Peter Thiel: Wie ein deutscher Milliardär in den USA die Demokratie abbaut

„Er klingt wie eine Verschwörungstheorie“, sagt der Journalist Christian Schiffer vom Bayerischen Rundfunk. „Nur, bei Thiel ist es wirklich ein bisschen so.“ In seinem Podcast „Die Peter Thiel Story“ geht Schiffer dem Einfluss des Tech-Milliardärs nach – und seinen Ansichten. Aus gutem Grund: Auch wenn Thiel nur selten im Rampenlicht steht, hat er einen enormen Einfluss auf das Weiße Haus. Das liegt nicht nur daran, dass der Milliardär politische Akteur:innen gefördert hat. Auch viele umstrittene Maßnahmen der Trump-Regierung gehen ursprünglich auf Thiels Ideen zurück.
Der deutsche Tech-Milliardär förderte über mehrere Jahre den jetzigen Vize-Präsidenten JD Vance, der einst bei Thiel angestellt war. So finanzierte er 2022 die Wahlkampagne von Vance mit 15 Millionen US-Dollar. Insgesamt 16 Kandidat:innen bekamen bei der Wahl eine finanzielle Unterstützung des Deutschen. Auch Trump erhielt 2016 Geld von Thiel – und dieser dafür einen Beraterposten in dessen Regierung. Doch wer ist Peter Thiel? Und was möchte er erreichen?
Peter Thiel, der Contrarian
Thiel kam am 11. Oktober 1967 in Frankfurt am Main auf die Welt. Seine Eltern verließen Deutschland ein Jahr nach seiner Geburt und wanderten in die USA nach Cleveland aus. Nach Aufenthalten in Südafrika und Namibia zieht es die Thiel-Familie 1977 nach Kalifornien.
Thiel studierte Philosophie an der Stanford-Universität und später Jura. Auf der Universität war er Mitgründer der konservativen Zeitschrift Stanford Review. Daraufhin fing er erst als Anwalt an, hatte dann verschiedenste Jobs, unter anderem als Trader und Redenschreiber. Doch überall schien er nicht zufrieden zu sein und anzuecken. Thiel bezeichnet sich als Contrarian. Die Ansichtsweise ist beim Deutschen so präsent, dass der Autor seiner Biografie Max Chafkin die Bezeichnung als Titel wählte.
Laut Chafkin sei die gängige Meinung vieler über Thiel, dass er ein vollkommener Freigeist sei. 2016 soll Thiel gesagt haben: „Vielleicht habe ich immer dieses Hintergrundprogramm laufen, bei dem ich versuche, mir zu überlegen: ‚Okay, was ist das Gegenteil von dem, was du sagst?‘ – und dann versuche ich das.“
Thiels Unternehmen und Investments
1998 gründete Thiel zusammen mit Max Levchin und Luke Nosek Paypal. Später fusionierte der Service mit X.com, damals hieß so der Bezahlservice von Elon Musk. Als Unstimmigkeiten über die Benennung und Richtung des Unternehmens aufkamen, inszenierten Thiel und Levchin einen Putsch gegen Musk – mitten in dessen Flitterwochen. 2002 kaufte Ebay Paypal für 1,5 Milliarden Dollar – Thiel wurde dadurch reich. Das damalige Team um ihn, die sogenannte Paypal-Mafia, prägt das Silicon Valley bis heute. Und auch Thiel setzte sich mit seinem Geld nicht zur Ruhe.
2004 investierte der Paypal-Gründer 500.000 Dollar in ein damals junges Unternehmen namens TheFacebook – es war das erste Investment in das heutige Meta. Auch an SpaceX hält Thiel Anteile. Seine Investments in Silicon-Valley-Unternehmen machten ihn zum Milliardär. Hinzu kommen Beteiligungen an eher skurrilen Projekte: So steckt Thiel Geld in ein Projekt, das die ausgestorbenen Mammuts wieder auferstehen lassen möchte. Mit 1,24 Millionen Dollar finanziert Thiel eine Organisation, die auf hoher See Mikrostaaten erbauen will, um dort mit „neuen Regierungsformen“ zu experimentieren.
Wie Thiel mit Palantir Bürger:innen überwacht
Und auch ein anderes Unternehmen brachte Thiel hervor: Palantir. Das Unternehmen ist nach der allsehenden Kugel aus der „Herr der Ringe“-Reihe benannt und hat auch einen ähnlichen Zweck. Thiel sah Palantir als Anbieter von großen Datenmengen, die für staatliche Nachrichtendienste zusammengefasst werden. Viele Geheimdienste und Anti-Terror-Einheiten nutzen die Dienste des Big-Data-Unternehmens.
