
Netflix wird nervös. (Foto: Shutterstock/ Nicolas Maderna)
In einer internen Mitteilung des Netflix-Führungsteams an die Mitarbeitenden des Streamingdienstes wird die Netflix-Belegschaft darüber unterrichtet, dass der Dienst „die Einführung einer werbefinanzierten Ebene“ in den letzten drei Monaten des Jahres anstrebt. Das will die New York Times von zwei Personen unter der Bedingung, deren Anonymität zu wahren, erfahren haben.
Massiver Nutzerschwund führt zu Umdenken
Die Information an sich kommt nicht überraschend. Schon im April hatte Netflix die Medienbranche, die Investoren und den Kundenstamm mit der Bekanntgabe überrascht, dass künftig ein preisgünstigeres Abonnement mit Werbung angeboten werden würde. Das stand in diametralem Widerspruch zu der bis dahin stets gehegten Aussage, dass auf der Streaming-Plattform niemals Werbung zu sehen sein würde.
Das gilt nun nicht mehr, was Beobachter dem bröckelnden Geschäft des Streaming-Marktführers anlasten. So hatte Netflix bei der Bekanntgabe des Geschäftsberichts für das erste Quartal 2022 einräumen müssen, dass der Dienst in ebendiesen drei Monaten 200.000 Abonnenten verloren hat.
Das kannte der erfolgsverwöhnte Dienst nicht. Es war der erste Nutzerschwund seit einem Jahrzehnt. Schlimmer noch, Netflix kann nicht ausschließen, dass weitere zwei Millionen Kunden verloren gehen werden – vor allem in Russland, aber nicht nur dort.
Absturz der Aktie wirkt wie Tritt aufs Gaspedal
Netflix-Chef Reed Hastings hatte den Anlegenden als Gegenstrategie einen neuen Plan schmackhaft zu machen versucht. Sein Dienst werde die Möglichkeit der Einführung einer werbe-gestützten Plattform prüfen und versuchen, dafür „in den nächsten ein bis zwei Jahren eine Lösung zu finden“.
Seit der Bekanntgabe der Abonnentenverluste ist der Aktienkurs von Netflix stark gefallen. Die Marktkapitalisierung des Unternehmens hatte sich um etwa 70 Milliarden US-Dollar verringert. Das hat anscheinend neuen Schwung in die Angelegenheit gebracht.
Denn die jüngste Mitteilung geht nicht mehr von ein oder zwei Jahren, sondern von wenigen Monaten aus. „Ja, es ist schnell und ehrgeizig, und es wird einige Kompromisse erfordern“, heißt es darin.
Auch andere Dienste haben einen Werbe-Plan
Nicht zu Unrecht weisen die Führungskräfte indes darauf hin, dass im Grunde alle Wettbewerber mit Ausnahme von Apple bereits werbefinanzierte Varianten im Angebot hätten: „Aus gutem Grund wollen die Menschen preiswertere Optionen“.
Jenen, die sich um das Image der Marke sorgen, sollte Werbung eingeführt werden, hält die Netflix-Führung entgegen, dass es anderen wie HBO oder Hulu durchaus gelungen sei, „starke Marken aufrechtzuerhalten und gleichzeitig einen werbefinanzierten Dienst anzubieten“. HBO Max beispielsweise bietet in den USA einen werbefreien Dienst für 15 US-Dollar pro Monat an und verlangt monatlich 10 Dollar für den Dienst mit Werbung.
Gemeinsame Nutzung wird teurer
Gleichzeitig mit dem Schritt hin zu einem werbefinanzierten Angebot will Netflix Abonnenten, die ihr Konto mit mehreren Personen teilen, höhere Preise berechnen. Auch über diese Änderung der Strategie wollte das Unternehmen laut COO Greg Peters „etwa ein Jahr lang“ nachdenken, bevor es einen Plan einführe.
In der neuen Mitteilung an die Belegschaft liest sich auch dieser Punkt wohl anders. Danach soll die Bepreisung der gemeinsamen Nutzung zeitgleich mit dem werbefinanzierten Plan eingeführt werden – also ebenfalls in wenigen Monaten.