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Tiktok-Verkauf geplatzt? So mächtig ist Chinas Regierung bei Mutterfirma Bytedance

Erst sollte Tiktok an Microsoft verkauft werden, dann an Oracle – jetzt steht der ganze Deal in Frage. Wir haben mit vier Experten über den Einfluss der chinesischen Regierung gesprochen.

Von Jan Vollmer
7 Min. Lesezeit
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Server in Virginia und Singapur und ein geplantes Datenzentrum in Irland: Bytedance hat viel getan, um die App Tiktok vertrauenswürdig erscheinen zu lassen. Aber reicht das? (Foto: dpa)

Wenn man Tiktok, die Kurz-Video-App des chinesischen Tech-Startups Bytedance, öffnet, hat man erstmal nicht das Gefühl, dass daran irgendwas gefährlich sein könnte. Den beliebtesten deutschen Kanal dort betreibt Falco Punch – ein fotogener Mittzwanziger, der seine neun Millionen Follower mit Trick-Videos von sich selbst und mit Musik versorgt.

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Trotzdem wird zwischen den USA und China heftig darum gestritten, wie es mit Tiktok weiter geht. Ist die chinesische App eine mögliche Gefahr für amerikanische Nutzer? Wie viel Macht hat  Chinas kommunistische Partei bei Tiktoks Mutterfirma Bytedance?

Donald Trump hatte gedroht, die App Tiktok in den USA zu verbieten, wenn sie nicht bis zum 15. September 2020 an ein amerikanisches Unternehmen verkauft wird. Lange sah es so aus, als ob Microsoft die App kaufen würde – mit Unterstützung von Walmart. Kurz vor dem Ablaufen der Frist ist der Tiktok-Microsoft-Deal geplatzt. Statt dessen war plötzlich Oracle der heißeste Anwärter. Aber einen Tag vor Ablauf der Frist scheint auch der Oracle-Deal unsicher: CGNT – die internationale Ausgabe des chinesischen Staats-Senders CCTV – berichtete,  Bytedance würde Tiktok auch nicht an Oracle verkaufen.

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Braucht Bytedance eine Lizenz für den Tiktok-Verkauf?

Die staatliche Nachrichtenseite verwies dabei auf neue chinesische Gesetze, denen zufolge Bytedance wohl erst eine Lizenz der chinesischen Regierung einholen müsste, bevor Techunternehmen wie Tiktok verkauft werden könnten.

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Staatlichen Medien wie CCTV (oder CGNT) werden oft als Sprachrohr der chinesischen Regierung interpretiert – daher stellt sich jetzt die Frage, ob die chinesische Regierung einen Verkauf von Tiktok mit Sourcecode überhaupt noch zulässt.

Wie mächtig ist die chinesische Regierung bei Bytedance und Tiktok?

Zwei Milliarden mal, schätzt das Analyse-Unternehmen Sensor-Tower, soll die App Tiktok bisher heruntergeladen worden sein. Mit hauptsächlich unterhaltsamen Tanz- und Comedy-Kurzvideos erreicht die Plattform nach Schätzungen über weltweit 800 Millionen Nutzer – rund 100 Millionen davon in den USA.

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„Es [Tiktok] kann aus Sicherheitsgründen nicht von China kontrolliert werden.“ – Donald Trump

Donald Trump sieht darin ein gefährliches Werkzeug der Spionage und Einflussnahme. Der amerikanische Präsident und sein Kabinett drohen damit, die App zu verbieten, wenn sie nicht an ein amerikanisches Unternehmen wie Microsoft verkauft wird. „Es [Tiktok] kann aus Sicherheitsgründen nicht von China kontrolliert werden,“ so Trump. Für den möglichen Milliarden-Deal hatte Trump Tiktok und den Interessenten 45 Tage Zeit gegeben.