Die Trump-Regierung arbeitet mit Palantir und weitet die Zusammenarbeit laut der New York Times weiter aus. Laut dem Bericht will das Unternehmen eine Master-Datenbank zu US-Bürger:innen über die Behörden hinweg erstellen. Trump könnte solche Informationen nutzen, um seine politische Agenda voranzutreiben. Migrant:innen und Kritiker:innen können so einfacher überwacht – und ebenso einfacher bestraft werden.
Organisationen wie Amnesty USA kritisierten schon vor der Ausweitung der Verträge mit Palantir, dass die US-Polizei den Service einfach missbrauchen könne. Auch in Deutschland arbeiten einige Polizeibehörden laut Anfrage des ZDF Magazin Royal mit Palantir oder stehen in Kontakt mit dem Unternehmen. Thiels Zugang zu so sensiblen Daten sehen viele besonders kritisch. Denn dieser fällt nicht erst seit seiner Zusammenarbeit mit Donald Trump mit seinen antidemokratischen Einstellungen auf.
Peter Thiels demokratiefeindliche Ansichten
So schrieb 2009 Peter Thiel in seinem Essay „The Education of a Libertarian“: „Ich glaube nicht mehr, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind.“ Und diese Freiheit stünde für Thiel an oberster Stelle. Weiterhin argumentierte Thiel, dass das Frauenwahlrecht und soziale Absicherungen des Staates widersprüchlich zur kapitalistischen Demokratie seien.
Nach einem Interview mit Thiel schieb Barton Gellman von The Atlantic über den Milliardär: „Er sehnt sich nach einer Welt, in der große Männer frei sind, ihren Willen in der Gesellschaft durchzusetzen, ohne von der Regierung oder von Vorschriften […] eingeschränkt zu werden, die ihren Reichtum und ihre Macht beeinträchtigen würden.“
Diese Politik setzt Trumps Regierung zum Beispiel mit DOGE (Department of Government Efficiency) um. Mindestens drei DOGE-Mitglieder sind ehemalige Palantir-Angestellte. Zwei weitere kommen von Unternehmen, die von Peter Thiel finanziert wurden. Auch Trumps feindliche Haltung gegenüber internationalen Organisationen wie der WHO oder der EU sind laut Christian Schiffer die direkte Konsequenz aus Thiels Ideen.
Neben dem US-Prasidenten Donald Trump und JD Vance hat Thiel seinen engen Vertrauten und republikanischen Kandidaten für den Senat in Arizona, Blake Masters, finanziell unterstützt. Mit Sebastian Kurz gehört der ehemalige österreichische Kanzler zum Beraterteam des Milliardärs.
Eigentlich kündigte Thiel im Interview 2024 mit Gellman an, sich aus der Politik zurückzuziehen. Thiel sei einfach desillusioniert von der Demokratie, sagt Schiffer: „Die Tatsache, dass es ihnen [den Politikern] nicht gelungen ist, die Welt nach seinen Vorstellungen zu gestalten, hat ihn von dem ganzen Unternehmen abgehalten.“ Schiffer vermutet in seinem Podcast, dass der Milliardär einfach nicht daran geglaubt habe, dass Trump die Wahl gewinnen könne. Stattdessen schwärmte Thiel noch von einer anderen Sache: dem ewigen Leben.
Wie Peter Thiel ewig leben möchte
Der Tod als Naturgesetz sei für Thiel nur eine Ausrede fürs Aufgeben. „Das ist etwas, das uns gesagt wird und uns demotiviert, uns mehr anzustrengen“, erklärte er gegenüber The Atlantic. Der Paypal-Gründer gibt angeblich Unmengen an Geld dafür aus, um sein Leben zu verlängern. So nehme er Wachstumshormone und möchte sich Blut von jungen Menschen spritzen lassen. „Man hat älteren Mäusen junges Blut zugeführt und festgestellt, dass dies einen massiven Verjüngungseffekt hat“, schwärmte Thiel gegenüber dem Inc. Magazine. Sollte er doch noch sterben, wolle er sich einfrieren lassen – auch wenn er nicht daran glaube, dass die Technologie funktioniere.
Viele Ideen von Peter Thiel wirken wie skurrile Hirngespinste aus einem dystopischen Science-Fiction-Roman: ein Milliardär, der von einem schier gesetzlosen Staat und ewigem Leben träumt, und sich deswegen einfrieren lässt. Doch Thiel hat viel Einfluss – und seine Ideen werden nicht von heute auf morgen verschwinden.