Social Recruiting: Wenn ein Tiktok zum Bewerbungsreal wird
Personalverantwortliche, Headhunter sowie Recruiter sind seit einigen Jahren um einen Kanal reicher, wie er größer nicht sein könnte: Social Media. Während sich die Suche nach Talenten früher auf Messen, Onlineportalen und per Stellenanzeigen in Zeitungen und Magazinen abgespielt hat, sind die sozialen Medien heute ein großer Treiber.
Dabei bedeutet Recruiting auf Social Media weit mehr als nur Xing und Linkedin. Ein Überblick, was Social Recruiting ist, für Verantwortliche bedeutet und wie sich Bewerbende online präsentieren sollten.
Was ist Social Recruiting?
Ein weitverbreiteter Irrglaube unter Jobsuchenden: Was ich bei Facebook, Instagram oder Pinterest mache, ist privat und geht niemanden etwas an!
Das mag sein, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass viele Bewerbende ihre Profile auf genannten und ähnlichen Plattformen öffentlich zugänglich machen. Kaum ein Recruiter oder Headhunter lässt heute die Möglichkeit aus, einen Kandidaten oder eine Kandidatin auf Herz und Nieren zu prüfen. Am einfachsten geht das über Social Media, sofern die Profile öffentlich sind.
Zugegeben: Kaum ein Unternehmen muss heute mehr Dutzende Social Media-Accounts prüfen. So viele Bewerber und Bewerberinnen für eine Stelle gibt es meist nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Die geeigneten Fachkräfte und Auszubildenden werden aktiv gesucht. Auch hier kommt Social Media ins Spiel. Social Recruiting ist genau das, wonach es klingt: Es bezeichnet sämtliche Recruiting-Maßnahmen, die sich auf Social Media abspielen.
Zweiter Irrglaube: Rekrutiert wird auf Linkedin und Xing.
Zwar sind die beiden führenden Business-Plattformen wichtig, genauso relevant sind aber Tiktok, Instagram und Co. Schneller und persönlicher erreicht meist kein Headhunter oder Recruiter eine potenzielle Auszubildende oder eine mögliche Führungskraft.
Wenige Unternehmen nutzen die Chance
Laut der Verbrauchs- und Medienanalyse nutzten im Jahr 2020 über 90 Prozent der Gen Z (geboren zwischen 1995 und 2010) und 83 Prozent der Generation Y (1980 – 1994) mehrmals die Woche Social Media.
Da ist es nur logisch, sich als Unternehmen auch im Recruiting auf diese Kanäle zu konzentrieren, oder? Die Realität sieht anders aus.
Verschiedenen Erhebungen zufolge nutzt erst etwa ein Drittel der deutschen Unternehmen die Möglichkeit, „sozial zu rekrutieren“. Die Zögerlichkeit, mit der Betriebe sich an das Thema Social Recruiting wagen, ist der Neuheit des Mediums geschuldet. Weniger der Neuheit von Social Media an sich – viele Plattformen sind längst ihren Kinderschuhen entwachsen -, sondern die Neuheit, dass auf Instagram oder Tiktok auch rekrutiert werden kann.
Vieles spielt sich nach wie vor auf den eigenen Karriereseiten, auf Stepstone oder Indeed, Karrieremessen und auch noch in Printmedien ab. Das muss kein schlechtes Zeichen sein – die sozialen Medien jedoch zu vernachlässigen, wäre fahrlässig. Nicht umsonst hat „Active Sourcing“ längst das jahrzehntelange „Post & Pray“ abgelöst. Post & Pray steht für Recruiting vor dem Arbeitskräftemangel. Stellenanzeige posten, abwarten, fertig. Heute funktioniert das nicht mehr, dennoch gehen viele Unternehmen immer noch so vor und wundern sich, warum sie keine geeigneten Mitarbeitenden finden.
