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MIT Technology Review Interview

Was gegen VR-Krankheit helfen könnte: Medikamente, Minze, virtuelle Nasenspitze?

Zunächst Begeisterung, jetzt Ernüchterung bei Käufer:innen der Apple Vision Pro. Ein Grund: gesundheitliche Nebenwirkungen. Was hinter der VR-Motion-Sickness steckt, erklärt die Medizinerin Doreen Huppert.

4 Min.
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Die sogenannte VR-Motion-Sickness tritt nicht nur bei Apples Vision Pro auf. (Foto: Ringo Chiu / Shutterstock)

Kopfschmerzen, Augenschmerzen, Übelkeit: Einige Nutzer:innen der Vision Pro beklagen Symptome wie diese, wenn sie Apples Hardware aufsetzen. Die gesundheitlichen Nebeneffekte sind einer der Gründe, warum Käufer:innen das Headset wieder zurückgegeben haben. Die sogenannte VR-Motion-Sickness tritt aber nicht nur bei Apples Modell auf. Auch Headsets anderer Hersteller können auslösen, dass Nutzer:innen ähnlich wie bei Seekrankheit schlecht wird.

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Doreen Huppert ist Professorin am Deutschen Schwindel- und Gleichgewichtszentrum des LMU-Klinikums in München und erforscht Motion Sickness schon seit vielen Jahren. Ihr Steckenpferd ist die Antike, in der bereits Seefahrer und Sänftenträger von der Krankheit berichteten. Sie erklärt, was hinter dem Unwohlsein im virtuellen Raum steckt und was dagegen helfen kann.

  • Dieses Interview erschien erstmals unter dem Titel „Die Signale sind nicht so, wie sie unser Gehirn erwartet“ in Ausgabe 7/2023 von MIT Technology Review (im heise shop bestellbar).

MIT Technology Review: Wer sich eine VR-Brille aufsetzt, ist meistens topfit. Warum spricht man trotzdem von einer Krankheit?

Doreen Huppert: Man fühlt sich einfach krank. Das Ganze verläuft in mehreren Stufen: Erst ist man ein bisschen benommen, wird müde, man kann Kopfweh bekommen und auch Schwindel. Irgendwann wird einem schlecht und man muss brechen. Dennoch steckt keine Krankheit im eigentlichen Sinn dahinter, sondern eine Inkongruenz verschiedener Sinnessignale, die bei Bewegung im Gehirn eingehen.

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Medizinerin Doreen Huppert erklärt, was hinter der VR-Motion-Sickness steckt

Die Medizinerin Doreen Huppert untersucht nicht nur akute Schwindelphänomene, sondern auch den „Schwindel danach“ – wenn das auslösende Erlebnis schon vorbei ist.
(Foto: Doreen Huppert / W&B / Bernhard Haselbeck)

Können Sie das genauer erklären?

Normalerweise sind in unserem Gehirn Muster abgespeichert, wie wir uns bewegen. Diese Muster haben wir im Laufe unseres Lebens erlernt und sie werden über Informationen aus drei Sinnessystemen immer wieder mit der Realität abgeglichen. Beim Gehen zum Beispiel senden Körperrezeptoren – also „Fühler“ – in den Füßen Signale, außerdem muskuläre Fühler und Gelenkfühler. Gleichzeitig senden das visuelle System und das Gleichgewichtssystem Informationen. Stimmen die Signale nicht mit den abgespeicherten Mustern überein, kann das Unwohlsein auslösen. Das ist zwar wissenschaftlich nicht belegt, aber die zurzeit allgemein anerkannte Theorie.

Ein Beispiel bitte?

Motion Sickness tritt vor allem bei passiver Bewegung auf, wenn ich sozusagen bewegt werde. Also wenn ich beispielsweise im Auto sitze und in ein Buch schaue, dann melden die Augen: Alles stabil, ich bewege mich nicht, ich lese. Aber das Gleichgewichtssystem meldet eine lineare Bewegung des Autos. Dadurch kommt es zu einer Inkongruenz, weil die Signale nicht so sind, wie unser Gehirn sie erwartet.

