Recht auf Homeoffice: Warum die Ampel endlich handeln muss
Seit Jahren, mindestens aber seit der Coronapandemie, diskutieren wir über ein Recht auf Homeoffice. Geht nicht, sagen die einen, ist ungerecht, weil nicht alle Berufe das umsetzen können, argumentieren die anderen. Doch gerade weil man nicht pauschal sagen kann, welche Mitarbeitenden tageweise von zu Hause aus arbeiten dürfen und wem das verwehrt bleibt, wäre es falsch, das Thema alleine dem Spiel der wirtschaftlichen Kräfte und dem Führungsstil einzelner Chefs zu überlassen.
Die Grünen haben dieser Tage mit Recht daran erinnert, dass die Schaffung von verbindlichen Homeoffice-Regelungen mal im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition stand und angesichts anderer Themen aus dem Blickwinkel verschwunden ist. Schlimmer noch: Viele Unternehmen haben die über die Jahre getroffenen Homeoffice-Flexibilisierungen und -Rechte der Mitarbeitenden mehr oder weniger stillschweigend wieder einkassiert.
Recht auf Homeoffice in einer sich wandelnden Gesellschaft
Das ist das falsche Signal in einer sich wandelnden Gesellschaft, die nicht nur um Fachkräfte kämpfen muss und schon jetzt absehen kann, dass in fünf oder zehn Jahren die in Rente gehenden Boomer empfindliche Lücken reißen werden. Es ist vor allem aber auch der falsche Weg, wenn man über Gleichberechtigung oder vielmehr eine gerechtere Aufteilung in der Care-Arbeit nachdenkt.
Wenn die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Beate Müller-Gemmeke argumentiert, dass „Homeoffice gerade für Frauen wichtig ist, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen“, dann zementiert sie damit ein Narrativ, das gerade abgeschafft werden soll. Denn es gibt für Mitarbeiterinnen wie Mitarbeiter eine Vielzahl an vernünftigen Gründen, eine flexiblere Arbeitsortswahl zu erlauben. Und das sollte standardmäßig überall dort geschehen, wo es im Hinblick auf Technik und Arbeitsprozesse möglich ist. Benötigt wird dafür aber auch ein Umdenken in den Führungsetagen – und ein dezentraler moderner Führungsstil, der jedoch bei genauerem Hinsehen ohnehin schon in vielen Unternehmen Einzug gehalten hat.
Wichtig wäre im Hinblick auf Homeoffice-Regelungen aber ohnehin auch eine Opt-out-Regelung – das heißt, der Arbeitgeber müsste beim grundsätzlich bestehenden und gesetzlich verbrieften Recht auf Homeoffice darlegen, warum eine Arbeit nicht auch problemlos außerhalb des Büros erledigt werden kann. Dass der Busfahrer und die Metzgereiverkäuferin ihren Job nicht von daheim aus erledigen können, versteht sich von selbst. Aber schon beim Schichteinteiler oder der Versicherungsberaterin sieht die Welt ganz anders aus und hängt vielmehr von der IT-Ausstattung und den getroffenen Absprachen ab.
Schutz der Angestellten vor Bequemlichkeit der Führungskräfte
Ähnlich im Hinblick auf das Opt-out-Konzept funktioniert die Sache übrigens schon bei der Frage, ob eine Position prinzipiell auf mehrere Teilzeitstellen teilbar ist oder ob Mitarbeitende ihre Arbeitszeit reduzieren können. Der Betriebsrat müsste dabei standardmäßig ein Mitspracherecht haben – und wo er nicht vorhanden ist, braucht es den Schutz der Angestellten vor der Bequemlichkeit und den überkommenen Strukturen vieler Führungskräfte.
Denkbar wäre auch, dass in größeren Unternehmen zu jedem offiziellen Jobprofil eine Aussage gehört, ob und in welcher Form die Tätigkeit Homeoffice-fähig ist. Denn Menschen verpflichten sich in einem Arbeitsvertrag zur Mitarbeit in einem Unternehmen – zu bestimmten Konditionen wie Arbeitszeiten, Gehalt, Urlaubstagen – und nicht zuletzt auch an einem bestimmten Arbeitsort.
Letzten Endes hat das aber auch eine gesellschaftliche Komponente: Denn Angestellte (ja, bisher vor allem weiblich, aber eben in Zukunft nicht nur) werden sich eher für eine Aufstockung der Stundenzahl entscheiden müssen, wenn sie als junge Eltern eine Chance sehen, Kinderbetreuung, Familienleben und Job unter einen Hut zu bekommen. Insofern könnte es – verkehrte Welt – sogar sein, dass Arbeitnehmer:innen bewusst das Homeoffice anbieten, weil sie ihre Mitarbeitenden langfristig halten wollen.