
Wer früher ein Tamagotchi besaß, wusste ganz genau: Das virtuelle Tierchen braucht Pflege, um zu überleben. Ein ähnliches Konzept haben zwei Wissenschaftler:innen der Universität Chicago jetzt in einer Smartwatch verbaut – allerdings mit echten statt virtuellen Lebewesen.
Smartwatch mit Blob: Ohne Pflege keine Pulsmessung
Jasmine Lu and Pedro Lopes haben sich mit der Frage beschäftigt, wie „pflegebasierte Interaktionen (…) die Einstellung und Beziehung eines Nutzers zu einem interaktiven Gerät verändern“.
Das Thema ist nicht neu, bislang wurde aber hauptsächlich die Pflege von virtuellen Charakteren untersucht. Anders bei Lu und Lopes: Sie haben einen Einzeller in einer Smartwatch verbaut.
Der Physarum polycephanum, zu deutsch vielköpfiger Schleimpilz, den die beiden für ihr Experiment genutzt haben, wird umgangssprachlich auch gerne als Blob bezeichnet. Er ist gelb, glibberig und fasziniert die Wissenschaft, weil er zwar kein Gehirn hat, aber als ziemlich intelligent gilt.
In der klobigen weißen Smartwatch von Lu und Lopes kommt der gelbe Einzeller als „lebendes Kabel“ für die Pulsmessung zum Einsatz. Die funktioniert nur, wenn der Blob – aka das „Verbindungskabel“ – lang genug ist. Dafür muss er alle zwei Tage mit Haferflocken gefüttert und ein- bis zweimal pro Tag mit Wasser versorgt werden.
Smartwatch-Fütterung: Wasser und Haferflocken für den Blob
Bekommt der Pilz nicht ausreichend Wasser und Nahrung, vertrocknet und schrumpft er. Dadurch wird die Verbindung, die er normalerweise für die Pulsmessung bereitstellt, unterbrochen – die Smartwatch ist nicht mehr voll funktionsfähig.
Das Praktische an vielköpfigen Schleimpilzen: Sie können bis zu zwei Jahre ohne Nahrung im Ruhemodus ausharren. Werden sie durch Futter und Wasser reaktiviert, wachsen sie wieder, die Smartwatch würde wieder voll funktionsfähig.
Und was wurde aus Lus und Lopes Fragestellung, wie „pflegebasierte Interaktionen (…) die Einstellung und Beziehung eines Nutzers zu einem interaktiven Gerät verändern“?
In ihrer Arbeit schildern die Forscher:innen folgendes Ergebnis: Die Nutzer:innen, die die Smartwatch mit Einzeller zwischen 9 und 14 Tage lang getragen hatten, entwickelten tatsächlich eine gewisse Bindung zu „ihrem“ Blob und fühlten sich für ihn verantwortlich.
Eine kommerzielle Umsetzung des Projekts ist nicht geplant. Aber, so Lu in einem Blogartikel der Univesität: „Ich denke, es ist definitiv ein Design-Takeaway, sich auf diesen Aspekt der Pflege von Geräten zu konzentrieren, anstatt sie nur zu konsumieren.“