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Analyse

Chancen und Risiken im Web3: Warum wir gerade jetzt den Journalismus brauchen

Journalist:innen sehen im Web3 meist mehr Risiken als Chancen. Trotzdem prägt ihre Berichterstattung die Entwicklung der neuen Branche – von innen und außen.

5 Min.
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Unabhängiger und kritischer Journalismus sind das Gebot der Stunde, sagt unsere Autorin. (Symbolfoto).

„Sagen, was ist“ ist der Leitspruch für Journalist:innen, wenn es nach dem ehemaligen Spiegel-Verleger Rudolf Augstein geht. Mit seiner Suche nach der Wahrheit und als Kontrollinstanz gegenüber Machthabenden erfüllt der Journalismus eine wichtige öffentliche Aufgabe. Es geht dabei nicht nur um das reine Übertragen von Informationen, sondern auch darum, Missstände und Skandale aufzudecken, die gesellschaftlich relevant sind.

Auch wenn nicht alle Journalist:innen täglich großen Skandalen auf der Spur sind, leisten sie wichtige Arbeit für die öffentliche Meinungsbildung. Sie informieren und erklären – und das nach journalistischen Standards. Damit nehmen sie die Rolle einer „Vierten Gewalt“ im System der staatlichen Gewaltenteilung ein. Anders als die gesetzgebende, ausführende und juristische Gewalt sind die Massenmedien allerdings eine externe Säule, die eine Kontrollfunktion über die anderen ausüben, um Machtmissbrauch zu verhindern.

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Dabei folgt die Arbeit von Journalist:innen festgelegten Standards. Die Berufsethik verpflichtet Journalist:innen laut Presserat dazu, dass sie

  • sorgfältig recherchieren,
  • vertrauensvoll mit Informationen umgehen,
  • unparteiisch sind,
  • sachlich argumentieren,
  • alle Seiten einbeziehen,
  • unbestechlich und unabhängig sind.

Besonders streng sind die Vorgaben für Finanzjournalist:innen, die mit ihren Berichten und Analysen Aktienkurse beeinflussen können. Dabei geht es nicht nur um Straftaten wie das Verwenden von Insider-Informationen für Investments, sondern auch um Empfehlungen des Pressekodex. Zum Beispiel sollten Journalist:innen eine Einzelaktie, über die sie berichten, zwei Wochen vorher und zwei Wochen nachher nicht selbst handeln.

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Wer berichtet über das Web3?

Upgrades an einer Blockchain, der Launch eines neuen Projektes, Hacks und Pleiten von Kryptofirmen: Im Web3 passiert viel. Täglich. Darüber berichten jedoch nicht die großen Medienhäuser – zu nischig sind die Themen, zu branchenspezifisch, zu irrelevant für Menschen, die noch nichts von NFT, Blockchain und Co. gehört haben.

Der Informationsfluss für Brancheninsider läuft stattdessen über Newsletter, Podcasts, Videos, Artikel und Social-Media-Posts. Gemacht von Menschen, die meist aus der Web3-Welt kommen und Informationen weitergeben wollen. Die meisten dieser Quellen informieren aktuell und korrekt. Doch der überwiegende Teil handelt nicht nach journalistischen Standards.

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Das muss kein Nachteil für das Publikum sein. Allerdings sollte ihm bewusst sein, dass diese Informationsquellen auch die Freiheit haben, Kooperationen mit Firmen einzugehen und Werbung zu machen. Außerdem gibt es hier keine Kontrollinstanz, die dafür sorgt, Fakten und Meinung trennscharf auseinanderzuhalten.

An wen richten sich die Informationen?

Inhalte über das Web3 lassen sich in zwei Kategorien aufteilen: Insider-Inhalte und Outsider-Inhalte. Insider-Inhalte sind für Web3-Natives gemacht, also Menschen, die aus der Branche kommen und viel Vorwissen mitbringen. Sie wollen sich über Neuigkeiten aus der Branche informieren – tiefgehend, aktuell, detailliert, vielleicht auch unterhaltend. Tägliche Newsletter, ausführliche Interview-Podcasts oder Videos stillen diesen Wissensdurst.

