
Lisa Eppel und Isabel Gabor sind die Gründerinnen des Ad Girls Club – ein Kollektiv, das sich gegen Sexismus in der Werbebranche einsetzt. Ihr Manifest wurde im Oktober 2021 das erste Mal veröffentlicht – unterschrieben hatten es zu dem Zeitpunkt sechs Agenturen, darunter Kolle & Rebbe und Brandneo. Nun haben elf weitere Agenturen unterzeichnet: DDB & Tribal Hamburg, Designplus, House of Yas, Ogilvy, Social Match, We Do communication, wysiwyg*, La Red, Philipp & Keuntje, Muelhaus-Moers und GGH Mullen-Lowe.
Was ist das Manifest des Ad Girls Club?
Das Manifest des Ad Girls Club ist aus dem Sexismus-Skandal bei Scholz & Friends 2020 entstanden. Gabor und Eppel habe das aufgewühlt – aber nicht überrascht. Sie beobachteten, dass Agenturen auf drei Arten damit umgingen: Möglichkeit eins waren PR-Statements wie „Sexismus ist schlimm“, ohne Handlungen und Ergebnisse. Die zweite war ein stilles Wegducken, um damit nicht in Verbindung gebracht zu werden. Drittens gab es Versicherungen, dass Sexismus in der eigenen Agentur kein Problem sei. „Dabei sind wir uns sicher, dass es jede Agentur treffen könnte mit so einem Shitstorm. Jede einzelne“, sagt Isabel Gabor. Denn Sexismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und Agenturen seien ein Nährboden für Sexismus und sexistische Strukturen.
„Wir möchten nicht nur meckern, sondern aktiv was verändern“, so Gabor – daher haben sich die beiden mit Agenturen getroffen, mit denen es bereits ein Vertrauensverhältnis gab. Gemeinsam erarbeiteten sie die Punkte des Manifests. Die Bekenntnisse der Agenturen sollten nach außen messbar und eindeutig von Wokewashing-Statements abgrenzbar sein. Heute stehen dort Ziele wie:
- Frauenquote von 50 Prozent auf allen Führungsebenen ab Director-Level.
- Genderneutrale Sprache, intern wie extern.
- Regelmäßige Prüfung der Lohngleichheit und gegebenenfalls Anpassung von Löhnen, um einen Gender-Pay-Gap zu vermeiden.
- Vereinbarkeit von Kind und Karriere ermöglichen – explizit auch mit Angeboten für Väter und ohne, dass Teilzeit einen Karrierestopp bedeutet.
Die Ziele sollen für alle Agenturen erreichbar sein; sie alle sollen einen sicheren Arbeitsplatz schaffen können. Um zu prüfen, was erreicht worden ist, gibt es jährlich ein Reporting.
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Keine Leuchttürme, sondern eine Veränderung der Branche
„Uns geht es um die Branche, nicht einzelne Agenturen, die sich auch noch PR-trächtig positionieren können“, so Eppel. „Uns geht es darum, die Branche, in der wir arbeiten, zu verändern. Ansonsten hast du da fünf Leuchtturm-Agenturen und da hopsen sie dann alle hin und her – das kann es nicht sein.“ Daher gehört zum Manifest auch ein Netzwerktreffen pro Quartal inklusive Speaker:innen und Vorträgen. Dort treffen sich alle Manifest-Agenturen, um ihre Probleme und Lösungsansätze zu teilen. Vielleicht habe eine Agentur ein gutes Teilzeit-Modell, eine andere habe die Frauenquote geschafft – dann können sie sich gegenseitig helfen. Der Gedanke, dass die eigenen Strategien wie kostbare Fabergé-Eier mit niemandem geteilt werden dürfen, helfe niemandem. „Wir sagen immer: Haltung darf kein Wettbewerb sein“, so Eppel. Gerade die unterschiedlichen Herausforderungen machen den Austausch so wertvoll. Außerdem können nur so branchenweite Probleme identifiziert und gemeinsam angegangen werden.
Wie können Agenturen das Manifest unterzeichnen?
Zunächst gibt es ein Kennenlerngespräch. „Wir möchten ganz klar wissen, wo die Agentur aktuell steht – das Manifest darf nicht der erste Schritt sein“, so Gabor. Es muss eine Haltung geben, den Willen, in der eigenen Agentur nachhaltig etwas zu verändern, und schon erste Bemühungen. „Wir sind der Überzeugung, dass Haltung die Wurzel für alles ist. Auf Haltung können dann Bekenntnisse aufbauen und Maßnahmen und Aktionspläne. Aber wenn die Haltung schon von der halben Geschäftsetage nicht gelebt wird, dann bringen alle Aktionspläne am Ende nicht viel“, so Gabor. Passt die Chemie, dürfen die Agenturen unterzeichnen und haben so ein Netzwerk, Unterstützung, externe Ansprechpersonen für die Mitarbeitenden und einen öffentlichen Druck, zu handeln. Die Suche ist dabei noch längst nicht beendet; Gabor und Eppel suchen nach weiteren Agenturen jeder Größenordnung.
Es gehe aber nicht darum, zu versichern, dass es im eigenen Unternehmen keinen Sexismus mehr geben werde. Zum einen sei es unrealistisch, dass es unter allen Mitarbeiter:innen nicht jemanden gibt, der oder die in irgendeiner Form sexistisch handelt. Auf der anderen Seite sei es wichtiger, wie dagegen vorgegangen wird – und dass überhaupt gehandelt wird. Dementsprechend würden keine Agenturen ausgeschlossen, bei denen es in der Vergangenheit bereits Vorfälle gab. Das würde den aktuell dort angestellten Personen nicht helfen.
Der Wunsch: Ein Netzwerk engagierter Kollektive mit mehr Schlagkraft
Lisa Eppel und Isabel Gabor sei bewusst, dass sie „nur“ gegen Sexismus kämpfen, aber viele andere Diskriminierungsformen in der Werbebranche gang und gäbe sind, wie Homophobie oder Rassismus. Sie seien Allies, möchten aber nicht die Bühne für marginalisierte Gruppen beanspruchen, die sie mit dem Ad Girls Club nicht abbilden. Ihre eigene Bühne, ihre Reichweite und ihr Netzwerk würden sie anderen Kollektiven zur Verfügung stellen. „Uns würde es freuen, wenn es noch mehr Kollektive wie uns gibt, die noch andere Formen von Diskriminierung bekämpfen und sich stark machen und sich dann gemeinsam noch eine krasse Schlagkraft entwickelt. Das fänden wir cool, wenn es da noch mehr Druck und noch mehr Lärm gibt“, so Eppel. Gabor hofft, dass es bald weitere Kollektive gibt: „Dann stehen wir parat mit unseren Fahnen und laufen mit.“
Für das Engagement ist der Ad Girls Club für den Impact of Diversity Award in der Kategorie Glorious Award nominiert. Die Kategorie „zeichnet die wirkungsvollsten Beiträge und Maßnahmen für mehr Diversität in Medien, Journalismus, Kommunikation und Werbung aus.“