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Twitter-Gründer Jack Dorsey: Der selbstoptimierte Zauberlehrling

Doppel-CEO, Tech-Milliardär, Gesundheits-Guru, Model, Masseur – all das war Twitter-Gründer Jack Dorsey, teilweise gleichzeitig. Heute kämpft er nicht nur gegen das Altern, sondern auch gegen die negativen Seiten der Social-Media-Plattform, die er gegründet hat.

Von Stephan Dörner
6 Min. Lesezeit
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Twitter- und Square-CEO Jack Dorsey. (Foto: Frederic Legrand/Shutterstock)

Die Geschichte des Twitter- und Square-Gründers Jack Dorsey lässt sich als eine moderne Variante von Goethes Zauberlehrling beschreiben: Da sitzt Dorsey im Gespräch mit dem bekannten US-Podcaster Joe Rogan – merklich betroffen über das, was er geschaffen hat. Ein Monster? Ein Sprachrohr für einen verrückt gewordenen US-Präsidenten, der Twitter unter anderem dazu nutzt, Nordkorea mit nuklearer Vernichtung zu drohen? Eine Hassmaschine, die die Spaltung der Gesellschaft weiter vorantreibt und Einfallstor ist für Propaganda und Desinformationen aus der ganzen Welt – darunter Russland und China?

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Ja, all das ist Twitter wohl – auch. Und Dorsey räumt das ein. Den Zauberlehrling lässt Johann Wolfgang von Goethe verzweifelt ausrufen: „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los“, nachdem er mit einem Zauberspruch seines Meisters den Besen zu einem dienstbaren Helfer machen wollte – dieser aber außer Kontrolle gerät und das gesamte Haus mit Wasser überschwemmt. Im Gespräch mit Rogan sagt Dorsey: „Wir haben das Ding für uns selbst gebaut. […] Nun hat es die ganze Welt durchdrungen – und einige dieser Orte sind wirklich unangenehm.“

Vom Easygoing-Jack-Dorsey ist nicht viel übrig

Von dem lockeren, enthusiastischen Easygoing-Jack-Dorsey, den das US-Magazin New Yorker 2013 porträtierte, ist nicht mehr viel übrig. Dorsey ist heute 43 Jahre alt, er spricht bedächtig und reflektiert. Aber er ist auch ein Selbstoptimierer, der beispielsweise nur eine Mahlzeit am Tag isst, regelmäßige Eisbäder nimmt, sich von einer Infrarot-Lampe neben seinem Steh-Schreibtisch anleuchten lässt, jeden Tag eine Mischung aus Himalaya-Salz, Wasser und Zitronensaft trinkt und nach eigenen Angaben versucht, täglich zwei Stunden zu meditieren. CNBC zählt elf Wellness-Rituale des Milliardärs. Einige davon – wie große Menge Vitamin C als Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen – werden von Experten kritisch gesehen.

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Im Dezember 2018 twitterte Dorsey einen langen Thread über ein Meditations-Retreat in Myanmar, das es ihm erlaubt habe „die untersten Schichten des Geistes“ zu erreichen und sie „neu zu programmieren“. Die New York Times nannte Dorsey schon „Silicon Valleys Antwort auf Mega-Influencerin Gwyneth Paltrow“. Die US-Schauspielerin hat eine eigene Netflix-Serie rund um Methoden für ein gesundes Leben – manche davon mehr, manche weniger seriös. Insbesondere für manche Männer des Silicon Valley ist Dorsey eine Art Gesundheits-Guru geworden.

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Mit nicht einmal 30 Twitter-Chef

Mit nicht einmal 30 Jahren war er zum ersten Mal Twitter-Chef. Später tritt er zurück, gründet den Bezahldienst Square. Seit 2015 ist er CEO beider Firmen. Eines der wichtigsten sozialen Netzwerke der Welt hat einen Teilzeit-Chef. Laut New Yorker muss sich Dorsey seitdem bei Square regelmäßig Fragen zu Twitter gefallen lassen – insbesondere von Mitarbeitern aus marginalisierten Teilen der Bevölkerung, die negative Erfahrungen auf Twitter gemacht haben.

