Vorsicht, Vanmoof: Pedelec-Fahrern drohen Stilllegungen und Strafen wegen einer App-Funktion
Vanmoof-Pedelec: So ist es ungefährlich. (Foto: Vanmoof)
Die Vanmoof-Pedelecs aus den Niederlanden setzen ihre Nutzer einem gravierenden Risiko aus. Eine Funktion in der Vanmoof-App, die das Einschalten des sogenannten US-Modus erlaubt, führt in Deutschland nicht nur dazu, dass die Betriebserlaubnis für die Bikes erlischt. Eine ganz Reihe weiterer rechtlicher Probleme ergibt sich daraus, wie das Handelsblatt berichtet.
Vanmoof: Per einfachem Tap zum S-Pedelec
Die „gefährliche“ Funktion der Vanmoof-App ist schnell beschrieben. Per Tap können Nutzer den sogenannten US-Modus aktivieren. Das führt dazu, dass die Pedelecs die elektrische Unterstützung nicht mehr beim Erreichen von 25 Kilometern pro Stunde ausschalten. Vielmehr unterstützen sie weiter bis auf 32 km/h. Das mag mehr Spaß machen, wie es Vanmoof rechtfertigt, ist aber in Deutschland schlicht illegal.
Wir hatten es in unserem Grundlagen-Artikel zu E-Bikes deutlich beschrieben. Sobald ein Pedelec nicht bei 25 Kilometern pro Stunde in den nicht unterstützten Modus wechselt, handelt es sich nicht mehr um ein Pedelec, sondern um ein S-Pedelec, also ein Speed-Pedelec.
Die schweren Folgen der Klassifizierung als S-Pedelec
Das ist im Grunde zulässig, bringt aber einige Voraussetzungen mit sich, die die Nutzer des Bikes dann unbedingt kennen und einhalten müssen. Es beginnt damit, dass ein S-Pedelec versicherungspflichtig ist und mit einem entsprechenden Kennzeichen versehen sein muss. Der Fahrer muss einen geeigneten Helm tragen und vor allem muss er über einen gültigen Führerschein der Klasse AM oder den PKW-Führerschein (Klasse B) verfügen. Das bedeutet zudem, dass er mindestens 16 Jahre alt sein muss. Die Nutzung der Radwege mit S-Pedelecs ist nicht erlaubt, ebenso wenig das Mitführen im ÖPNV. Es wird klar: Ein S-Pedelec kauft man sich nicht versehentlich.
Es sei denn, man ist Kunde beim niederländischen Pedelec-Hersteller Vanmoof. Denn der sieht in der Möglichkeit, per einfachem Tap den S-Pedelec-Modus, den er als US-Modus bezeichnet, einzuschalten, vor allem „sehr viel Spaß“ für den Nutzer. Und eine Aufklärung über die rechtlichen Folgen dieses „Spaßes“ findet in der Kaufberatung nicht statt.
Polizei kontrolliert gezielt Vanmoof-Bikes
Mit der steigenden Zahl an Vanmoof-Bikes auf den deutschen Straßen hat sich offenbar auch bei den deutschen Verkehrssicherheitsbehörden herumgesprochen, dass die niederländischen Pedelecs leicht außerhalb der Norm betrieben werden können. So ist es in den vergangenen Wochen in Berlin und anderen deutschen Städten zu offenbar gezielten Kontrollen bei Vanmoof-Nutzern gekommen.
Dabei kam es den Polizisten nicht darauf an, zu prüfen, ob der US-Modus tatsächlich angeschaltet war. Es reichte schon, dass der Modus angeschaltet werden konnte. So erwischten die Kontrollen wohl die meisten Vanmoof-Fahrer kalt. Bußgelder von bis zu 250 Euro und die Stilllegung der Räder nebst einigen Punkten in Flensburg werden in einschlägigen Radfahrerforen berichtet.
Straftat: Fahren ohne Führerschein
Richtig gefährlich wird es für jene, die den AM-Führerschein nicht haben. Die begehen streng genommen eine Straftat, nämlich das Führen eines Fahrzeugs ohne gültige Fahrerlaubnis. Geht ein Richter von Fahrlässigkeit aus, kann es immer noch zur Verhängung von bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen kommen.