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Wie sieht es bei Menschen außerhalb der Branche aus? Wenn sich Outsider, zu denen die Mehrheit der Bevölkerung zählt, über die Branche informieren wollen, müssen sie angemessen abgeholt werden. Wer erst wenige Berührungspunkte mit Blockchain-Themen hatte, dem fehlt das Grundwissen und der aktuelle Diskussionsstand, um das zu verstehen, was Web3-Natives anspricht.

Konkret bedeutet das, dass Outsider-Inhalte Fachwörter erklären, Hintergründe mitliefern und Eigenheiten der Branche aufklären sollten. Wer sich an diese Zielgruppe richtet, veröffentlicht eher anlassbezogen über Trends und Tendenzen. Hier wird oft hinterfragt, was die neue Technologie kann und ob die aktuellen Auswüchse ihrer Entwicklung Gefahren für unbedarfte Personen bergen könnten.

Insider-Inhalte werden häufig von brancheninternen Personen produziert, was erklärt, dass wir hier tendenziell wenige professionelle Journalist:innen antreffen. Reichweitenstarke Outsider-Inhalte hingegen stammen häufig von Journalist:innen. Das liegt daran, dass diese Berichterstattung häufig wahrgenommen wird, da sie von großen Medienhäusern kommt, die das Vertrauen des Publikums genießen.

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Warum sind Outsider-Inhalte wichtig?

Outsider-Inhalte werden von Brancheninsidern oft kritisch beäugt. Hat die Autorin oder der Autor fachlich alles korrekt wiedergegeben? Welches Licht wird hier auf die Branche und Projekte wie meines geworfen? Verständlich, denn wer durch seine Arbeit oder eine eigene Unternehmensgründung daran interessiert ist, dass die Web3-Branche aufstrebt, liest nur ungern Berichte, die die eigenen Überzeugungen und Zukunftsvisionen infrage stellen. Ein nicht zu unterschätzender Punkt, denn gerade diese neue Branche lebt von Zukunftsversprechen.

Trotzdem ist unabhängiger und kritischer Journalismus wichtig für die Web3-Branche. Denn er ist, per Definition, eine verlässliche Informationsquelle, die neutral berichtet und Orientierung auch für Brancheninsider bieten kann. Wie ein Spiegel können Outsider-Inhalte die Außenwahrnehmung der eigenen Branche offenbaren.

Nur Outsider-Inhalte verändern die öffentliche Wahrnehmung der Branche und tragen Informationen nach außen. Diese Inhalte sind die Grundlage für eine freie Meinungsbildung. Nur auf Basis verlässlicher Informationen können Personen mündig entscheiden, ob sie sich mit den Ideen und Konzepten des Web3 beschäftigen wollen oder nicht. Auch für Web3-Neulinge ist das wichtig, denn wenn offen über Hacks und Verwahrrisiken berichtet wird, nimmt das Angst und klärt auf.

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Im Vergleich zu brancheninternen Inhalten haben Outsider-Inhalte einen weiteren Blick und können so Themen verknüpfen und Querverweise ziehen. Ihre Distanz kommt ihnen zugute. Zudem haben sie andere Anreize, Themen zu bearbeiten, als Insider-Medien. Ihr Maßstab ist nicht das Interesse der Blase, sondern sie fokussieren sich auf unterschiedliche Aspekte. Ein Lokalreporter berichtet über das Blockchain-Startup in der eigenen Stadt, Wirtschaftsjournalist:innen setzen hingegen die Branche ins Verhältnis zu anderen und der Kultursender beschäftigt sich mit dem Anspruch von NFT und wie sie den Kunstmarkt verändern. Verschiedene Journalist:innen wählen unterschiedliche Aspekte aus und bereiten sie anders auf.