Die Geschichte von Dorsey ist auch die Geschichte eines Mannes, der immer fest daran glaubte, dass Technologie die Welt zum besseren verändern kann – und der anhand der eigenen Firma erkennen musste, dass das kein Automatismus ist. Dabei bleibt Dorsey aber im Grunde Technik-Optimist und ist beispielsweise von den Möglichkeiten der Kryptowährung Bitcoin überzeugt. Im März 2018 ließ er sich zu der Prognose hinreißen, Bitcoin werde in den kommenden zehn Jahren zumindest online den US-Dollar als Weltwährung ablösen. Damals investierte er auch in die Lightning-Technologie, die Bitcoin-Überweisungen schneller und günstiger machen – und damit Bitcoin vom digitalen Gold in ein digitales Zahlungsmittel für die Massen verwandeln soll.

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Frühe Irrungen im Leben des Jack Dorsey

Dabei war der Aufstieg zu einem der mächtigsten Männer des Silicon Valley nicht unbedingt vorgezeichnet. Zwar lernte er früh, zu programmieren, und erstellte Open-Source-Software, die später von Taxi-Unternehmen für die Kartenvisualisierung genutzt wurde. Doch der Beginn seines Erwachsenenlebens wirkt rückblickend orientierungslos. 2000 wollte er zunächst botanischer Zeichner werden, dann ließ er sich zum Masseur ausbilden, dann studierte er Modedesign. Kein Studium oder Ausbildung schloss er ab – dafür verdiente er Geld als Model.

Dass er mit der Gründung von Twitter etwas schaffen würde, was im Jahr 2020 eine zentrale Rolle in einer globalen Debatte rund um die Grenzen von Meinungsfreiheit, politischer Propaganda, Hatespeech und einen zürnenden US-Präsidenten spielen würde, konnte Dorsey bei der Gründung vor mehr als 14 Jahren nicht ahnen. Twitter orientierte sich nicht an Onlineforen, die schon früh in der Geschichte des Internets für ihre Flamewars und gegenseitigen Beleidigungen berühmt-berüchtigt waren.

Bei Twitter sollte etwas ganz Harmloses im Zentrum stehen, inspiriert von Amateurfunk und frühen Instant Messengern wie ICQ: der momentane Status. Dorsey und die anderen Gründer, die Twitter im Umfeld des damaligen Podcasting-Unternehmens Odeo gründeten, glaubten, dass die Leute Twitter vor allem dazu nutzen würden, ihrem Freundeskreis mitzuteilen, was sie gerade machen und wo sie gerade sind.

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Die SXSW brachte den Durchbruch für Twitter

Es kam anders. 2007 gewann Twitter im Umfeld der damaligen Digitalkonferenz South by South West (SXSW) in Austin an Popularität unter Techies. Von rund 20.000 stieg die Zahl der abgesetzten Tweets damals auf rund 60.000 täglich. Schnell wird deutlich, was Twitter dank des Follower-Prinzips wirklich ausmacht: Bei Facebook sehen die Nutzer Nachrichten von Leuten, mit denen sie gemeinsam zur Schule und Uni gegangen sind – bei Twitter die Nachrichten derer, mit denen sie gerne gemeinsam studiert hätten. Statt Bekanntschaft im echten Leben stehen die Interessen und Themen im Vordergrund bei der Frage, wie die eigene Timeline aussieht.

Jack Dorsey Wurzeln im „Show me“-State

Heute ist Twitter ein nicht mehr wegzudenkender Teil einer globalen, politisch aufgeheizten Welt der Polarisierung. In das Klischee des linksliberalen Silicon-Valley-Milliardärs passt Dorsey aber auch nicht ganz. Aufgewachsen ist er im Mittleren Westen der USA im Bundesstaat Missouri. Die Republikaner sind hier traditionell stärker als die Demokraten. Dorseys Vater wählte republikanisch, seine Mutter die Demokraten, wie Dorsey im Rogan-Podcast berichtet. Er selbst betont seine Herkunft aus dem „Show me“-Staat – so wird Missouri im amerikanischen Volksmund genannt, weil seine Einwohner als besonders skeptisch gelten.

