Kliemannsland, Jokolade und die Guido: Gefahren von Personal-Product-Branding
In seinem Instagram-„Rant“ vom 19. Juni 2022 regt sich Fynn Kliemann auf, dass das Kliemannsland in „Sippenhaft“ genommen werde, weil er „Fehler“ gemacht habe. „Was hat das Kliemannsland damit zu tun?“, fragt er. Die Antwort ist offensichtlich: Es steht sein Name darauf. Wenn gegen Fynn Kliemann strafrechtlich ermittelt wird, hat das Einfluss auf seine Produkte und insbesondere die, die nach ihm benannt sind. Sponsoren ziehen sich zurück, das Kliemannsland scheint in finanziellen Schwierigkeiten zu stecken, zumindest deutet das Team das in einem Video an. Fynn Kliemann und das Kliemannsland sind ein Beweis dafür, dass ein Personal-Product-Branding zwar mit Vorteilen, aber auch enormen Gefahren einhergeht.
Warum eigentlich Produkte nach Personen benennen?
Fynn Kliemann ist nicht der Einzige, der Produkte nach sich benannt hat: Joko Winterscheidt hat die Jokolade und sein mittlerweile eingestelltes Magazin JWD, kurz für Joko Winterscheidts Druckerzeugnis. Barbara Schöneberger hat das „Barbara“-Magazin und das Barbaradio, Guido Maria Kretschmer hat das Magazin „Guido“. Selbst Philipp Westermeyer hat ein „Philipp“-Magazin. Alle diese Produkte haben eines gemeinsam: Es gab eine Person, die sich durch ihre Leistungen, gekoppelt mit exzellentem Personal Branding, einen Namen gemacht hat. Durch den Halo-Effekt sollen positive Außenwirkung, Reichweite und Beliebtheit von der Person auf das Produkt übertragen werden, also wird es nach ihr benannt. Personal Branding und Product-Branding überschneiden sich hier enorm – es ist quasi ein Personal-Product-Branding.
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Vorteile: Menschlichere Marken mit mehr Fans
Die Personen hinter dem Namen sind bereits bekannt und werden meistens mit bestimmten Eigenschaften verbunden: Fynn Kliemann war der soziale, spaßige und verpeilte Junge, der sich nicht um Konventionen schert und alles ausprobiert – im fairen Rahmen natürlich. Guido Maria Kretschmer ist der freundliche Fashion-Experte, der via Mode aus jedem oder jeder das Beste herausholen möchte.
Solche Profile werden dann auch auf die Marken transportiert, die nach diesen Personen benannt sind. So ist die Guido ein freundliches Fashion-Magazin, das Frauen aller Körperformen Rat geben will – im Gegensatz zu Heften, in denen Mode zum Wettkampf und Körper zum Bewertungs- und Verbesserungsobjekt werden. Das Kliemannsland sollte ein Ort sein, wo jede:r die eigene Persönlichkeit fernab von veralteten Konventionen ausleben kann. Durch die übertragene Personenmarke werden auch das Produktprofil und die USP geschärft. Promis und Influencer:innen haben außerdem eine bestehende Fanbase, die Produkte auch gerne einmal ausprobiert, annimmt und mit klassischem Word-of-Mouth weiter vermarktet. Schon zum Start ist die Reichweite des neuen Produktes enorm – auch weil die namensgebende Person ein starkes Testimonial für Werbeformate ist.
Das Problem: Alles steht und fällt mit einer Person
In der Regel gründen die Menschen das Unternehmen oder bringen das Produkt heraus, deren Name letztlich draufsteht. Eine Marke sucht sich selten aus, welche Persönlichkeit sie für ihr Branding nutzen. Meist gibt es keine Wahl. Bei Fynn Kliemann beispielsweise hätte das Kliemannsland nicht sagen können: „Wir wollen lieber das Müllerland sein“ – denn ohne Kliemann kein Kliemannsland.
Sofern es Wahlmöglichkeit gibt, beispielsweise bei limitierten Kollektionen oder wenn der Bertelsmann-Verlag ein neues Promi-Magazin wie die Guido starten möchte: Diese Person muss vertrauenswürdig sein und nicht schon von vornherein skandalbehaftet oder in risikoreiche Unternehmungen involviert. Kunstaktionen, wie einen Penis in ein Feld zu sprengen, sind nicht skandalbehaftet oder risikoreich – es geht dabei um rechtlich problematische oder finanziell katastrophale Unternehmungen. Dem Kliemannsland hat nicht Kliemanns „Anderssein“ geschadet, sondern dass gegen Kliemann schlichtweg wegen Betrugs ermittelt wird.
So wie der Halo-Effekt zum Vorteil gereichen kann, kann er auch ins Negative umschlagen. Dabei muss es aber nicht mal um große Vorfälle wie bei Kliemann gehen – auch Shitstorms oder schlichtweg unbegründete Vorwürfe können direkte Auswirkungen auf die Marke und ihre Wirtschaftlichkeit haben.
Kann ich irgendwie vorbeugen?
Die namensgebenden Personen müssen sich bewusst sein, dass sie nicht mehr nur eine reguläre Personenmarke sind, sondern verantwortlich für das Unternehmen und die Angestellten sind. Es sollte ehrliche Gespräche über diese Verantwortung geben und sie im Zweifel mit entsprechenden Berater:innen unterstützt werden.
Krisenstäbe sollten schon im Voraus geplant und vorbereitet sein. Das gilt eigentlich für alle Unternehmen, aber besonders für jene, die abhängig vom Ruf einer einzigen Person sind. Wer sind die Verantwortlichen für welche Kanäle? Gibt es passende PR-Profis, die sich bereits intensiv mit der Marke und den Produkten auseinandergesetzt haben und schon gebrieft sind? Gibt es zumindest grundlegende Workflows, wie einen Krisen-Slack-Channel oder ein Cheat Sheet, auf dem Verantwortlichkeiten für alle öffentlich einsehbar sind? Wer ist für das Social Listening zuständig, um Shitstorms schon in der Entstehung zu bemerken? Sind solche Grundlagen bereits gelegt, kann im Notfall deutlich schneller agiert und potenzielle Pannen vermieden werden. Der beste Krisenstab hilft nicht bei einem schädigenden Alleingang des Promis. Daher muss die namensgebende Person im Krisenstab involviert sein und es muss ihr vermittelt werden, wie wichtig PR-Strategien und Absprachen sind.
Am Ende fußt alles auf dem Bewusstsein: Jede:r ist fehlbar. Kritik oder gar ein Shitstorm ist unvermeidlich – mit guter Vorbereitung lässt sich das aber navigieren und zusätzlicher, selbst verantworteter Schaden vermeiden.