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Test

Android Automotive im Test: Noch viel Luft nach oben

Mit dem Polestar 2 ist inzwischen das erste Auto mit Android Automotive erhältlich. Im Praxistest zeigt sich aber schnell, dass sich insbesondere die deutschen Autohersteller (noch) keine Sorgen machen müssen.

Von Frank Feil
4 Min.
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Android Automotive im Polestar 2 (Foto: Frank Feil)

Als Google ankündigte, mit Android Automotive erstmals ein Infotainment-System für das Auto anzubieten, waren die Reaktionen bei den Herstellern verhalten. Lediglich Polestar (Polestar 2) und Volvo (XC40 Recharge) haben sich bislang auf das Experiment eingelassen. General Motors, PSA (Citroën, Opel, Peugeot, u.a.) sowie Renault-Nissan-Mitsubishi haben 2018 angekündigt, ab 2021 Android Automotive in ihren Fahrzeugen einsetzen zu wollen. Seither hat man diesbezüglich jedoch nur wenig Konkretes gehört.

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Der Vorteil von Android Automotive liegt auf der Hand: Autohersteller wie Volvo, Opel oder Peugeot können von heute auf morgen auf eine etablierte Software-Plattform mit einem riesigen Ökosystem zurückgreifen – und damit viel Geld in der Entwicklung einsparen. Hinzu kommt, dass sie mit Google einen mächtigen Partner an ihrer Seite haben. Darüber hinaus ist Android Automotive so konzipiert, dass keine leistungsstarke Hardware notwendig ist, um eine flüssige Bedienung des Infotainment-Systems zu ermöglichen.

Im Gegensatz zu Android Auto (oder Apple Carplay) handelt es sich bei Android Automotive um ein vollwertiges und vor allem eigenständiges Betriebssystem, das auf der Hardware des Fahrzeugs läuft. Dadurch hat es – im Gegensatz zu Android Auto – Zugriff auf die Sensordaten des Fahrzeugs (Geschwindigkeit, Verbrauch, Ladezustand etc.) und kann auch alle Funktionen (Klimaanlage, Sitzheizung, Assistenten etc.) steuern.

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Android Automotive im Polestar 2

Im Polestar 2 können über Android Automotive alle Fahrzeugfunktionen gesteuert werden. (Foto: Frank Feil)

Soweit die Theorie.

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Polestar 2: So schlägt sich Android Automotive in der Praxis

Der Polestar 2 ist das erste (und bislang einzige) Auto am Markt, das auf Android Automotive setzt. Im Prinzip muss man sich das Ganze wie ein günstiges Android-Tablet vorstellen, das an die Mittelkonsole geklebt wurde. Und genau hier liegt das Problem.

Android hatte schon immer so seine Probleme, wenn es um UI-Design und größere Bildschirme ging. Aber dafür liebt die Android-Community Googles mobiles Betriebssystem für seine Offenheit und die daraus resultierenden (nahezu grenzenlosen) Möglichkeiten. Eben diese Offenheit fehlt bei Android Automotive aber nahezu vollständig. Im Polestar 2 gibt es kaum Möglichkeiten, die Benutzeroberfläche zu individualisieren. Widgets, Hintergründe oder immerhin unterschiedliche Designs? Fehlanzeige. Ebenso trostlos geht es im Play Store zu. Es gibt ein paar Radio-, Podcast- und Streaming-Apps sowie eine für die Parkplatzsuche. Das war’s dann aber. Wer auf die Vielfalt des vom Smartphone bekannten Play Store gehofft hat, wird enttäuscht.

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Android Automotive im Polestar 2

Die Auswahl im Play Store ist unter Android Automotive bescheiden. (Foto: Frank Feil)

Das hat natürlich auch einen Grund: die Fahrsicherheit. Nur Apps, die bestimmte Kriterien erfüllen, werden überhaupt für Android Automotive freigeschaltet. Dass es aber nicht einmal eine Wetter-App gibt, die selbst zu den Basics eines fünf Jahre alten BMW i3 gehört, lässt einen dann doch etwas ratlos zurück.

