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Interview

Trade-Republic-Chef Christian Hecker: „Bei uns wird nicht gezockt“

Schnell, günstig und einfach Aktien per App kaufen: Trade Republic ist eines der wertvollsten deutschen Startups – und steht trotzdem im Schatten des amerikanischen Neobrokers Robinhood.

7 Min.
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Christian Hecker gründete Trade Repbulic 2015 zusammen mit Thomas Pischke und Marco Cancellieri. (Foto: Trade Republic)

Nicht mal 20 Prozent beträgt die Aktionärsquote in Deutschland. Die meisten Bürger:innen investieren also nicht an der Börse. Um das zu ändern ist der Neobroker Trade Republic 2019 angetreten. Nun ist die Tradingapp auch in 16 anderen europäischen Ländern verfügbar.

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Neobroker wie das deutsche Fintech locken mit geringen Gebühren und einfacher Handhabung per App. Das hat ihnen den Ruf eingebracht, ihre Kund:innen zum Zocken zu ermuntern. Trade-Republic-Chef Christian Hecker hält dagegen und spricht lieber über die Altersvorsorge und das Investieren in passiv gemanagte Indexfonds (ETF).

Wir haben mit dem Gründer und studierten Philosophen darüber gesprochen, warum das Fintech oft mit dem amerikanischen Robinhood verglichen wird und welchen Stellenwert Kryptowährungen für die Kund:innen haben.

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t3n: Trade Republic wird oft mit der amerikanischen Brokerage-App Robinhood verglichen. Was sagst du zu dem Vergleich?

Christian Hecker: Ja, das stimmt. Robinhood hat auf dem Papier ein sehr ähnliches Modell wie wir. Wir kennen auch die Gründer und tauschen uns mit ihnen aus. Aber wir machen etwas ganz anderes: Robinhood ist eher eine Trading-App, auch für kurzfristiges Zocken. Trade Republic wollte schon immer Sparpläne bauen, damit die Kunden langfristig sparen können.

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Wie kommt es zu diesen Unterschieden?

Wir haben eine andere Herangehensweise und einen anderen Markt. In Amerika ist es seit Jahrzehnten steuerlich gefördert, an der Börse für das Alter vorzusorgen. Der amerikanische Brokeragemarkt ist dagegen eher etwas für Menschen, die kurzfristig handeln wollen.

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Spricht lieber über die Rentenlücke als über spekulative Einzeltrades: Trade-Republic-Chef Christian Hecker. (Foto: Trade Republic)

In Europa ist das komplett spiegelbildlich. Hier ist es seit Jahrzehnten schon sehr einfach und günstig gewesen, kurzfristig zu handeln. In Europa haben wir aber noch einen großen Bedarf nach Sparplänen. Das war auch ein wichtiger Punkt im Gespräch mit unseren neuen Investoren.

Du meinst eure Fundingrunde, die ihr im Sommer bekommen habt. Inwiefern war das dabei relevant?

Die Investoren haben erkannt, dass Trade Republic eine Anlaufstelle für junge Erstanleger und Sparer ist. Wir haben jetzt schon extrem viele ETF-Sparpläne und damit auch in den nächsten Jahren noch mehr vor. Deswegen sind wir froh, dass wir den größten Pensionsfonds der Welt als Investor gewinnen konnten.

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250 Millionen Euro hat Trade Republic eingesammelt. Wofür braucht ihr das Geld?

Der Markt hat sich verändert und wir wollen mit viel Kraft in diese Marktphase gehen und weiterhin investieren. Trade Republic ist für die kommende Markt- und Entwicklungsphase sehr komfortabel finanziert. Wir haben uns aufgestellt, Innovationsführer der Branche zu bleiben und weiterhin das beste Produkt für die Kunden zu bauen.

Eure Kundenanzahl gebt ihr seit Jahren mit über einer Million an, dabei schätzen Expert:innen, dass sich diese Zahl schon lange vervielfacht haben könnte. Warum gibt Trade Republic so wenige Zahlen heraus?

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Oftmals werden solche Zahlen in der öffentlichen Darstellung verkürzt. Es geht uns nicht um profane Zahlen und irgendwelche Meilensteine. Wir sprechen lieber über unsere Produkte, statt über die Momentaufnahmen unserer Kundenanzahl zu diskutieren. Die Rentenlücke (Anm. d. Red.: Differenz zwischen Einkommen und gesetzlicher Rente), das Problem, das wir angehen, kann man nicht auf Quartalszahlen reduzieren, sondern man muss auf die nächsten zehn Jahre blicken.

