Smarte Brillen: Wettlauf um die Augmented-Reality-Hardware zwischen Google und Meta
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Für jedes neue Gadget, das den Markt erobert, gibt es Dutzende, die sich niemals durchsetzen. In diesem Jahr ist es ein sattes Jahrzehnt her, seit Google bestätigte, die Produktion seiner Computerbrille Google Glass einzustellen. Lange Zeit sah es so aus, als ob Mixed-Reality-Produkte – also Gesichtscomputer, die das Sichtfeld nicht vollständig abdecken wie ein Virtual-Reality-Headset – eher Nerds als normalen Konsumenten vorbehalten bleiben würden.
Zehn Jahre später sieht es danach aus, dass smarte Brillen cool zu werden scheinen. Smart Glasses von Meta, die in Zusammenarbeit mit dem Brillenhersteller Ray-Ban hergestellt werden, sind im Grunde nicht mehr von den kultigen Wayfarer-Gestellen zu unterscheiden, die Tom Cruise im Film Risky Business berühmt gemacht hat. Meta hat vor kurzem zudem Prototypen seiner echten Augmented-Reality-Brille Project Orion vorgestellt, während das soziale Netzwerk Snap seine Spectacles der fünften Generation präsentiert hat, die beide in angesagtesten Vierteln von Großstädten nicht mehr fehl am Platz wären. Im Dezember zeigte Google dann seinen neuen, noch unbenannten Android-XR-Brillenprototypen in Kooperation mit Samsung – und Gerüchte, dass Apple immer noch an einem lang erwarteten Smart-Glasses-Projekt arbeitet, halten sich hartnäckig. Auch die chinesischen Tech-Giganten Huawei, Alibaba, Xiaomi und Baidu wetteifern um ein Stück dieses neuen Marktes.
Nächste große Kategorie: Augmented Specs
Bessere, schlankere Designs machen diese neue Generation intelligenter Brillen sicherlich attraktiver. Noch wichtiger ist jedoch, dass die Geräte endlich nützlich werden, und es ist klar, dass Big Tech darauf wettet, dass sogenannte Augmented Specs die nächste große Kategorie für Endverbraucher nach dem Smartphone sein könnten. Im Folgenden lest ihr, wie es mit Smart Glasses 2025 wahrscheinlich weitergehen wird.
Obwohl es Mixed-Reality-Geräte schon seit Jahrzehnten gibt, haben sie bisher vor allem in spezialisierten Bereichen wie der Medizin, dem Baugewerbe und dem Telesupport Anwendung gefunden, wo sie wahrscheinlich auch weiterhin zum Einsatz kommen werden, möglicherweise in noch speziellerer Form. Microsoft ist der Hersteller der bekanntesten dieser Geräte, die virtuelle Inhalte über die reale Umgebung des Trägers legen – und vermarktete seine intelligente Brille HoloLens 2 an Unternehmen. Vor kurzem hat das Unternehmen aber bestätigt, dass es die Produktion dieses Geräts einstellt. Stattdessen konzentriert man sich auf den Bau von Headsets für das US-Militär in Zusammenarbeit mit dem neuesten Unternehmen von Oculus-Gründer Palmer Luckey, Anduril.
KI-Agenten könnten smarte Brillen endlich nutzbar machen
Jetzt könnte die breite Öffentlichkeit endlich Zugang zu Geräten erhalten, die sie im Alltag gebrauchen können. In der Welt der künstlichen Intelligenz sind Agenten in aller Munde, die große Sprachmodelle (LLM) um die Fähigkeit erweitern, Aufgaben selbstständig auszuführen. In den letzten zwölf Monaten hat sich die Fähigkeit multimodaler KI-LLMs, neben Text auch Video, Bilder und Audio zu verarbeiten, enorm verbessert. Dadurch eröffnen sich neue Anwendungsmöglichkeiten für Smart Glasses, die früher nicht möglich gewesen wären, sagt Louis Rosenberg, AR-Forscher, der schon in den Neunzigerjahren an der Stanford University am ersten funktionalen Augmented-Reality-System gearbeitet hat.
