Im vergangenen Jahr hatten sich Nachwuchsmitarbeiter:innen von Goldman Sachs öffentlich über zu harte Arbeitsbedingungen bei der Investmentbank beschwert, die ihre körperliche und mentale Gesundheit gefährdeten. Die Rede war etwa von Arbeitswochen mit 100 Stunden. Die Beschwerde hatte an der gesamten Wall Street für Aufsehen gesorgt. Zahlreiche Finanzinstitute versprachen, mehr zu unternehmen, um die Work-Life-Balance ihrer Angestellten zu verbessern. Goldman Sachs prescht jetzt mit eher ungewöhnlichen Maßnahmen voran.
Goldman Sachs lockt mit unbegrenztem Urlaub
Wie aus einem internen Memo an die oberste Führungsriege und Partner:innen hervorgeht, das CNBC zu Gesicht bekommen hat, gesteht ihnen eine seit 1. Mai 2022 geltende neue Urlaubsregelung unbegrenzte Auszeiten zu. Konkret ist die Rede von flexiblen Urlaubszeiten ohne Begrenzung, so dass man eine Auszeit nehmen könne, wenn man sie brauche. Einfache Mitarbeiter:innen sollen ab Anfang 2023 immerhin zwei zusätzliche Urlaubstage pro Jahr nehmen können, wie aus einem weiteren Memo hervorgeht. Zuerst hatte der Telegraph über die neuen Regelungen berichtet.
Eine weitere Neuerung tritt ebenfalls Anfang 2023 in Kraft. Demnach sind alle Mitarbeiter:innen, auch die oberste Chefetage aufgerufen, pro Jahr mindestens 15 Tage, also drei Wochen, Urlaub zu nehmen. Davon sollte mindestens eine ganze Woche am Stück Urlaub genommen werden. „Wir freuen uns, Verbesserungen und Änderungen an unserem globalen Urlaubsprogramm bekanntzugeben, die darauf abzielen, Auszeiten zum Ausruhen und Aufladen weiter zu unterstützen“, heißt es in der internen Nachricht.
Harter Konkurrenzkampf um Führungskräfte
Ähnliche Regelungen gelten übrigens auch bei Netflix und Linkedin, wie CNBC schreibt. Goldman Sachs, so die Einschätzung von Beobachter:innen, könnte sich damit insbesondere im harten Konkurrenzkampf um fähige Mitarbeiter:innen in der Tech-Branche besser positionieren wollen. Der Bankriese hatte zuletzt seine Mitarbeiter:innen recht aggressiv zur Rückkehr ins Büro aufgefordert, wie das Handelsblatt berichtet. Das zu diesem Zweck eingeführte kostenlose Frühstück und Mittagessen ist derweil schon wieder gestrichen worden.
Gerade die Regelung zum Urlaubszwang deutet aber auf das Hauptproblem hin, das in der oberen Managementebene herrscht. Denn dort ist eher die Regel, dass die ohnehin rar gesäten Urlaubstage nicht ansatzweise genutzt werden. Das zu ändern dürfte Goldman Sachs mit dem unbegrenzten Urlaub nicht gelingen. Denn einer Studie der HR-Plattform Namely zufolge nehmen Mitarbeiter:innen in Unternehmen mit unbegrenztem Urlaubsanspruch noch weniger Urlaub als in Firmen mit herkömmlichen Regelungen. Zudem dürfte der Konkurrenzdruck auf Leitungsebene ohnehin eher davon abhalten, zu oft im Urlaub zu verweilen.