Ohne Zweifel sind auch professionell arbeitende Journalist:innen nicht unfehlbar und auch Inhalte, die große Medienhäuser veröffentlichen, können unsorgfältig recherchiert oder nicht korrekt wiedergegeben sein. Ressourcen-Mangel, Zeitdruck und fehlende Anreize sind Feinde des Qualitätsjournalismus.

Fazit: Wofür braucht das Web3 Journalismus?

Journalistische Inhalte über das Web3 dienen Brancheninsidern indirekt. Die Medienprodukte spiegeln die öffentliche Wahrnehmung der Branche und prägen sie. Diese Outsider-Inhalte klären auf und kritisieren. Sie erfüllen damit die Kontrollfunktion des Journalismus und können mit konstruktiver Kritik neue Lösungsansätze anregen.

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Journalist:innen von Outsider-Medien können sogar einen Teil dazu beitragen, das übergeordnete Ziel der Branche zu erfüllen: Menschen zu erreichen. Denn ohne Menschen wäre das Web3 nur eine blutleere Idee. Business-Cases umzusetzen ergibt nur Sinn, wenn sie genügend Nutzende finden.

Menschen zu erreichen, die noch keine Berührungspunkte mit Blockchain-Themen hatten, kann schwer sein, da es ein voraussetzungsvoller Bereich ist, der sich nicht selbst erschließt. Es braucht Erklärungen und Orientierung. Der Journalismus ist genau die richtige Instanz, um diesem Bedürfnis gerecht zu werden – in einer unabhängigen, vertrauenswürdigen und distanzierten Art.

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2 Kommentare
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Dein t3n-Team