Wir wissen bereits, dass Meta definitiv an KI-Agenten interessiert ist. Obwohl das Unternehmen im September mitteilte, dass es aufgrund der hohen Kosten keine Pläne hat, seine Project-Orion-Prototypbrille an die Öffentlichkeit zu verkaufen, weckte Mark Zuckerberg die Erwartungen an die nächste Generation von Metas intelligenter Brille, während er Orion zur „fortschrittlichsten AR-Brille aller Zeiten“ deklarierte. Er machte auch deutlich, wie sehr Meta daran interessiert ist, einen „hochintelligenten und personalisierten KI-Assistenten“ so vielen Nutzern wie möglich zur Verfügung zu stellen. Er sei davon überzeugt, dass Metas Brille der perfekte Formfaktor für KI ist.
Obwohl Meta dabei ist, die KI seiner Ray-Ban-Brille gesprächiger zu machen – die neue Live-KI-Funktion reagiert auf Aufforderungen zu dem, was der Träger über seine Kamera und sein Mikrofon sieht und hört –, werden neue Agenten nicht nur Augen und Ohren haben. Auch ein kontextbezogenes Bewusstsein für das, was um sie herum geschieht, sei geplant, sagt Rosenberg. So könnten KI-Agenten, die auf Smart Glasses laufen, sogar unaufgefordert interaktive Unterhaltungen mit ihren Trägern führen, die auf deren Umgebung basieren. Sie erinnern uns dann beispielsweise daran, Orangensaft zu kaufen, wenn wir an einem Geschäft vorbeigehen. Oder sie flüstern uns den Namen von Kolleg:innen zu, die auf dem Gehweg an uns vorbeigehen.
Wir wissen bereits, dass Google ebenfalls großes Interesse an diesem „agent-first“-Ansatz hat: Die neue smarte Brille, die das Unternehmen auf der Google I/O im Mai 2024 erstmals vorstellte, wird von einem KI-Agentensystem namens Astra angetrieben. „Nachdem ich über 30 Jahre lang an Mixed Reality gearbeitet habe, sehe ich zum ersten Mal eine Anwendung, die eine Massennutzung wirklich vorantreiben wird“, sagt Rosenberg.
Zuckerberg meint: Entscheidendes Jahr für smarte Brillen
Es ist unklar, wie weit wir von einem solchen Szenario entfernt sind. Während einer kürzlich abgehaltenen Telefonkonferenz von Meta sagte Zuckerberg, dass 2025 das Jahr sein wird, das über die Zukunft der Smart Glasses entscheidet und, ob sie in ihrer Popularität explodieren oder ob es sich um eine „längere Durststrecke“ handelt.
Er hat jedoch Grund, optimistisch zu sein: Dank des Erfolgs der intelligenten Ray-Ban-Meta-Brille – das Unternehmen hat angeblich im vergangenen Jahr mehr als eine Million Stück verkauft – sieht sich das Unternehmen derzeit der Konkurrenz voraus. Dank einer Partnerschaft mit Oakley, das wie Ray-Ban zum Markendach von Essilor-Luxottica gehört, bereitet sich Meta auf die Markteinführung neuer Modelle vor. Und während die aktuelle zweite Generation der Brille ihrem Träger keinerlei digitalen Daten und Benachrichtigungen anzeigen kann, soll laut Financial Times noch in diesem Jahr eine dritte Version zumindest mit einem kleinen Display auf den Markt kommen. Berichten zufolge arbeitet das Unternehmen auch an einer leichteren, fortschrittlicheren Version der Project-Orion-Brille mit dem Namen „Artemis“, die womöglich schon 2027 auf den Markt kommen könnte, wie Bloomberg berichtet.
Durch das Hinzufügen von Anzeigefunktionen würde die Ray-Ban-Meta-Brille mit Googles Android XR-Brillenprojekt gleichgestellt, das mit einem In-Lens-Display ausgestattet ist (das Unternehmen hat noch kein definitives Veröffentlichungsdatum angekündigt). Der Prototyp, den das Unternehmen im September Journalisten vorstellte, enthielt eine Version seines KI-Chatbots Gemini. Ähnlich wie Google sein Android-Betriebssystem für Smartphones von Drittanbietern entwickelt hat, wird die Android-XR-Software schließlich auch auf intelligenten Brillen anderer Unternehmen sowie auf dem eigenen System laufen. Zudem gibt ein Android-XR-Mixed-Reality-Headset in Zusammenarbeit mit Samsung, das stark an die Vision Pro erinnert.
