Absage an Apples Next-Gen-Carplay: VW will sich nicht zum Blechbieger degradieren lassen
VW-Chef Herbert Diess hat im Zuge der Betriebsratsversammlung in Wolfsburg deutliche Worte zu Apples Next-Gen-Carplay gefunden und das Unternehmen auf die eigene Softwareentwicklung über die Tochter Cariad eingeschworen. Man habe zwei Möglichkeiten: die Softwareentwicklung aufzugeben und sich zu Blechbiegern degradieren zu lassen, oder die Software eben selbst zu entwickeln.
Diess: „Apple und Google wollen uns den Kunden abnehmen“
Diess sagte: „Erst vor drei Wochen hat Apple bekannt gegeben, dass sie mit Carplay das ganze Infotainment übernehmen wollen. Apple und Google wollen uns den Kunden abnehmen – das dürfen wir nicht zulassen!“ Der VW-Chef sagte weiter, dass mit Carplay im Auto künftig alle Infotainment-Systeme auf der Welt gleich aussehen könnten. „Alle gleich, alle Apple, alle Kundendaten gehen an Apple, wenn wir es nicht packen.“ Er habe stets davor gewarnt, dass die Tech-Giganten ins Auto wollen – es sei der „größte Wachstumsmarkt der Zukunft“, so Diess.
Falls VW keine eigene Software entwickle, würde der Autobauer sich bis 2030 zum Blechbieger degradieren lassen. Man wäre nur noch Zulieferer von Hardware, was stetig schrumpfende Einnahmen zur Folge hätte, da Erträge künftig mehr und mehr mit Software verdient würden.
„Ich will nicht ‚Hey Siri‘ sagen, um eine Info in meinem Volkswagen zu erhalten, wir müssen die Kundenhoheit erhalten.“ – VW-CEO Herbert Diess
Es ist nicht das erste Mal, dass Diess eindringlich davor warnt, die Softwareentwicklung zu vernachlässigen. Schon 2020 sagte er, „die Zeit klassischer Automobilhersteller ist vorbei“. Als Vorbild sah der VW-Chef den US-Autobauer Tesla, der verstanden habe, dass das Auto in der Zukunft das wichtigste „Mobile Device“ sein werde.
Interessant an Diess‘ Absage ist indes, dass die VW-Töchter Audi und Porsche im Zuge der WWDC-Keynote als Carplay-Partner genannt wurden. Die beiden Premiummarken des Unternehmens könnten hier womöglich eine Ausnahme darstellen. Als gesichert gilt das indes nicht.
VW setzt voll auf seine Software-Tochter Cariad
2020 gilt bei VW als das Jahr des Aufbruchs: Der Hersteller kündigte an, die Software verstärkt selbst zu entwickeln und sie weniger an Dritte zu geben. Seit 2021 ist die Softwaresparte Cariad für die Entwicklung der gesamten Pkw-Autogruppe verantwortlich, in die pro Jahr um die zwei Milliarden Euro fließen.
Trotz Kritik und Problemen bei der Softwareentwicklung ist Diess überzeugt, dass es der richtige Weg ist. Kritikern, die wegen der langsamen Entwicklung schon seinen Rücktritt forderten, entgegnete der VW-Boss, dass Cariad kein Sprint sei. „Rückschläge in einzelnen Projekten gehören dazu, wir müssen Software-Kultur noch lernen, dazu gehört auch Flexibilität und Tempo.“ Cariad sei ein Langzeitprojekt über 10 bis 15 Jahre. „Der Wandel vom klassischen Auto zum komplexesten Tech-Produkt dieser Welt passiert nicht von heute auf morgen, er passiert über zwei Lebenszyklen.“
Hinsichtlich der Softwareentwicklung verfolgt VW mittlerweile sogar einen Apple-ähnlichen Kurs. Denn der Konzern hat sich Qualcomm als Partner an Bord geholt, um Chips besser an das eigene System und die Software anzupassen. Eigene Prozessoren wie Apple sie auf Basis der ARM-Architektur entwickelt, seien derzeit nicht der Plan, allerdings arbeite man an einem Co-Design zwischen Auto- und Halbleiterherstellern – also daran, auf Augenhöhe gemeinsam zu definieren, welche Systeme am besten funktionieren. Langfristig soll das Auto zu einem High-Performance-Computer auf Rädern werden.