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Was passiert nun, wenn ich eine VR-Brille nutze?

Da wird meinen Augen zum Beispiel vorgespielt, dass ich mich vorwärtsbewege, und das wird dann vom Gehirn auch so wahrgenommen. Aber mein Gleichgewichtssystem und die Körperrezeptoren werden nicht gereizt, weil mein Körper in der Realität – je nach Spiel – sitzen oder stehen bleibt.

Wer leidet besonders unter der Bewegungskrankheit?

Dazu haben wir eine große epidemiologische Studie gemacht. Danach leiden Kinder zwischen 9 und 13 Jahren besonders unter Motion Sickness und Menschen mit Vorerkrankungen wie Migräne. Die Empfindlichkeit ist aber individuell sehr verschieden. Es gibt Leute, die bekommen schon beim Skifahren Probleme, wenn zum Beispiel die Sicht schlecht ist, und müssen sich auf der Piste übergeben.

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Andere können stundenlang Karussell fahren und es passiert gar nichts. Auch in diesen beiden Beispielen handelt es sich um ungewohnte Bewegungen, bei denen die drei Sinnessysteme Signale senden, die das Gehirn mit den abgespeicherten Mustern nur schwer überein bekommt. Die Gründe für die unterschiedlichen Empfindlichkeiten sind allerdings noch nicht verstanden.

Es gibt ja den sogenannten psychogenen Schwindel, der etwa bei Menschen mit Angststörungen auftreten kann. Spielen psychologische Faktoren bei der Bewegungskrankheit ebenfalls eine Rolle?

Auch das ist unklar. Allerdings berichtete schon der römische Dichter Juvenal von der Frau eines Senators, die immer sehr leicht seekrank wurde – nur nicht, als sie mit ihrem Liebhaber, einem Gladiator, auf einem Schiff nach Ägypten durchbrannte. Als Grund gilt ihre emotional gute Verfassung, da sie gerade freudig dem Ehemann entronnen war. Psychologische Faktoren können also durchaus eine Rolle spielen. In erster Linie ist die Bewegungskrankheit aber ein physiologisches Problem.

Lässt sich dieses körperliche Problem im Fall der VR-Erlebnisse technologisch lösen? Etwa durch bessere Brillen?

Wahrscheinlich kann man den Effekt lediglich ein bisschen dämpfen. Denn wenn die Diskrepanz zwischen den Körpersignalen bleibt, wird jemand, der empfindlich ist, trotzdem reagieren. Man hat mal versucht, das Gleichgewichtsorgan, das im Knochen hinterm Ohr sitzt, durch galvanische Stimulation zu reizen, sodass von dort auch Bewegungsimpulse kommen. Dass sich das durchgesetzt hätte, ist mir aber nicht bekannt.

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Eine Studie aus den USA hat gezeigt, dass es helfen kann, wenn im Gesichtsfeld einer VR-Brille eine Nasenspitze eingeblendet wird.

Wenn stationäre Reize im Gesichtsfeld gesetzt werden, kann es durchaus sein, dass es einem dadurch besser geht. Man kennt das auch von der Seefahrt. Da hilft es zum Beispiel, den Horizont zu fixieren.

Was kann außerdem helfen?

Angenehme Düfte wie Minze zum Beispiel, darauf haben Seefahrer schon in der Antike gesetzt. Auch wenn bis heute nicht klar ist, warum genau sie wirken. Training, also Gewöhnung, ist ebenfalls ein gutes Gegenmittel. Es wirkt aber immer nur auf einen bestimmten Reiz. Wer also nach ein paar Tagen auf dem Meer endlich seefest ist, kann bei der nächsten Autofahrt durchaus wieder unter Übelkeit leiden.

Natürlich kann man auch Medikamente einnehmen. Aber sie dämpfen alle Reize und machen müde. Dann wird einem nicht schlecht, doch bei einem VR-Erlebnis hat man vermutlich nicht das Vergnügen, das man eigentlich haben will.

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