Donald Trump mag Tiktok nicht. Die Nutzer der App haben den Ruf, Donald Trump auch nicht zu mögen: Die Comedian Sarah Cooper versorgt eine halbe Million Tiktok-Follwer mit Lip-Sync-Trump-Persiflagen. Eine Trump-Ralley in Tusla blieb leerer als gedacht – und Tiktoker brüsteten sich damit, Tausende Tickets reserviert zu haben und nicht hingegangen zu sein. Auch Black-Lives-Matter-Demonstranten und Aktivisten nutzen die App für Videos und Aufrufe.

Geht es in Trumps Tiktok-Verbot also um eine Laune des Präsidenten? Oder kann ein chinesisches Tiktok in Sachen Cybersicherheit, Spionage und Propaganda tatsächlich zum Problem werden? Und: Wie ist die App Tiktok und der Konzern Bytedance eigentlich bisher mit politischer Macht in China umgegangen?

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Wie kommt Bytedance mit der Kommunistischen Partei zurecht?

Wenn man Sicherheit und Risiken eines wachsenden sozialen Netzwerkes wie Tiktok einschätzen will, werden oft erst die technische Details diskutiert: Welche Daten werden gesammelt, wo werden sie gespeichert, wie sicher sind die Konten der Nutzer? Bei chinesischen Unternehmen kommt die Frage dazu: Welchen Einfluss hat die chinesische Kommunistische Partei dort?

Zhang Yiming, der Gründer von Tiktoks Eigentümer Bytedance, hat viel dafür getan, dass seine App in diesen Fragen vertrauenswürdig erscheint: Er hat die internationale Version der App (Tiktok) von der chinesischen Version (Douyin) getrennt, damit die internationale Version nicht der Zensur der Kommunistischen Partei unterliegt. Die Nutzerdaten von Tiktok liegen auf Servern in Virginia und Singapur. Im Mai setzte er Kevin Mayer, Disneys ehemaligen Streaming-Chef, als Tiktoks neuen CEO ein. Ende August 2020 kündigte Mayer schon wieder. Anfang August 2020 gab Tiktok bekannt, ein neues Datenzentrum in Irland bauen zu wollen.

Ist Tiktok damit sicher genug?

Trotz allem ist Tiktoks Mutterkonzern und Eigentümer Bytedance noch ein chinesisches Unternehmen. Das Hauptquartier steht in Peking. Ein großer Teil der Mitarbeiter haben ihren Lebensmittelpunkt in China. Das in Europa wenig bekannte Kernprodukt, der Nachrichtenaggregator Toutiao, erreicht täglich über hundert Millionen chinesische Nutzer.

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„In allen großen Tech-Firmen Chinas gibt es Parteizellen,“ – China-Forscher Kai von Carnap

Ein Unternehmen dieser Größe und Reichweite müsse sich in China mit der Kommunistischen Partei arrangieren, so Experten. „Chinesische Tech-Unternehmen können sich nur schwer von dem Einfluss der Kommunistischen Partei lösen,“ schreibt Kai von Carnap, der bei dem Thinktank Merics zur technologischen Entwicklung Chinas forscht, in einer E-Mail an t3n. „So gibt es in allen großen Tech-Firmen Chinas sogenannte Parteizellen, die in irgendeiner Form mit, neben, oder über dem Vorstand Entscheidungen treffen,“ so Carnap.

Die Parteizelle bei Bytedance wird vom Vizepräsidenten des Unternehmens, einem Mann namens Zhang Fuping, geführt. „Auch wenn das Zusammenspiel der Parteizellen und Unternehmensführungen selten nach außen dringt, gab es im Fall von Bytedance auch über die Jahre viele Anzeichen, dass man sich dem Einfluss der Partei nicht entziehen kann,“ erklärt China-Forscher Carnap.