Und dann wäre da noch die Bedienung. Wie bereits erwähnt, ist Google Android von Haus aus kein Betriebssystem für Fahrzeuge. Aus diesem Grund ist es problematisch, wenn die Benutzeroberfläche, die eigentlich für Smartphones gedacht ist, nahezu unverändert ins Auto übertragen wird. Der Polestar 2 verfügt zwar über einen vordefinierten Homescreen, aber dieser bietet nur wenig Interaktivität. Hat man dagegen beispielsweise Google Maps zur Navigation offen und will eine andere Playlist bei Spotify auswählen, muss man zuerst zum Hauptbildschirm zurück, um die Spotify-App zu öffnen. Eben wie bei einem Android-Tablet. Mit etwas Übung klappt das zwar auch während der Fahrt problemlos, aber von den intuitiven Bedienkonzepten, wie sie aktuell im Mercedes-Benz EQC oder Porsche Taycan zum Einsatz kommen, ist Android Automotive noch meilenweit entfernt.

Android Automotive im Polestar 2

Der Startbildschirm im Polestar 2.(Foto: Frank Feil)

Und dann wäre da noch der häufig gelobte Google Assistant. Tatsächlich funktioniert dieser im Polestar 2 tadellos und ist den Sprachassistenten vieler Autohersteller deutlich überlegen. Aber eben nicht allen. Nimmt man etwa „Hey Mercedes“ (MBUX) oder „Hey Porsche“ (Porsche Connect), sieht die Sache schon wieder anders aus. Hier kann der Google Assistant dann nur noch durch sein umfassendes Wissen punkten. Dafür müssen die Insassen mit seiner vergleichsweise unangenehmen Stimme leben, die für Android Automotive nicht angepasst wurde.

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Android Automotive im Polestar 2

Die Navigation im Polestar 2 läuft über Google Maps. (Foto: Frank Feil)

Android Automotive darf nur als Grundlage dienen

Nach all der Kritik ist es wichtig, zu betonen, dass das Infotainment-System im Polestar 2 absolut flüssig läuft. Gerade wenn man dieses mit den Lösungen vergleicht, die Volvo in Modellen wie dem XC90 oder V60 einsetzt, fühlt sich Android Automotive wie ein Quantensprung an. Aber eben nur dann.

Bei genauerer Betrachtung merkt man Android Automotive zwar an, dass viel Potenzial in dem System steckt, allerdings wird dieses im Polestar 2 (bislang) kaum genutzt. Das User Interface wirkt insgesamt etwas emotionslos und viel zu nah am klassischen Android-Look. Bis auf die etwas größeren Bedien-Icons innerhalb von Apps wie Spotify wurde wenig angepasst. Google Maps bringt den Fahrer zuverlässig ans Ziel, aber andere Hersteller setzen bereits grafisch deutlich ausgereiftere Navigationssoftware ein.

Android Automotive im Polestar 2

Das „Android-Tablet“ an der Mittelkonsole des Polestar 2. (Foto: Frank Feil)

Der zweite Bildschirm hinter dem Lenkrad spielt für Android Automotive im Polestar 2 kaum eine Rolle. Hier kann man sich zwar Google Maps im Vollbildmodus anzeigen lassen, aber ansonsten hat man einen schwarzen Bildschirm mit ein paar Daten (Geschwindigkeit, Ladezustand, Reichweite etc.) vor sich. Da wäre sicherlich mehr möglich gewesen, vor allem wenn man bedenkt, dass der Polestar 2 mit einem Startpreis von derzeit knapp 55.000 Euro im Premium-Bereich angesiedelt ist.

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Android Automotive im Polestar 2

Die Spotify-App unter Android Automotive. Was auf den ersten Blick schick aussieht, erweist sich während der Fahrt nicht immer als praktisch. (Foto: Frank Feil)

Wenn Google und seine Partner Android Automotive zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für Daimler, BMW, Audi, Porsche oder VW aufbauen wollen, müssen sie damit beginnen, in der Kategorie Auto zu denken. Denn Design- und Bedienkonzepte, die daheim auf der Couch funktionieren, eignen sich nur bedingt für die Interaktion mit einem Auto während der Fahrt.

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Dein t3n-Team

Ronald

Zitat:“…im Gegensatz zu Android Auto – Zugriff auf die Sensordaten des Fahrzeugs (Geschwindigkeit,…“ Android Auto bekommt die Geschwindigkeit (z.B. im Tunnel) vom Fahrzeug.

Antworten
Frank Feil

Über das GPS, aber nicht vom Auto.

Antworten
Frank Feil

Ist richtig. Aber: „this is a list of things Android Auto is listening for, not necessarily receiving from the car.“

Grundsätzlich dürften die meisten Hersteller bestrebt sein, solche heiklen Infos nicht ohne weiteres an Android Auto zu übermitteln.

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