Du sprichst von Altersvorsorge mit Aktieninvestments. Das ist vielen zu komplex oder sie halten es für riskant. Was sagst du dazu?

Ich glaube, dass für viele Menschen ein einfacher ETF-Sparplan die beste Altersvorsorge ist. Wenn er breit diversifiziert und kostenlos ist, wiederkehrend bespart wird, ist er definitiv ein besseres Produkt als die Altersvorsorge des Staates.

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Trotzdem sorgt nur ein geringer Prozentsatz der Deutschen so vor.

Klar, das Anlegen ist immer noch ein Elitenprodukt. Das liegt auch an den vielen Fachwörtern, hohen Eintrittsbarrieren und Intransparenz. Die wollen wir aber auflösen und das Investieren menschlicher machen, sodass es in den Alltag passt.
Wer jeden Monat ein paar hundert Euro in einen ETF auf den MSCI World steckt, reduziert die Frage nach der Altersvorsorge auf eine einzige: Glaube ich, dass die Weltwirtschaft in den nächsten 30 Jahren wächst? Und dazu haben viele Menschen eine Meinung. Das ist dann gar nicht mehr so komplex, wie man das von außen wahrnimmt.

„Ein Großteil verlässt sich auf die einfachen Lösungen wie einen ETF auf den MSCI World.“

Wenn es mit einem weltweiten Aktien-ETF schon getan ist, warum bringt ihr dann noch mehr Sparpläne in die App?

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Die Auswahl ist wichtig, weil es für verschiedene Probleme verschiedene Herangehensweisen gibt. Ein Großteil der Menschen verlässt sich auf die einfachen Lösungen wie einen ETF auf den MSCI World. Manche wollen aber auch selbst Verantwortung übernehmen und bauen sich ein eigenes Sparplan-Portfolio auf. Dann landen zum Beispiel oft auch ETF mit Fokus auf Asien oder die Tech-Branche im Portfolio – ganz nach eigenen Vorlieben.

Aktien, ETFs, Derivate und Krypto: Trade Republic bietet verschiedene Anlageklassen per App an. (Bild: Trade Republic)

Wie viele eurer Kund:innen legen in Sparplänen an?

Ein weit überwiegender Teil. Wir haben mehr ETF-Sparpläne als Kunden, weil einige mehrere Sparpläne haben.

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Dabei macht eure App auch das schnelle Traden von Aktien und risikoreichen Produkten sehr einfach und günstig. Glaubst du, eure App animiert zum Zocken?

Nein. Wir haben dazu auch eine Studie in Auftrag gegeben, die zeigt, dass ein Großteil unserer Kunden mit einem langen Anlagehorizont investiert. Bei der Gamestop-Situation Anfang 2021 haben zu Hochzeiten nur echt Prozent unserer Kunden den Memestock besessen. Und wir sehen es auch im Derivatebereich, dass bei uns nicht gezockt wird.

Sparpläne sind bei euch gebührenfrei, Einzeltrades nicht. Sind Trader dann nicht wertvollere Kund:innen für euch als Sparer:innen?

Mit Einzeltrades verdienen wir kurzfristig Geld, aber monatliche Sparer sind für uns wertvoller. Unser Ziel ist es, dass so viele Kunden wie möglich sparen. Mit Trade Republic wollen wir einen großen Marktanteil in Europa aufbauen, um ein signifikantes Finanzinstitut zu sein. Das funktioniert, wenn Millionen europäischer Kunden monatlich über die nächsten 10, 20 oder 30 Jahre bei uns Geld ansparen. Dann ist der Umsatz im nächsten Quartal auch verhältnismäßig irrelevant – denn das Rentenproblem beschränkt sich nicht auf die Quartalszahlen, sondern man muss es auf Zehn-plus-Jahressicht sehen.

Die meisten unserer Kunden sind mit Anfang 30 noch relativ jung. Sie bauen ihr Vermögen während ihrer Lebenszeit noch auf und so wachsen wir Monat für Monat mit.

Ihr verdient nicht nur an Gebühren, die die Anleger:innen zahlen. Sondern auch an Rückvergütungen, die Handelsplätze zahlen, wenn einer eurer Kund:innen ein Finanzprodukt dort kauft. Wie wichtig ist dieser sogenannte Payment for Order Flow für euch?