Die Kommunistische Partei hat auch schon früher gezeigt, wie so ein Einfluss aussehen kann: Anfang 2018 beschuldigte der staatliche chinesische Internet-Zensor die Nachrichtenapp von Bytedance, Toutiao „vulgäre Informationen“ verbreitet und einen „negativen Einfluss auf die öffentliche Meinung“ zu haben und sperrte Teile der App für 24 Stunden. Bytedance deaktivierte daraufhin die Accounts von über 1.000 Nutzern und startete eine neue Rubrik, die sich vor allem mit den Entscheidungen der Regierung beschäftigte. Die neue Rubrik, so das Unternehmen, sollte vor allem den „Geist des Parteikongress“ vom Oktober 2017 fördern.

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Der Bytedance-Gründer und die „sozialistischen Grundwerte“

Bytedance-Gründer Zhang Yiming entschuldigte sich um vier Uhr morgens in einem offenem Brief auf Wechat dafür, die „sozialistischen Grundwerte“ der Kommunistischen Partei nicht respektiert zu haben und „abgewichen zu sein, von der Führung der öffentlichen Meinung.“

„Wir haben einen exzessiven Fokus auf die Rolle der Technologie gelegt, und wir haben nicht anerkannt, dass Technologie von dem sozialistischen Wertesystem geführt werden muss (…)“, so der Bytedance-Gründer weiter.

So lange Bytedance und damit Tiktok im Kern ein chinesisches Unternehmen bleiben, ist es schwer, weiteren Einfluss der Kommunistischen Partei auszuschließen.

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„Die Partei sitzt am längeren Hebel.“ – IT-Rechtler Dennis-Kenji Kipker

„Die Möglichkeit der Einflussnahme besteht in China immer – politisch und rechtlich,“ erklärt Dennis-Kenji Kipker, der an der Uni Bremen zu Recht, Cybersecurity und IT-Recht forscht. „Gesetze zur nationalen Sicherheit, zum Gemeinwohl, zur öffentlichen Ordnung und das Kryptographiegesetz sind eher vage formuliert und können weit ausgelegt werden,“ so Kipker. „Die Partei sitzt am längeren Hebel. Wenn aus politischen Motiven heraus etwas gemacht werden soll, dann passt das in die Gesetze rein.“

Rechtliche Sicherheit, im europäischen Sinne, so Kipker, „gibt es in China nicht. Das gilt für alle Datenverarbeitungsvorgänge. Es kann durchaus sein, dass chinesische Behörden kommen und Hardware aus einem Rechenzentrum mitnehmen, das ist nicht ausgeschlossen und hat es in der Vergangenheit schon gegeben.“

„Die Partei und der Staat sind per Gesetz bei allem, was mit Internet zu tun hat, dabei. Ohne Verbindungen zur KP wird man in China nicht groß, also hat Tiktok natürlich Verbindungen.“

Tiktoks damaliger CEO Kevin Mayer sagte, Tiktok sei unpolitisch. Expertinnen sehen das kritisch: „Die Partei und der Staat sind per Gesetz bei allem, was mit Internet zu tun hat, dabei. Ohne Verbindungen zur KP wird man in China nicht groß, also hat Tiktok natürlich Verbindungen,“ sagt Anna Marti, die sich für die Friedrich Naumann Stiftung mit Digitalisierung und China beschäftigt. Marti verweist dabei auch auf Dokumente zu Tiktoks Moderationsrichtlinien, über die The Intercept, Netzpolitik und der englische Guardian berichtet hatten. Inhalte durften laut dieser Moderationsrichtlinien gewisse Themen nicht berühren, wie zum Beispiel das Tiananmen-Massaker, Kritik an der Kommunistischen Partei oder politischen Führern. Außerdem sollten Menschen in den Kurzvideos gewissen Schönheitsidealen entsprechen, um für die Reichweitenstarke Rubrik „For you“ in Frage zu kommen.