Diese beiden Hauptakteure, Meta und Google, konkurrieren also darum, KI für die breite Masse zugänglich zu machen – ein Wettlauf, der sich noch verschärfen wird. Das glaubt auch Rosenberg, zumal sowohl Zuckerberg als auch Google-Mitbegründer Sergey Brin Smart Glasses als „perfekte“ Hardware für KI bezeichnet haben. „Google und Meta sind die großen Tech-Unternehmen, die im Bereich der KI am weitesten sind. Sie sind sehr gut positioniert“, sagt er. Es gehe bei dem Thema „Augmented“ nicht nur um die Erweiterung der Welt, sondern auch um die Erweiterung des Gehirns.
„Es ist schwer, Brillen zu verkaufen, wenn man eine unbekannte Marke ist“
Als Michael Miller von der AR-Gaming-Firma Niantic über die CES, die gigantische Messe für Unterhaltungselektronik, die jedes Jahr im Januar in Las Vegas stattfindet, schlenderte, war er beeindruckt von der Anzahl kleinerer Unternehmen, die ihre eigenen Brillen und Systeme entwickeln. Darunter waren chinesische Firmen wie Dreamsmart, Thunderbird und Rokid. Auch wenn dies kein billiges Unterfangen ist – ein Unternehmen bräuchte wahrscheinlich Millionen US-Dollar an Investitionen, um einen Prototyp auf die Beine zu stellen –, zeigt es doch, dass die Zukunft des Sektors nicht allein von Big Tech abhängen ist.
„Auf Hardware- und Softwareebene ist die Einstiegshürde sehr niedrig geworden“, sagt Miller, der bei Niantic für Augmented-Reality-Hardware zuständig ist und unter anderem Partnerschaften mit Meta, Snap und Magic Leap einging. „Aber es ist immer noch schwierig, daraus ein brauchbares Produkt für den Verbraucher zu machen. Meta hat den größten Fisch an der Angel und profitiert daher von der Marke Ray-Ban. Es ist schwer, Brillen zu verkaufen, wenn man eine unbekannte Marke ist.“
Deshalb ist es wahrscheinlich, dass ehrgeizige Hersteller in Ländern wie Japan und China zunehmend mit Brillenherstellern zusammenarbeiten werden, die vor Ort für ihre begehrenswerten Gestelle bekannt sind, um auf ihren Heimatmärkten Impulse zu setzen, bevor sie in andere Länder expandieren.
Diese kleineren Akteure werden auch eine wichtige Rolle bei der Schaffung neuer Anwendungen für Träger von Smart Glasses spielen. Ein großer Teil von deren Nutzen hängt von ihrer Fähigkeit ab, Informationen vom Smartphone des Trägers zu senden und zu empfangen – und vom Interesse von Drittentwicklern an der Entwicklung von Apps, die auf ihnen laufen. Je mehr Nutzer mit ihrer Brille machen können, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich verkaufen.
Mehr Entwickler beginnen, für smarte Brillen zu programmieren
Entwickler warten immer noch darauf, dass Meta ein eigenes Software Development Kit (SDK) veröffentlicht, mit denen sie Programme für die Ray-Ban Meta-Brille entwickeln können.
Während große Marken verständlicherweise vorsichtig sind, wenn es darum geht, Dritten Zugang zu den diskreten Kameras der Smart Glasses zu gewähren, schränkt dies die Möglichkeiten von Forscher:innen und Kreativen ein, neue Wege zu beschreiten. Das sagt Paul Tennent, außerordentlicher Professor im Mixed Reality Laboratory der Universität von Nottingham in Großbritannien. „Aber in der Vergangenheit hatte Google etwas weniger Angst davor.“
Andernorts haben Snap und kleinere Marken wie Brilliant Labs, dessen Frame-Brille mit multimodalen KI-Modellen wie Perplexity, ChatGPT und Whisper arbeitet, und Vuzix, das vor kurzem sein universelles Betriebssystem AugmentOS für Smart Glasses auf den Markt gebracht hat, SDKs bereitgestellt. Patrick Chwalek, ein Student am MIT Media Lab, hat im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Smart-Glass-Plattform „Project Captivate“ gearbeitet.
„Vuzix erfreut sich an verschiedenen Universitäten und Unternehmen großer Beliebtheit, weil die Leute darauf Erfahrungen sammeln können“, sagt er. Viele hätten mit Navigation und Echtzeitübersetzung zu tun, er denke, man werde in den nächsten Jahren viele Iterationen dieser Art zu sehen bekommen.