Genau, wir haben drei Einnahmesäulen: 1. Die Gebühren auf Einzeltrades, 2. die Rückvergütungen von den Handelsplätzen und 3. Umsatzbeteiligung von Emittenten von Derivaten, ETF und Co. Die Säulen halten sich gut die Waage.

Gerade wird über ein Verbot von Payment for Order Flows (PFOF) diskutiert. Was würde das für Trade Republic bedeuten?

Das Verbot ist im Gespräch, weil der Lobbyismus der deutschen Monopolbörsen den Payment for Order Flow nicht mag. Ein Verbot davon würde aber die Zeit zurückdrehen und höhere Gebühren für alle privaten Investoren bedeuten. Diese Rückvergütungen sind das beste Modell, wenn man Sparpläne und Trades günstig oder kostenlos anbieten will.
Zum Glück sehen wir in Brüssel viele Stimmen, die sich für PFOF einsetzen, und wir begrüßen ausdrücklich, wenn die Rückvergütungen mit ihren guten Aspekten für die Kunden erhalten bleiben.

„Ist die Unsicherheit groß, wird weniger gehandelt.“

Ob wegen Corona oder nach dem Angriff auf die Ukraine, an den Börsen gibt es immer wieder angespannte Phasen. Merkt ihr das?

Ja klar, private Investoren verhalten sich zum Glück genauso wie Institutionelle: Ist die Unsicherheit groß, wird weniger gehandelt. Das ist bei unseren Kunden nicht anders als an den Weltbörsen. Aber sie wurden nicht panisch und das Sparen in Sparplänen blieb unbeeinträchtigt. Diese Reife und Professionalität zeigt mir, dass gerade eine neue Generation von Anlegern entsteht, die nachhaltig ihr Schicksal in die Hand nimmt und Rente anders begreift.

Seit vergangenem Jahr bietet ihr auch Kryptowährungen an. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Krypto haben wir verhältnismäßig spät angeboten. Aber 2021 hat gezeigt, dass institutionelle Investoren, also zum Beispiel Pensionskassen und Versicherungen, mehr Geld in Krypto stecken als die Gruppe der privaten Investoren. Das hat klar gemacht, dass Krypto eine nachhaltige Anlageklasse ist, die viele ihrem Portfolio für langfristigen Vermögensaufbau beimischen wollen. Also bieten wir es an.
Außerdem sind die großen Kryptowährungen nachhaltig spannend. Genauso wie die dahinterliegende Technologie, die vieles verändern und neue Nutzungsmöglichkeiten bieten wird. Wir wollen da mitwachsen und bauen das Geschäft mit Krypto weiter aus.

Worauf können sich Kryptofans freuen?

Als Nächstes steht zum Beispiel die Erweiterung um Limit- und Stop-Orders auf der Roadmap. Das wird kein halbes Jahr mehr dauern.

Wer bei euch Krypto kauft, kann die Token aber nicht in eine andere Wallet übertragen, da sie fremdverwahrt werden. Warum setzt ihr auf Fremdverwahrung?

Für Krypto gibt verschiedene Zielgruppen. Menschen, die ihre Krypto-Token selbst in der eigenen Wallet halten wollen, begreifen wir heute noch nicht als Massenmarkt. Für uns war es kurzfristig wichtig, den Kryptohandel einfach und transparent zu machen. Das spricht Menschen an, die teilhaben wollen, ohne sich mit technischen Sachen und Anforderungen auseinandersetzen. Trotzdem ist die Selbstverwahrung eine Funktionalität, die wir auf lange Sicht anbieten werden.

Nach welchen Kriterien entscheidet ihr, welche Kryptowährungen es auf eurer Plattform schaffen?

Wir schauen uns an, welche Währung eine hinreichende Marktkapitalisierung und Volumen hat. Außerdem sollten die Projekte unseren Glauben an den Kryptomarkt teilen. Dogecoin haben wir zum Beispiel trotz seiner Größe nicht aufgenommen. Wir fühlen uns aktuell mit dem Kryptoangebot wohl und listen die wesentlichen Coins. Aber wir bauen das Angebot auch sukzessive aus.

Im Sommer hat es auf dem Kryptomarkt einen drastischen Preisrutsch gegeben. Habt da bei euren Kund:innen Skepsis gespürt?

Nein, wir sehen keine Flucht aus Krypto. Auch wenn unsere Kunden ihr Geld nicht herausgezogen haben, sind sie aufgrund der aktuellen Marktlage verhaltener, neue Kryptowährungen zu kaufen. Das ist wie bei Aktien auch.

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