Amazon killt mittleres Management – das sagen Big-Four-Berater zu dem Schritt

Amazon strafft Strukturen. CEO Andy Jassy will das Unternehmen wieder effizienter machen. Seine Methode: rigorose Personalkürzungen – allerdings nicht, wie so oft, bei den einfachen Angestellten, sondern in der mittleren Führungsebene. Jassy kritisiert in einem Interview mit Bloomberg, dass die Mittelmanager ihre „Fingerabdrücke auf allem hinterlassen“ und das zu unnötigen Meetings und verzögerten Entscheidungen führe. Ein nachvollziehbarer Schritt?
Mittleres Management: Ebene der Verantwortung
„In Großunternehmen ist das Mittelmanagement unverzichtbar, um die gesamte Organisation entlang ihrer Funktionen, Regionen und Dienstleistungen zu steuern“, sagt Meino Müller. Und dennoch, so der Bereichsvorstand Performance & Strategy bei KPMG, bestehe immer die Gefahr, dass entsprechende Strukturen auch auf der Ebene zu groß und die Verantwortlichkeiten der Mittelmanagerinnen und Mittelmanager zu kleinteilig werden.
Alle großen Tech-Unternehmen sind in den letzten 20 Jahren enorm schnell gewachsen, was sie gezwungen hat, mittlere Hierarchiestufen einzubauen. Das gilt vor allem auch für Amazon. Der Konzern ist in diversen Geschäftsfeldern tätig. Angefangen vom E-Commerce und Cloud-Computing als größte Umsatztreiber bis hin zu Entertainment, Devices und Advertising als aufstrebende Wachstumssegmente. Allein Amazon.com ist auf 19 weitere Endungen lokalisiert.
Nelson Taapken, Partner bei EY im Bereich People Consulting, hält einen Generalverdacht gegen die mittlere Führungsriege für falsch. Es liege oft am Wachstum, vor allem aber an gestiegener Regulation durch externe gesetzliche Anforderungen wie den EU Digital Act, die Ineffizienzen in global agierende Unternehmen bringen. „Das mittlere Management ist die Ebene der Verantwortung, die meist nur versucht, die Anforderungen zu erfüllen.“
Deutschland: Bedarf an Mittelmanager hoch
Dass deutsche Unternehmen derzeit anders handeln, zeigt eine Stellenmarktanalyse von Index. Die Jobangebote im mittleren Management sind 2024 erneut leicht gestiegen und auf einem hohen Niveau. Vor allem im Projektmanagement sind sie begehrter denn je. Das Marktforschungsinstitut hat 197 Printmedien, 300 Onlinebörsen, das Stellenportal der Bundesagentur für Arbeit und rund 657.000 Firmenwebsites dafür untersucht.
„Dass viele Stellen im Projektmanagement gesucht werden, ist spannend, denn es deutet darauf hin, dass die Unternehmen gerade auf dynamische Marktveränderungen reagieren und neue Projekte starten“, so KPMG-Experte Müller über die Auswertung. Zudem stehe fest, so sagt er, dass der demografische Wandel zu einem steigenden Bedarf im Mittelmanagement führen dürfte: „Ein großer Teil der Babyboomer-Generation geht absehbar in Rente.“
„Die deutsche Unternehmenslandschaft ist von mittelständischer Industrie geprägt, die sich in einem starken Wandel befindet“, sagt auch Nelson Taapken. „Die Mittelmanager bringen relevante Erfahrungen und Führungsverständnis mit, was unerlässlich bei Transformationen ist.“ Der EY-Partner bezeichnet sie als „Brücke zwischen Strategie und Ausführung, die Notwendigkeit und Auswirkung von Veränderungen erklären und umsetzen können.“
Was macht Unternehmen ineffizient?
Auf die Frage, was die Hauptgründe sind, die Organisationen ineffizient werden lassen, sagt Meino Müller: „Organisationen sind meist dann ineffizient, wenn sie ihre Strukturen nicht kontinuierlich anpassen. Doch insbesondere in erfolgreichen Phasen werden diese Anpassungen nur ungerne durchgeführt. Dieses Abwarten wiederum erhöht in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten den Handlungsdruck“, so der Bereichsvorstand von KPMG.
Ganz grundsätzlich seien die Auslöser für Ineffizienzen sehr vielfältig, sagt auch Nelson Taapken von EY: „Unstrukturierte, nicht bekannte und undokumentierte Ziele und Prozesse, bei denen die Rollen und Verantwortlichkeiten unklar bleiben und es keine klar definierten Metriken gibt, die Effizienz messbar machen, gehören dazu.“ Aber auch der Mangel an Gestaltungs- und Entscheidungsspielräumen auf Mitarbeiterebene sei häufig schuld.
Entlassungen bei Amazon: Aktienkurs im Blick?
Doch wie passt das jetzt alles mit den Aussagen des Amazon-Chef Andy Jassy zusammen? Meino Müller hat diesbezüglich eine Ahnung: „Bei öffentlichen Aussagen des Top-Managements zu Personalplanung und Strategie darf gleichzeitig die Signalwirkung in Richtung der Aktienmärkte nicht unterschätzt werden“, so der KMPG-Experte. Die stehen – wie alle US-Werte – gerade nicht zuletzt durch Donald Trumps Zollkrieg enorm unter Druck.