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Tiktok-Sprecher sagten zu den jeweiligen Berichten, die Moderationsrichtlinien seien veraltet und würden nicht mehr genutzt. Zu den Einschätzung der oben genannten Experten sagte eine Unternehmenssprecherin von Tiktok gegenüber t3n: „Tiktok wird nicht in China angeboten und die chinesische Regierung hat keinen Zugriff auf Nutzer*innendaten von Tiktok. Weder hat die chinesische Regierung die Herausgabe von Daten verlangt, noch würde Tiktok dieser Forderung nachkommen. (…) Tiktok verpflichtet sich, die lokalen Gesetze der Märkte einzuhalten, in denen wir arbeiten. In Europa beachtet Tiktok strikt die DSGVO.“ Die Sprecherin verwies dabei auf die weltweiten Standorte von Tiktok  und ein Transparency and Accountability Center in den USA, in dem Experten die Moderationsrichtlinien und den Code einsehen könnten.

Dabei liegt schon jetzt der juristische Firmensitz von vielen großen chinesischen Internetkonzernen nicht mehr in China. Auch Bytedance ist auf den Cayman Islands registriert. „Das ist ein vertragliches Konstrukt, um chinesisches Recht zu umgehen,“ erklärt Mareike Ohlberg, die für das Institut German Marshall Fund zu China forscht, in einem Telefonat. „Chinesische Internetkonzerne können nur so an die Börse gehen und auch nichtchinesische Teilhaber haben.“ Das Problem dabei sei nur, so Ohlberg: „Aus meiner Sicht bringt dieses Konstrukt die Unternehmen eher in schwieriges Fahrwasser, weil man auch deswegen in China gegen sie vorgehen könnte. Sie sind damit noch mehr vom guten Willen der Partei abhängig.“

Als ich Mareike Ohlberg frage, was denn passieren müsste, damit ein chinesisches Unternehmen wie Bytedance vertrauenswürdig wird, sagt sie: „China bräuchte einen Rechtsstaat.“

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Dein t3n-Team

Paul Sommer

Interessanter Artikel. leider wurde vergessen zu erwähnen, dass man „China“ auch gegen „USA“ austauschen kann. Dann stimmt’s immer noch zu 90%. Die sind ja was Datensammelei und Repression anbelangt kein Deut besser.

Antworten
Dieter Petereit

Repression und keinen Deut besser? Wie kommst du zu so einer Bewertung?

Antworten
Paul Sommer

Meinst Du deine Frage jetzt wirklich ernst? Dann solltest Du vielleicht gelegentlich die Nachrichten sehen.
Der Folterknast in Guantanamo, die Verfolgung von Julian Assange, die Erpressungen wegen Nord stream, um mal nur drei Dinge zu nennen, die Repression beinhalten.

Beim Ausspionieren der Welt (ja, auch incl. Industriespionage) sind die USA den Chinesen immer noch haushoch überlegen.
TicToc tut nichts, was nicht auch Facebook und Google täten (aber die arbeiten ja auch für die „guten“). Und auch diese Firmen müssen ihre Daten herausgeben, wenn der Horrorclown mit der gelben Perücke das will. Der EuGH hat ja nicht zufällig die ganzen Scheinabkommen (Safe Habour usw.) mit den USA für nichtig erklärt.

Wo also ist da irgendetwas besser als in China? OK, die USA hat (vielleicht) keine Umerziehungslager, aber dafür regelmäßige Menschenrechtsverletzungen gegen die eigene nichtweiße Bevölkerung , Serien von völkerrechtswidrigen Kriegen, mit denen sie den halben arabischen Raum in Schutt und Asche gelegt haben und den jahrzehntelangen Boykott gegen Kuba und allen südamerikanischen Staaten, die nicht Amerikas Turbokapitalismus folgen.

Nein, die USA sind kein Deut besser als China oder auch Russland. Das alles sind mehr oder weniger Unrechtsstaaten, wenn auch teilweise unter dem Deckmantel der Demokratie.

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