Shadowbanning: Tiktok lässt politische Hashtags und LGBTQ-Themen verschwinden

Weltoffenheit scheint bei Tiktok nur ein Wort zu sein. (Foto: Shutterstock)
Im Wege des für die Nutzer schwer zu erkennenden Shadowbanning (Schattenbann, also etwa „verdecktes Blockieren“) nimmt Tiktok Hashtags der LGBTQ-Community und teilweise auch politische Hashtags aus dem Dienst. Das geschieht nicht durch Löschen, sondern durch bloßes Nichtanzeigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Australian Strategic Policy Institute (ASPI), über die Netzpolitik.org berichtet.
Vor allem im russischen und arabischen Sprachraum blockiert Tiktok danach vom jeweiligen Staatswesen unerwünschte Hashtags. Betroffen sollen die arabischen Hashtags مثلي_الجنس# („schwul“) und المتحول جنسي# („transgender“) und die russischen Hashtags #гей („schwul“) und #ялесбиянка („Ich bin lesbisch“) sein. Auch #gei auf Estnisch und #gej auf Bosnisch würden zensiert. Insgesamt sollen Inhalte in acht Sprachen blockiert werden.
Die Blockade geht den Untersuchungen zufolge so weit, dass entsprechende Hashtags selbst bei gezielter Suche nicht in den Ergebnissen auftauchen. Stattdessen zeige Tiktok eine Leermeldung, obwohl tatsächlich viele Inhalte mit den gesuchten Hashtags vorhanden wären.
Dass sich Tiktok in den verschiedenen Ländern an die lokalen Gesetze halten muss, stellen die Forscher des ASPI nicht in Abrede. So gelte etwa in Russland seit 2013 ein Verbot der „Propaganda für nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“. Twitter und Instagram etwa halten sich nicht an dieses Verbot, Tiktok schon.
Was das ASPI Tiktok aber eigentlich vorwirft, ist die Übererfüllung des Solls. So hätte Tiktok etwa die Möglichkeit, die Blockaden der entsprechenden Hashtags, wenn sie sie schon für erforderlich erachten, auf die jeweilige Region zu begrenzen, in der eine entsprechende Rechtslage vorliegt. Tatsächlich setze Tiktok das Shadowbanning aber weltweit um. So können selbst in Deutschland lebende Russen die blockierten Hashtags nicht sehen, obschon es ein Verbot der Darstellung solcher Themen hierzulande nicht gibt.
Ebenfalls aufgefallen war den Forschern die Zensur des Hashtags #acab, ein Acronym für „all cops are bastards“, der im Zuge der Demonstrationen der Black-Lives-Matter-Bewegung nach dem Mord am US-Amerikaner George Floyd zu einem Ausdruck der Proteste gegen Polizeigewalt wurde. Erst nach massiver öffentlicher Kritik an der Blockade dieses Hashtags stellte Tiktok die Anzeige mit Verweis auf einen „technischen Fehler“ wieder her. Drei Monate später war das Hashtag erneut verschwunden. Für das ASPI ein Zeichen, dass Tiktok die schwindende öffentliche Aufmerksamkeit genutzt haben könnte, um das Hashtag erneut zu blockieren. Einen neuerlichen „technischen Fehler“ halten die ASPI-Forscher für unwahrscheinlich.
Schlussendlich kommt die ASPI-Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Tiktok trotz anderslautender Beteuerungen einen rigiden Zensurkurs fahre, der im Vergleich der sozialen Medien alle anderen Wettbewerber überbiete. Das passe nicht zum weltoffenen Bild, das Tiktok in der Öffentlichkeit gern von sich zeichne. So habe Tiktok zum globalen „Pride Month“ im Juni seine LGBTQ-Community geradezu gefeiert, dabei zu Spenden aufgerufen und Regenbogenflaggen und Effekte über die Videos gelegt.
Tatsächlich aber gehe Tiktok in der Inhaltemoderation teils deutlich über das hinaus, was nationale Gesetze erfordern. Ganz neu sind die Vorwürfe nicht. Schon im vergangenen Jahr war aus Insiderkreisen bekannt geworden, dass Tiktok etwa Inhalte, die sich mit Homosexualität befassen, auch in Ländern blockiert, in denen gleichgeschlechtliche Beziehungen und deren Darstellung nicht illegal war, etwa in der Türkei. Auch Inhalte mit Aufrufen zu Pride-Demonstrationen soll der Dienst absichtlich versteckt haben.
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