sunny

Liebe Kollegen,

ich bin selbst Journalist, stimme diesem Artikel aber nur teilweise zu. Ich finde es auch wichtig, ueber das Web3.0 zu berichten. Ob das nach journalistischen Standards gemacht wird oder nicht, spielt meiner Meinung nach aber keine Rolle, solange der Inhalt richtig ist und die Informationen faktisch nachweisbar sind. Wo ich definitiv nicht zustimme, ist die Tatsache, dass es sich beim heutigen Journalismus um die vierte Gewalt handelt. Diese Zeiten sind vorbei. Das war noch vor 20 Jahren so, als man fuer eine Zeitung ein Abo abschliessen musste und die Schreiberlinge ueber Themen berichten konnten, von denen sie dachten, dass es wichtig ist. Ob der eine oder andere Artikel die Leser am Ende interessiert hat oder nicht, hat keine Rolle gespielt. Denn das Abo haben sie wegen einzelnen Artikeln, die ihnen nicht gefallen haben, nicht gekuendigt. Das ist heute anders. Heute zaehlt bei den Medien (egal ob Online- oder Leitmedien) vor allem die Reichweite, da fast alles online stattfindet. Es wird also nicht mehr Zeit in Artikel investiert, die zwar wichtig waeren, aber eben kaum geklickt wuerden. Stattdessen werden Beitraege veroeffentlicht, von denen die Redaktionen wissen (zb. durch Google Trends), dass sie haeufig geklickt wuerden, weil dadurch entsprechend Werbung eingebunden werden kann und das schliesslich die Kohle fuer das Unternehmen bringt. Die Medien achten heute also auf Klickzahlen, Reichweite, Zitierbarkeit bei anderen Medien, etc… Dadurch ist der Journalismus an sich schon kein ordentlicher Journalismus mehr, der als vierte Gewalt agiert. Darueber hinaus werden AB-Tests von Ueberschriften und inhaltlichen Kurzbeschreibungen durchgefuehrt, um diese moeglichst so zu formulieren, dass sie beim Leser den Reiz ausloesen, unbedingt auf einen Artikel klicken zu wollen. Kurzes Beispiel fuer all das. Als der Krieg in der Ukraine losging, drohte Moskau damit, jedes Land zu bekaempfen, das den Ukrainern hilft – und zwar mit allen Mitteln, die Russland zur Verfuegung stehen. Das ist eine Aussage, die erstmal alles und nichts bedeuten kann. Nachdem dann einige sog. Russland- bzw. Militaerexperten Stellung zu dieser Aussage genommen haben und von einem Einsatz nuklearer Waffen von Seiten Russlands sprachen, haben alle Medien das Thema Atomkrieg aufgegriffen. Innerhalb eines Tages konnte man in einem einzigen Newsmedium (ich will keinen Namen nennen) zehn Themen zu Atom… lesen wie „Was ist eine Atombombe“, „So wirkt die Strahlung auf Menschen“, „Darum sollten sie immer Jod zu Hause haben“, etc …. In einem Land, in dem die Volkskrankheit Nummer 1 Depression ist, halte ich so eine angstmachende und angsverbreitende Berichterstattung fuer journalistisch fragwuerdig. Und trotzdem wurde es so gemacht, weil die Klicks garantiert waren. Darueber hinaus haben viele Medien heute Angst vor sog. Shitstorms, die sie ueberfluten koennten und im schlimmsten Fall eine Eigendynamik entwickeln, die einem Zeitungsunternehmen finanziellen Schaden zufuegen koennte. Dadurch reagieren die Medien gehemmt und nicht mehr mit dem Selbstbewusstsein, das Journalismus in den 1990er-Jahren noch auszeichnete….
Ein weiteres Thema, weshalb ich Journalismus heute eher nicht mehr als solchen bezeichnen wuerde ist, dass ein Grossteil der Berichterstattung von Agenturen wie dpa, Reuters, Afp, etc. gekauft, minimal angepasst (z.B. hier wieder AB-Tests fuer gut klickende Headlines) und anschliessend veroeffentlicht werden. Ob der Inhalt denn so stimmt, darauf vertrauen die Medien den Agenturen. Mir ist nstuerlich bewusst, dass die Redaktionen bei dieser Masse an Informationen nicht das Personal haben, um sie nachzupruefen. Aber dann sollte man so eine Masse an Informationen eben auch nicht veroeffentlichen, was natuerlich weniger Einnahmen des Unternehmens bedeuten wuerde. Darauf will wiederum kein Nachrichtenunternehmen verzichten, weshalb sie in Kauf nehmen, auch fehlerhafte Artikel oder Artikel mit fehlerhaftem Teilinhalt zu veroeffentlichen. Deshalb wuerde ich abschliessend behaupten, dass der Journalismus heute anders definiert wird, als er einmal war und es leider kaum noch wirklich guten Journalismus gibt – Ausnahmen bestaetigen natuerlich die Regeln.

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Ralf

Die Medien haben in diesem Jahr bei der Berichterstattung über Ramstein, Till Lindemann sich ja toll an die Grundsätze gehalten. Und wenn man sich die TESLA „Berichterstattung“ auf T3N in den letzten Jahren ansieht, ist dies mehr Werbung als Bericht. Auch lese hier recht wenig über Innovationen aus Deutschland und wenn es Versuche gibt, wird kritisiert, aber sicherlich nicht konstruktiv. Konstruktive Kritik auf dieser Seite? Suchen Sie mal einen solchen Artikel. Zurück zu Web3.0. Die UNO definiert zurzeit in einer Gruppe den Standard vom Metaverse. Da lese ich kaum etwas aus Europa. China möchte die Regeln aufstellen. Berichterstattung darüber in der t3n … wo? Die Fragen, die wir uns in den Gruppen der UNO stellen, werden maximal als Ablehnung für die Technologie verstanden. Die Medien haben meiner Meinung nach bei der Technologiefeindlichkeit in diesem Land Mitschuld. Medien die nur Verrisse schreiben – egal ob Cloud, KI, RFID… aus Europa, brauchen wir nicht mehr. Und wenn web 3.0 bedeutet, dass wir niedermachen, einer Technologie ertragen müssen – ist dies gut.

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