Secret Invasion: Marvel setzt auf KI – aber was ändert das?

„ChatGPT: Schreib mir eine Marvel-Serie mit Nick Fury, im Stile eines Verschwörungsthrillers“ – diesen Prompt hat es im Hause Disney nicht nachweislich gegeben. Fest steht aber, dass der Vorspann zur neuen Marvel-Show „Secret Invasion“, mit Samuel L. Jackson in der Hauptrolle, KI-generiert ist. Viele Fans im Netz reagieren erbost darauf. Allerdings: Macht das bei Produkten, die komplett frei jeglicher Kreativität sind, überhaupt noch einen Unterschied?
KI soll im Falle dieses Vorspanns den Mensch nicht ersetzt, sondern nur massiv unterstützt haben. Wirklich kreativ geht es bei der Vorspann-Erstellung ja ohnehin nicht zu: So wird bereits seit über fünf Jahren in einer Reddit-Commuity darüber diskutiert, warum jeder Vorspann von einstündigen Fernseh-Dramen gleich aussieht. Vor allem die großen HBO- und Netflix-Shows wie „Game of Thrones“, „Westworld“ und „House of Cards“ sind jüngere Beispiele für diesen Trend.
Sie sind in der Machhart so ähnlich, dass der Gedanke nicht fern liegt, dass sich menschliche Arbeit nach zu viel Marktforschung nicht sonderlich von KI-generierten Designs unterscheidet. Schließlich haben häufig verwendete Elemente große Chancen, von einer KI wieder aufgegriffen zu werden.
Es ist aber beileibe nicht nur der Vorspann: Das Marvel Cinematic Universe sieht sich immer häufiger der Kritik ausgesetzt, zu generisch und ohne frische Ideen aufzutreten. In einem der wenigen lichten Momente der Serie „She Hulk“ durchbricht die grüne Protagonistin im Finale minutenlang die sogenannte vierte Wand und diskutiert mit dem Marvel-Boss, wie frustrierend es sei, dass das MCU so entsetzlich eingeschränkt sei. Dieser ist in der Show übrigens eine künstliche Intelligenz.

Wenn die nächste Marvel-Serie zu Disney Plus kommt: Cobie Smulders und Samuel L. Jackson in „Secret Invasion“. (Bild: Disney Plus)
Bei Marvel hat man schon lange eine Problem, wenn kreative Menschen ihre eigene Vision mitbringen. Der für seinen eigenen Stil bekannte Regisseur Edgar Wright („Hot Fuzz“) verließ „Antman“ wegen kreativer Differenzen. Die VFX-Artists beklagen sich bitterlich über miserable Arbeitsbedingungen, die sich in unfertigen Effekten in millionenschweren Filmen niederschlagen.
Wenn man ohnehin alles zu 100 Prozent vorgibt und selbst Drehbuchautoren zwischen marktforschungsoptimierter Gag-Dichte, Charakteren, die nur Spielzeug verkaufen sollen, und Setups für Spin-Offs und Sequels kaum Handlungsspielraum haben, wo ist dann noch der große Unterschied zu einem ausgefeilten KI-Prompt?
Beim Vorspann wird es nicht bleiben, schon in zwei Jahren könnten Filme komplett KI-generiert sein, heißt es bei Marvel. Die Technologie dürfte im Output aber keine Zäsur darstellen, sondern eher perfekt in den Zeitgeist passen: Auf dem Gaming-Markt boomen die Remakes, in der Musik-Industrie die Remixes und Cover, im Kino werden tote Schauspieler mit Deep Fakes („Star Wars“) wieder zum Leben erweckt oder alte Schauspieler digital verjüngt, um sich keine neuen Charaktere („Indiana Jones“, „Captain Marvel“) ausdenken zu müssen. Neu ist da nichts.
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Und aus einem riesigen Fundus alten Materials weiteren Content zu generieren, darin ist KI nunmal besonders gut. Secret-Invasion-Hauptdarsteller Samuel L. Jackson spricht übrigens davon, bei jedem großen Filmprojekt komplett gescannt worden zu sein. Er habe sich aber zusichern lassen, nach seinem Tod nicht digital wieder zum Leben erweckt zu werden, und empfiehlt allen Schauspieler:innen, es ihm gleichzutun.
Es wird also nicht beim KI-generierten Vorspann bleiben – das ist vor allem schade für die Arbeitsplätze, die dadurch auf Dauer bedroht sein könnten. Die mangelnde Wertschätzung kreativer menschlicher Arbeit sieht man nicht zuletzt am Autor:innen-Streik, der aktuell in Hollywood läuft. Dieser Recycling-Loop läuft bereits seit Jahren – egal, ob mit oder ohne KI. Wenn alles eh wirkt, als sei es von einer Maschine erstellt, dann kann es doch auch gleich wirklich so sein. Vielleicht kann sich der Mensch in der Zwischenzeit ja mal was Neues ausdenken.
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