Für Vanmoof-Fahrer bedeutet das, dass sie sich dringend um eine dauerhafte Abschaltung der Möglichkeit, den US-Modus anzuschalten, bemühen müssen. Das soll wohl im Vanmoof-Store möglich sein, muss aber jedenfalls schriftlich bestätigt sein. Die schriftliche Bestätigung muss dann mitgeführt und bei einer Kontrolle vorgelegt werden können. Auch das wäre aber nur ein vorläufiger Workaround, denn, ob diese manuelle Abschaltung durch das Store-Personal vor dem Gesetz als ausreichende technische Abriegelung anerkannt wird, müsste erst einmal exemplarisch geklärt werden.
Vanmoof arbeitet an Update
Wie das Handelsblatt aus dem Hause Vanmoof erfuhr, werde bereits an einem „grundsätzlich legalisierenden Update“ gearbeitet. Die deutschen Behörden seien „informiert“. Die Umsetzung werde „bis zum 1. November 2020 angestrebt.“ Seine Kunden will Vanmoof nun proaktiv informieren.
Das Problem mit der rechtlichen Definition als Pedelec hatten vor Vanmoof bereits die Wettbewerber Cowboy aus Belgien und Ampler aus Estland erkannt. Cowboy hat die App-Funktion mit dem Start des Cowboy 3, also des 2020er Modells, entfernt. Ampler ist schon seit dem vergangenen Jahr gesetzeskonform unterwegs.
Vanmoof-Fahrer sollten sich nicht darauf verlassen, dass die deutschen Behörden nun, da sie ja „informiert“ sind, den Zustand unkommentiert mindestens bis zum 1. November fortdauern lassen werden. Strafbar machen sich schließlich stets die Nutzer, nicht der Hersteller.
Inwieweit es sich bei dem Fallstrick um einen schweren Produktmangel handelt, der Nutzern den Regress auf den Hersteller ermöglichen könnte, wird sicherlich alsbald von Anwälten geprüft werden.
(Dieter Petereit)
Passend dazu: Was ist der Unterschied zwischen E-Bikes, Pedelecs und S-Pedelecs?
Es ist nicht schön zu sehen, wie wegen lumpiger sieben KM/H Fahrräder still gelegt und Strafanzeigen erstattet werden, während jeder mittelmäßig begabte Fahrer eines Rennrads einen Schnitt von über 40 fährt – und nachts in Berlin, die Hälfte der Radfahrer das Licht nicht an hat, so dass es als Autofahrer echt schwierig ist nicht ständig jemanden zu übersehen. Lieber ein gut beleuchtetes VanMOOF mit 32 als ein dunkles Verkehrsmittel mit 22.
Man wünscht sich auch, dass andere Bereiche der schweren Kriminalität von der Polizei ähnlich motiviert bekämpft würden. Ich denke da an Clans und den Görlitzer Park um nur zwei von unzähligen Beispielen zu nennen.
Aber VanMoof Fahrer gnadenlos hart zu bestrafen ist wahrscheinlich nicht so gefährlich für die Beamten.
Ein paar kleine Korrekturen zu dem Artikel:
1. Für ein S-Pedelec ist ein PKW-Führerschein völlig ausreichend und man braucht nicht noch irgendeine Zusatzbescheinigung. Die sind da in der gleichen Klasse wie 50er Roller, die man ja auch mit dem PKW-Führerschein fahren darf.
2. Auch wenn man einen passenden Führerschein hat, ist die Fahrt mit einem frisierten Pedelec immer noch strafbar wegen der fehleden Versicherung (Verstoss gegen des Pflichtversicherungsgesetz). Wer unbedingt weiter getunt unterwegs sein will, der kann sich theoretisch auch ein Versicherungskennzeichen besorgen, dann ist es „nur“ noch eine Ordnungswidrigkeit wegen fehlender ABE.
3. Man benötigt keine schriftliche Bestätigung für die Umrüstung. Wenn das Fahrzeug erfolgreich auf einen StVZO-Konformen Zustand umgerüstet wurde, dann gilt es rechtlich als Fahrrad und für ein Fahrrad muss man bei einer Kontrolle keinerlei Dokumente (ABE oder ähnliches) vorlegen können. Allerdings kann die Bestätigung einigen Ärger ersparen, im schlimmsten Fall steht das Teil sonst über Wochen bei einem Gutachter bevor man es zurückbekommt.
Danke für den Hinweis mit der Zusatzbescheinigung, alle anderen „Korrekturen“ sind allerdings obsolet, weil das zu Korrigierende gar nicht im Beitrag steht.
Nicht uninteressant, aber warum ist das Ganze so reißerisch geschrieben? Das finde ich völlig unnötig und stellt den Hersteller in ein schlechtes Licht. Warum kann man nicht einfach neutral berichten?