Der neueste Facebook-Skandal, aber sortiert
Die Skandale bei Facebook reißen nicht ab. Laut einer neuen Recherche, die die New York Times am Dienstag veröffentlichte, hatten Unternehmen wie Spotify und Netflix auch Zugriff auf die privaten Nachrichten der Facebook-Nutzer. Wenn sie gewollt hätten, hätten Spotify und Netflix also private Nachrichten von Nutzern manipulieren können, so die Recherche. Facebook äußert sich hier zu den Vorwürfen.
Einige dieser außergewöhnlichen Zugriffsrechte stehen im Zusammenhang mit Funktionen der jeweiligen Apps: Spotify beispielsweise ermöglichten diese besonderen Zugriffsrechte auf die Facebook-Nachrichten, dass Nutzer Songs direkt aus der Spotify-App heraus in einer Facebook-Nachricht verschicken konnten. Spotify und Netflix sind aber bei weitem nicht die einzigen Unternehmen, die besondere Zugriffsrechte auf Facebook genossen: Bis zu 150 Unternehmen aus Branchen wie Onlinehandel, Unterhaltung, Medien und sogar Autofirmen und Banken hatten laut der Recherche der New York Times Zugriff auf Nutzerdaten in bisher unbekanntem Ausmaß. Unter den Unternehmen mit besonderen Daten-Privilegien bei Facebook waren neben Amazon, Apple und Microsoft auch Yandex, ein russischer Internetkonzern, dessen Beziehungen zum Kreml ungeklärt sind.
Mehr als bloß ein Skandal
Unter normalen Umständen wäre dieser Datenzugriff Dritter ein Skandal. Bei Facebook häufen sich aber die Berichte über Datenlecks, politische Beeinflussung, Ignoranz, Vertuschung und dreiste Krisen-PR dermaßen, dass dieser neue Bericht dabei unterzugehen droht. Zeit für eine Einordnung.
In der Tat ist es gar nicht mehr so einfach, den Überblick über alle Skandale zu haben, in die Facebook zur Zeit verwickelt ist. Grob gesagt, lassen sie sich aber in drei Kategorien einteilen:
- Daten-Skandale
- Politische Skandale
- Management-Skandale
Facebooks Datenskandale
Ein Datenskandal wäre beispielsweise der aktuelle Skandal, in dem etliche andere IT-Unternehmen Zugriff auf die Daten und auch Nachrichten der Nutzer hatten, ohne dass diese davon wussten. In die Kategorie würde aber auch der Bug passen, der in der letzten Woche bekannt wurde: Entwickler hätten da die Bilder von 6,8 Millionen Nutzern sehen können. Ein klassischer Daten-Skandal war auch der Facebook-Hack von Ende September, bei dem Angreifer Zugriff auf die Daten von 50 Millionen Nutzern hatten. In diese Kategorie gehört natürlich auch die Spionage von Cambridge Analytica, der Firma, die mit den auf Facebook abgeschöpften Daten der Trump-Kampagne in den USA half.
Facebooks politische Skandale
Die politischen Missbrauchsskandale hängen eng mit den Datenskandalen zusammen. Wie oben schon erwähnt, versuchte die Firma Cambridge Analytica mit Daten, die sie auf Facebook abgeschöpft hatten, Donald Trump zum Sieg in der Präsidentschaftswahl zu verhelfen. Aber man braucht nicht unbedingt Zugang zu Nutzerdaten, um auf Facebook eine politische Kampagne zu fahren. Politische Akteure aus Russland beispielsweise schalteten einfach Anzeigen auf Facebook, um amerikanische Wähler zu beeinflussen. Bei politischen Kampagnen geht es aber nicht nur um Wahlen: Kürzlich musste Facebook sogar eingestehen, dass mit Hilfe der Plattform auch Ausschreitungen gegen die Rohingya in Myanmar angestachelt wurden, die manche Beobachter als Genozid bezeichnen.
Facebooks Management-Skandale
Facebook selbst scheint im Umgang mit all diesen verschiedenen Skandalen maßlos überfordert zu sein. Bevor auch nur ein Problem gelöst ist, brennt es schon wieder woanders: Erst gestern wurde bekannt, dass die russischen Polit-Meinungsmacher längst zu Instagram weitergezogen sind und dort Stimmung machen. Mark Zuckerberg, Facebook-Vize Sheryl Sandberg und andere Facebook-Topmanager scheinen unter dem Druck der Krisen besonders schlechte Entscheidungen zu fällen: Sicherheitsexperten wie Alex Stamos, die die Probleme intern ansprachen, wurden zurechtgewiesen. Um sich selbst in der Krise zu retten, heuerte Facebook die PR-Firma Definers an, damit auch Apple und Google an den Daten-Pranger gestellt werden.
Der jüngste Facebook-Skandal (Stand Mittwoch, der 19.12.2018, 17 Uhr)
Der jüngste Facebook-Skandal (Stand Mittwoch, der 19.12.2018, 17 Uhr), ist eine Mischung aus Kategorie 1 (Datenskandal) und Kategorie 3 (Management-Skandal): Die Tatsache, dass 150 Unternehmen Zugriff auf Daten wie die privaten Nachrichten der Nutzer hatten, ist klar ein Datenskandal. Wir wissen jetzt, dass Facebooks größte Partner bis vor kurzem noch viel mehr einsehen konnten als beispielsweise Cambridge Analytica.
Wir wissen aber auch, dass diesem Skandal katastrophale Entscheidungen vorausgegangen sind: Mark Zuckerberg behauptete immer wieder, Facebook würde die Nutzerdaten nicht verkaufen. Bisher wird Facebook zumindest nicht nachgewiesen, dass das gegen Geld passiert wäre. Aber die Partnerschaften mit bis zu 150 Unternehmen gehen in eine ähnliche Richtung: Facebook tauschte Daten gegen die Einbindung in Systeme wie Spotify, und damit gegen eine Chance auf neue Nutzer. Und jeder Nutzer bedeutet für Facebook höhere Werbeeinnahmen und dementsprechend auch mehr Geld.
Der jüngste Datenskandal ist auch ein Management-Skandal, weil Facebook schlicht mit dem Management der eigenen Plattform überfordert ist: Viele der Daten-Deals mit Dritten gehen zurück bis ins Jahr 2010. Und anscheinend hat das Facebook-Management schlicht den Überblick verloren: Die Zugriffsrechte von Yandex, dem russischen IT-Riesen, hatte Facebook eigentlich schon eingeschränkt. Dass Yandex trotzdem noch für Jahre auf sogenannte Nutzer-ID zugreifen konnte, dürfte Facebook selbst nicht klar gewesen sein. Auch Yahoo hatte noch Zugriffsrechte auf die Newsfeeds von Nutzern, obwohl Yahoo die entsprechende Funktion schon seit 2012 nicht mehr nutzt.
Ausgang: Offen
Ob aus dem jüngsten Skandal noch ein politischer (Kategorie 2) wird, bleibt abzuwarten. Bisher zumindest sagen die meisten Facebook-Partner, auch der russische IT-Riese Yandex, sie hätten gar nicht gewusst, dass sie Zugriff auf so viele private Nutzer-Daten hatten.
- Facebook ist nicht in der Krise. Facebook ist die Krise.
- Tschüss, Facebook! So löscht du deinen Account dauerhaft
[Anmerkung der Redaktion: Der Link zu Facebooks Reaktion auf die Vorwürfe wurde nachträglich hinzugefügt.]