Während Apple während der WWDC-2022-Keynote mehr Zeit in die Vorstellung von iOS 16, iPadOS 16, watchOS 9 und macOS 13 investierte, kann der Teaser auf die nächste Carplay-Version als eines der Highlights betrachtet werden. Er zeigte, wie wichtig dem Unternehmen Autos sind und dass Apple gerne jedes Fahrzeug zum Apple Car machen würde.
Die bisher bekannten Informationen werfen Fragen bezüglich der Umsetzung als auch der künftigen Rolle von Autobauern auf. Wie groß ist Bereitschaft zu einer so tiefen Integration bei VW, Tesla, Mercedes und Co.?
Apple will mit seinem Next-Gen-Carplay auf jeden Autobildschirm
Apples Carplay dient in seiner aktuellen Version als eine Art Verlängerung des iPhones. Eine begrenzte Anzahl an Apps werden auf den Infotainment-Bildschirm des Autos mit einer angepassten Nutzeroberfläche gebracht, um diverse Funktionen wie die Musiksteuerung, Navigation und Messaging zu ermöglichen. Mit iOS 13 hatte Apple zusätzlich den Support der Navigations-Anzeige in das Display hinter dem Lenkrad integriert. Es gibt aber wohl kaum Autobauer, die dieses Feature unterstützen.
Mit der nächsten Carplay-Generation geht Apple eine Stufe weiter und will jeden Bord-Bildschirm unter seine Kontrolle bringen. Das iPhone soll nach dem Anschluss alle Displays im Auto die Carplay-Nutzeroberfläche übernehmen. Form und Größe spielen dabei keine Rolle, da Carplay Inhalte dynamisch darstellen könne. Zudem gebe es verschiedene Designs und Widgets, mit denen die Autodisplays nach eigenen Nutzer:innen-Wünschen versehen werden können. Heißt: Von der Geschwindigkeitsanzeige über das Radio bis zur Navigation und Steuerung der Klimaanlage – alles wird über Apples Carplay gesteuert.
Letztlich bedeutet dieser Entwicklungsschritt, dass Apple mit seiner Software fürs Auto jegliche Nutzeroberflächen der Autohersteller komplett mit der eigenen Nutzererfahrung überzieht. Damit verschwände in einem Audi oder Porsche die eigens entwickelte Nutzeroberfläche, genauso wie bei Mercedes die MBUX-Erfahrung oder bei Polestar das Android-Automotive-Interface.
Müssen Autohersteller das komplette Next-Gen-Carplay-Paket unterstützen?
So zumindest hatte Apple es in seiner Vorankündigung während der WWDC 2022 dargestellt. Jedoch ist noch unklar, in welchem Umfang die verschiedenen als Kooperationspartner genannten Hersteller Apples nächste Auto-Plattform integrieren werden oder werden müssen.
Denn Mercedes, Ford oder Porsche und andere Hersteller investieren Hunderte Millionen Euro in die Entwicklung ihrer Softwareplattformen, um sie klar von der Konkurrenz abzuheben. So hatte etwa Mercedes erst kürzlich angekündigt, 3.000 neue Entwickler:innen einzustellen und 200 Millionen Euro in die Softwareentwicklung zu investieren.
So ziemlich alle großen Autohersteller von Alfa Romeo bis Volvo unterstützen zwar Apples Carplay und auch die mit iOS 16 einziehenden neuen Carplay-Funktionen. Für die Next-Gen-Version muss das System wohl aber offenbar auch softwareseitig von den Autobauern angepasst werden – sofern sie es denn wollen. Bei Tesla scheint die Sache klar. Nicht einmal die aktuelle Carplay-Version wird unterstützt.
Zudem ist fraglich, ob Fahrzeughersteller dazu bereit sind, ihre Datenhoheit abzugeben und Apple Zugriff auf sensible Schnittstellen zu gewähren. Bisher haben große Hersteller wie BMW, Volkswagen, Mercedes und weitere klar kommuniziert, dass sie nicht auf Plattformen von Google oder Apple setzen und keine Daten zur Verfügung stellen wollen.
