Die im Saarland erdachte Drohne heißt Haptic Puppet, also etwa Haptische Puppe, was begrifflich allerdings eher auf den daran befestigten Menschen zutreffen dürfte als auf die Drohne selbst. Denn die Haptic Puppet wird mithilfe von Polyamid- oder Nylonbändern an (in der Endausbaustufe) beliebigen Körperteilen befestigt.
Puppet on a String ist hier eher der Mensch
Die von Martin Feick und seinem Team entwickelte Drohne kann derzeit mit den Fingern, Handgelenken, Armen und Knöcheln der Nutzenden verbunden werden. Später soll es diese Beschränkungen nicht mehr geben. Das berichtet der New Scientist.
„Wir stellen uns auch Befestigungspunkte vor, die an der Brust, am Kopf oder an den Beinen der Nutzer angebracht werden können“, erklären die Forschenden. Dabei besteht jeder Befestigungspunkt aus einer Basis, einem einseitigen Lager und einem Haken, an dem der Faden befestigt wird.
Je mehr Befestigungspunkte es gibt, desto genauer kann der Mensch gesteuert werden. Am Ende des Fadens sitzt dann eine zehn Zentimeter große Drohne, die mit einzeln betriebenen Rotoren ausgestattet ist.
Steuerung erfolgt per Software in kontrollierten Umgebungen
Mithilfe retroreflektierender Markierungen verfolgten die Forschenden die Position und Ausrichtung der Drohne in einem kameraüberwachten Raum von etwa 60 Quadratmetern. Über eine Software konnten sie die Drohne daher exakt steuern.
Letztlich ist die Drohne eine neue kinästhetische Schnittstelle mit Kraftrückkopplung, die gegenüber den bisher schon in der VR/AR üblichen Aktuatoren deutliche Vorteile hat. Denn diese Aktuatoren geben nur bei einfachen Interaktionen verlässliches haptisches Feedback und bieten nur eine begrenzte Flexibilität und räumliche Auflösung.
Das ist bei der Drohne völlig anders und bei mehreren Drohnen ganz ähnlich einem Marionettenspiel. Denn die Drohnen können über ihre Befestigungspunkte Kräfte in alle Richtungen auf alle geeigneten Teile des menschlichen Körpers ausüben.
Auch Real-Life-Anwendungen denkbar, etwa in der Physiotherapie
Die Forschenden sehen Einsatzbereiche in der Physiotherapie, sowie im Bereich der virtuellen und erweiterten Realität, wobei es auch darum gehen kann, neben der Verbesserung der Immersion in Spielen auch ernsthaftere Anwendungen zu realisieren, etwa das Führen von Sehbehinderten.
Im Einsatzbereich der Physiotherapie würde die Haptic Puppet es Nutzenden ermöglichen, körperliche Übungen mit statischen oder dynamisch veränderlichen Widerständen durchzuführen. Gegenüber den traditionell in der Rehabilitation verwendeten Widerstandsbändern würde nur eine Haptic Puppet für eine breite Palette von Übungen benötigt. Der von den Propellern der Drohne erzeugte Luftstrom könnte zur Kühlung der Übenden während der Anstrengung genutzt werden, erklären die Forschenden.
Ganz grundsätzlich biete die Drohne mehrere Vorteile gegenüber bestehenden Geräten. So könnten sich Nutzende etwa völlig frei im Raum bewegen. Zudem sei eine schnelle dreidimensionale Neupositionierung möglich. Dadurch ließ0en sich Kollisionen vermeiden oder eine schnellere Anpassung an einen neuen Kontext erreichen. Zudem sei sie in der Lage, über komplexe Flugbahnen nahezu beliebige Richtungskräfte zu bewirken.
Erste Anwendungen noch sehr einfach
In einem ersten einfachen Anwendungsfall wurde die Drohne verwendet, um einen Knopf in der erweiterten Realität zu drücken. Ebenso nutzten die Forschenden die Haptic Puppet, um in einer virtuellen Umgebung gegen einen Ball zu treten und dabei Feedback in Form des Trittgefühls zu liefern.
„Haptic Puppet kann rein virtuellen Objekten und der Umgebung eine greifbare ‚physische‘ Form verleihen. Auf diese Weise kann es die Interaktionen verbessern und somit ein realistischeres, intuitiveres und überzeugenderes Augmented-Reality-Erlebnis bieten“, erläutern die Forschenden.
Personal Training auf Drohnenbasis
Ebenso könne die Lösung verwendet werden, um entfernte Personen „physisch“ miteinander zu verbinden. Dabei würden die entfernt agierenden Nutzenden die Bewegungen der jeweils anderen Person spüren. Das könnte für Trainingsanwendungen interessant sein, glauben die Forschenden. Es sei etwa möglich, mit einem entfernten Experten Golf oder Tennis zu trainieren. Unter Verwendung von VR oder AR könnte sogar ein Avatar als Repräsentant der entfernten Person eingeblendet werden.
Noch haben die Forschenden indes Probleme damit, die Drohnen exakt im 3D-Raum zu positionieren, weil die funktionsbedingt immer etwas schwingen und auch keine messerscharf akkuraten Bewegungen vollführen können. Aufgefallen ist ferner, dass die Geräusche und der Luftstrom der Drohnen sehr störend sein können, wenn sie nicht mit der simulierten Interaktion übereinstimmen. Das Team denkt daher unter anderem darüber nach, künftig Drohnen ohne Rotorblätter zu verwenden.