Heute gilt Active Sourcing, wozu auch Social Recruiting zählt. Personal will aktiv beschafft werden, Bewerbenden stehen alle Türen offen – durch welche sie gehen, entscheidet kein Headhunter und keine Personalerin, sondern meist der oder die Jobinteressierte selbst.
Social Recruiting hat in vielen Bereichen die Nase vorn
Einer der wichtigsten Grundsätze im Marketing besagt, dass dort geworben werden muss, wo sich die Zielgruppe aufhält. Darüber sind sich alle einig – in der Personalbeschaffung kann dieser Grundsatz eins zu eins angewendet werden, findet aber oft keine Beachtung.
Hier liegt die Stärke von Social Recruiting. Gerade potenzielle Auszubildende oder junge Fachkräfte sind stark auf Social Media aktiv. Wer der 16- bis 24-Jährigen schaut heute noch lineares Fernsehen oder liest eine regionale Tageszeitung?
Ein weiterer Vorteil von Social Recruiting gegenüber eingestaubten Methoden: Es besteht die Chance auf immense Reichweiten. Nicht nur lustige Katzenclips oder spektakuläre Sportvideos gehen einmal um die Welt. Auch Social Recruiting-Ansätze, die in eine ganzheitliche Employer Branding-Strategie eingebettetet sind, können um die Welt gehen. Zugegeben: Vielen Unternehmen würde es vermutlich genügen, wenn Clips, Beiträge, Postings und anderer Content in Deutschland im positiven Sinne breitgetreten wird.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Algorithmen können Personalabteilungen den letzten Nerv rauben. Das eine Posting performt, das andere floppt, und niemand weiß, warum. Auch das ist Social Media. Die Möglichkeiten jedoch, die sich dort bieten, das eigene Arbeitgeber-Image mit positiven Inhalten aufzuladen, überwiegen den Ärger über jeden launischen Algorithmus.
Nichts geht von allein
Irrglauben, die Dritte: Wir haben jetzt ein Profil bei Linkedin, Instagram und Tiktok. Und unser Azubi postet dreimal die Woche was – das sollte reichen, um von Talenten gefunden zu werden…
Ganz so einfach ist es dann auch wieder nicht. Die eine Stellenanzeige oder die sehr gute, eine Woche andauernde Kampagne reichen nicht aus. Damit Social Recruiting funktioniert, müssen Ressourcen in die Hand genommen und nachhaltige Ideen entwickelt werden.
Dass Kanäle aktiv bespielt werden müssen, sollte jedem und jeder klar sein. Die Ausnahme: Unternehmen nutzen Social Recruiting lediglich extern und lassen Dienstleister auf Social Media nach geeigneten Bewerbenden suchen. Wobei auch in diesem Fall gilt: Der Kandidatin oder die Kandidatin wird sich über das Unternehmen informieren wollen. Die erste Anlaufstelle? Richtig: Social Media.
Seriös und authentisch auf Social Media
Wer auf Jobsuche ist, sollte sich ähnlich wie jedes Unternehmen ebenfalls Gedanken über seinen Social-Media-Auftritt machen. Was gebe ich preis? Was bleibt besser im Verborgenen? Wie präsentiere ich mich auf welcher Plattform?
Niemand verlangt, dass auf weitgehend privat genutzten Plattformen Lebensläufe gepostet und fleißig Arbeitsproben geteilt werden. Auf Linkedin oder Xing hingegen hilft das und macht möglicherweise Eindruck, wenn Headhunter oder Personalverantwortliche einen Blick auf das Profil werfen.
Wichtig ist: Wer sich hier verstellt und anderen einen Bären aufbinden will, macht sich keine Freunde. Authentizität – seit jeher eines der größten Probleme in den sozialen Medien – ist mindestens so wichtig, wie seriös zu sein.
Um als Jobsuchende oder Jobsuchender sich nicht ewig und bei jedem Post oder Bild auf Snapchat verkopfen zu müssen: Es hilft, private Profile privat zu schalten und andere Accounts wiederum bewusst für die Öffentlichkeit zu „optimieren“.