Ford, Volvo, Polestar sowie die Stellantis-Gruppe (Opel, Citroen, Fiat etc.) geben sich auf der anderen Seite diesbezüglich offener und setzen auf Googles Autoplattform Android Automotive. Im Unterschied zu Android Auto oder Apple Carplay wird das Betriebssystem von Autobauern in Fahrzeuge integriert und ersetzt die Entwicklung einer eigenen Software. Hinsichtlich der Unterstützung einer umfassenden Carplay-Oberfläche könnten sie weniger abgeneigt als manch anderes Unternehmen sein.
Die Offenheit mancher Hersteller zeigt sich auch an einer Umfrage von The Verge, die bei zahlreichen Auto-Unternehmen nachgefragt hat. Vor allem Volvo und Polestar zeigen Bereitschaft, die nächste Carplay-Generation zu nutzen. Da die erste Version der neuen Carplay-Plattform erst Ende 2023 erscheinen soll, haben Autobauer noch Zeit, sich zu entscheiden. Neue Fahrzeuge mit Unterstützung der Plattform dürften ohnehin erst 2024 erscheinen.
Ohne Carplay geht es nicht
Komplett in den eigenen Händen haben die Autobauer die Entscheidung pro oder contra Carplay aber wohl nicht. Zumindest Daten aus den USA belegen, dass Unterstützung für Apples Plattform für Kund:innen eines der entscheidenden Kaufargumente darstellt. So unterstützen 98 Prozent der in den USA angebotenen Fahrzeuge Carplay, 79 Prozent der Kund:innen würden nur ein Auto mit Carplay-Unterstützung kaufen. Apple hat also indirekt einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Autobauer. Potenzial sieht der iPhone-Hersteller in Autos zudem seit mindestens 2015: Im Zuge der Code-Conference nannte Apples COO Jeff Williams das Auto das „ultimative Mobilgerät“.
„“The car is the ultimate mobile device,” – Apple-COO Jeff Williams
Mit dem neuen Carplay vergrößert Apple seinen Fußabdruck im Automarkt und will im Grunde jedes Auto zu einem iPhone auf vier Rädern machen, sofern die Autobauer mitspielen.
Ausblick auf Apples CarOS?
Spannend ist die neue Plattform außerdem in Hinblick auf die mutmaßlichen Auto-Pläne Apples. Anhand der neuen Carplay-Version könnte man durchaus darauf schließen, wie die Nutzeroberfläche von Apples eigenem Auto und damit verbundene Anpassungsoptionen aussehen könnten. Bloomberg-Reporter Mark Gurman spekuliert, Apple könne sein Carplay gar zu einem CarOS erweitern und es Autoherstellern gegen Lizenzgebühren anbieten. Eine solche Strategie widerspricht aber Apples Credo, Hard- und Software aus einer Hand anzubieten und so volle Kontrolle über das Produkt zu behalten. Die Entwicklung eines Apple-Autos wäre damit unausweichlich.
Bis ein Apple-Auto kommt, wird es aber sicher noch ein paar Jahre dauern. Das Team um das „Project Titan“ wurde in den vergangenen Jahre immer wieder neu strukturiert und aufgestellt. Seit September 2021 führt Kevin Lynch, vorher für die Software der Apple Watch verantwortlich, das Auto-Team. Unter seiner Leitung sollen laut Informationen von Mark Gurman erstmals Deadlines eingehalten werden. Unterstützung erhält Lynch zudem von der ehemaligen langjährigen Ford-Ingenieurin Desi Ujkashevic, die dabei helfen soll, das Auto zur Marktreife zu bringen.
Für den Übergang zu einem Apple-Auto, das ab 2025 angeblich rein elektrisch und autonom fahren können soll, gibt es bald Modelle von Polestar, Audi, Mercedes und weiteren mit iPhone-Anstrich. Parallel zu Apples Bestrebungen sind die Autobauer aus ihrem Winterschlaf aufgewacht und sehen seit einer Weile die Relevanz der Autosoftware. Der große Aufschlag scheint bei vielen aber erst ab 2025 und womöglich später zu erfolgen.