Dorsey ist kein Freund von Donald Trump. Aber im Bemühen, durch die aufgeheizte politische Lage der USA zu navigieren, betont er die Meinungsfreiheit als hohes Gut. In vielem ist Twitter liberaler als Facebook – zum Beispiel, wenn es um Nacktheit geht. Als nicht zuletzt durch Trump Vorwürfe laut wurden, die großen Silicon-Valley-Plattformen Facebook und Twitter würden insbesondere konservative Stimmen unterdrücken, suchte Dorsey das Gespräch mit zahlreichen konservativen Stimmen in Amerika.

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Dorseys Lösung für Twitters Probleme: Technologie

Der Twitter-Gründer ist immer noch überzeugt von der positiven Macht digitaler Technologie – auch bei der Lösung von Problemen, die diese hervorgebracht hat. Das teils toxische Klima bei Twitter, das er offen einräumt, will er mit einer Mischung aus technischen Veränderungen und künstlicher Intelligenz (KI) in den Griff bekommen. Die KI soll Menschen bei der Sperrung von Nutzern unterstützen. Wichtig ist ihm dabei, dass Twitter nicht zum Hohepriester über richtige und falsche Meinungen wird – im Gespräch mit Joe Rogan fällt immer wieder das Wort „Conduct“ – auf Deutsch Verhalten.

Dorsey ist überzeugt davon, dass Twitter seine Probleme vor allem über die Beobachtung und Sanktionierung schädlichen Verhaltens in den Griff bekommen kann – beispielsweise über die Sperrung von Nutzern, die massenhaft Accounts steuern, um damit virtuelles Mobbing zu betreiben. Man kann den Eindruck gewinnen, dass er sich damit der schwierigeren Frage nach den Grenzen der Meinungsfreiheit im virtuellen Raum entziehen möchte.

Wenn Dorsey die Plattform heute noch einmal erschaffen würde, würde er die Follower-Zahlen weniger betonen und die Likes gar nicht erst einführen, sagte er im April 2019 in einem Interview der Ted-Konferenz. Ob Twitter dann so erfolgreich geworden wäre?

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2 Kommentare
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Raroke

Jack Dorsey, jener 4-fache Milliardär, den die Bundesregierung so gerne nach Deutchland holen würde, ist offensichtlich auch ein Satanist ? Er witterte:
„Während ich mir die gute Pasta mache und mir einige großartige Stellen der satanischen Verse durchlese, beginnn sich die goldenen Fäden langsam zu verflechten.“

Thomas Jarzombek (Deutscher Politiker (CDU), MdL, MdB) twittert eine Einladung für diesen Jack Dorsey nach Deutschland zu kommen, na ja beide vielleicht aus einer Satanistenlinie…???

Dazu auch: https://www.youtube.com/watch?v=_ScMpho-T5s LION Media

Antworten
Karsten Feldmann

@Raroke …
Aua ! Aua ! Aua ! Das schmerzt jetzt wirklich.
Woran man sieht, warum ER (Dorsey) CEO zweier Weltunternehmen ist und DU (Raroke) nur einen dummen Kommentar hier posten kannst.

Dorsey liest auch Bücher ! Und sein Kommentar ist eine Anspielung auf die „Satanischen Verse“ von Salman Rushdi. Dort ist die große Geschichte, der Main Plot, mit zahlreichen Sub Plots verwoben (engl. Woven). Ein sprichwörtlicher „Teppich“ von Geschichten und Deutungen, die in einem „Göttlichen Finale“ enden.
Der Roman ist kontrovers und komplex (Wie die „Wahrheit“ in Twitter zu finden).
Der Begriff „Verwoben oder engl. Woven“ wird in vielen Literaturkritiken zu diesem Roman verwendet und auch von Rushdie selbst in seinen Äußerungen benutzt, um die unterschiedlichen Perspektiven auf seinen Roman zu unterstreichen.

In Dorseys Tweet wird „Verwoben“ (von einem Translation-Bot) einfach nur dilettantisch mit „verflechten“ übersetzt, was die Anspielung auf seine Lektüre und die daraus folgernden Erkenntnisse im Sinn entstellt.

Womit hier schön zu erkennen ist, dass wir die Welt nicht mit Technologie verbessern, sondern nur mit Bildung! Lesen bildet …. denken und reflektieren über das gelesene noch viel mehr.

„Wer schreibt, der bleibt. Wer postet, der hustet nur Staub.“

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