Endkunde und Händler ist nötig, um eine lohnende Schwelle zu erreichen. Das bedingt große, zwei- bis dreistellige Millionenbeträge als Investitionen.
Marktplatz-Strategie: Alleinstellungsmerkmale sind nötig
Sinnvoller kann es sein, einen Marktplatz mit einem eindeutigen Alleinstellungsmerkmal zu errichten, einer speziellen Ausrichtung wie es beispielsweise Mytoys aktuell vor hat, die sich komplett auf die Familie als Zielgruppe konzentrieren. Es ist wesentlich erfolgversprechender in einer Kategorie Sortimentskompetenz zu beweisen, und Werbebudgets gezielt auf spezifische Zielgruppen auszurichten, als tatsächlich in voller Breite mit Amazon konkurrieren zu wollen.
„David und Goliath“ haben in einer Marktplatz-Strategie nichts zu suchen
Bei kleineren Händlern geht es bei einer Marktplatzstrategie immer um zwei Dinge: Erstens darum, das eigene Sortiment im eigenen Shop maßvoll zu erweitern und mit Kooperationspartnern auch einmal auf völlig neuen Wegen mit Dienstleistungen, Services oder Content neue Erlösquellen erschließen. Und zweitens um die intelligente Nutzung bestehender Marktplätze wie Amazon, Ebay, Otto, Real oder Rakuten.
Was auch immer Händler unternehmen, es muss nicht immer gleich ein Angriff auf Amazon sein. Es muss nicht immer „David gegen Goliath“ gespielt werden. In der medialen Berichterstattung werden diese Bilder schnell heraufbeschworen, immer mit einer positiven Konnotierung. Nach dem Motto „da macht endlich mal jemand etwas“. Ja, nämlich Unfug. Im Gegensatz zur Bibel enden solche Auseinandersetzung nämlich nicht mit einer siegreichen Steinschleuder. Lieber suchen Händler nach einer intelligenten Möglichkeit die großen Marktplätze für sich zu nutzen, auch wenn das Risiken birgt. Die Kundenrealität von Heute gebietet das.
Marktplatzstrategie heißt nicht „Machen wir es wie Amazon“ oder „Greifen wir Amazon an“, auch nicht zwingend „Wir müssen einen Marktplatz haben“, es heißt für das eigene Unternehmen den bestmöglichen Umgang mit der neuen Welt der Plattform-Ökonomie zu finden.
Tipps zum Umgang mit der Plattformökonomie findest du hier:
- Händler müssen zukünftig lernen, mehr als nur Händler zu sein. Nicht nur Produkte bringen Erlöse.
- Den Onlineshop braucht kein Mensch mehr: Einblicke in das Performance-Marketing im Amazon-Zeitalter
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