ChatGPT verfasst mein Anschreiben: So reagieren Personaler auf die KI-Bewerbung
Es ist lange her, dass ein Techtrend im Alltag dermaßen einschlug wie ChatGPT. Der KI-Chatbot ist offensichtlich in der Lage, schulische Aufsätze und akademische Abhandlungen automatisiert zu verfassen. Forschende der Northwestern University in Chicago haben medizinische Zusammenfassungen von ChatGPT erstellen lassen und sie anschließend mit Originalen verglichen. Das Ergebnis: 32 Prozent der KI-Texte blieben unerkannt!
Während Bildungseinrichtungen und Forschungsstätten wenig erfreut über die künstliche Intelligenz sind, freuen sich vor allem Content-Creators über die Zeitersparnis: So lassen Linkedin-Nutzerinnen und ‑Nutzer ihre Personal-Branding-Postings auf dem Netzwerk inzwischen von ChatGPT verfassen. Für Leute, die schreiben können, stellt sich die Frage nach der Hilfe nicht. Für Leute, die es nicht können, ist das ein echter Gamechanger.
KI-Bewerbung: ChatGPT formuliert mein Anschreiben
Im Grunde ist das auch okay. Denn Technologie soll ja unterstützen, wo Menschen an ihre Grenzen stoßen. Sie soll Aufgaben schneller und besser erledigen, als sie es könnten. Die Einsatzszenarien im Alltag sind vielfältig. Eine andere lästige Aufgabe, bei der ChatGPT unterstützend zur Seite stehen könnte, ist beispielsweise das Verfassen eines Anschreibens für eine Bewerbung. Ich kenne Menschen, die sich daran die Zähne ausbeißen.
Wie gut der KI-Chatbot diese Aufgabe erledigt, habe ich selbst getestet. Wer „Write an application letter!“ in die Kommandozeile tippt, bekommt einen fertigen Text serviert, der nur noch mit persönlichen Informationen angereichert werden muss. Wer den Befehl als Frage formuliert, indem „Can you write me an application letter?“ eingetippt wird, wird von ChatGPT zuvor sogar nach den Details gefragt, um auch diese Aufgabe abzunehmen.
„Ich kenne Menschen, die sich die Zähne an Anschreiben ausbeißen.“
Das Resultat kann sich sehen lassen. Es ist weitaus besser, als ich es von Menschen, die sich die Zähne daran ausbeißen, erwarten würde. Und ich kenne mich da aus: Denn als Autor bekomme ich schon von Berufs wegen häufiger Anschreiben von Familienmitgliedern sowie Freunden und Bekannten vorgelegt, um sie zu redigieren. Einzig und allein: Die Stellen, auf die sie sich bewerben, betreffen in der Regel keine Jobs, in denen gute Text-Skills nötig sind.
Ich habe mich gefragt, ob so ein KI-Anschreiben auch für mich klappen könnte? Und ob ich mir diese Aufgabe im Falle einer Bewerbung somit vom Hals halten kann? Um das herauszufinden, habe ich den KI-Text, nachdem ich ihn per Copy-and-paste mittels Google Translate habe übersetzen lassen, an Personalverantwortliche geschickt, die das Anschreiben bewerten sollten. Zudem wollte ich von ihnen wissen, ob es zum Vorstellungsgespräch gekommen wäre.
Viele ChatGPT-Formulierungen sind holprig
Ich habe mich dafür als Kommunikationsmanager bei einer Digital- und einer PR-Agentur beworben, einmal initiativ und einmal konkret auf eine ausgeschriebene Stelle. Bewertet haben die KI-Anschreiben daraufhin Eva Stock, Chief People Officer bei Comspace, und Julia Baumgarten, Talent Engagement Lead bei Piabo. Die Meinungen der HR-Expertinnen sind durchmischt, eine von ihnen hat den Einsatz einer Übersetzungssoftware vermutet.
„Das Anschreiben sieht auf den ersten Blick professionell aus und hat den üblichen Aufbau, den man auch aus Vorlagen aus dem Internet kennt“, stellt Julia Baumgarten von Piabo fest. „Hättest du mir hinterher gesagt, dass es von einer KI geschrieben wurde, wäre ich sicher überrascht gewesen.“ Jedoch kreidet sie die Verwendung von Floskeln sowie zahlreiche Formulierungen im Konjunktiv an, die „unklar und wenig ambitioniert wirken“.
„Das Anschreiben sieht auf den ersten Blick professionell aus.“
Eva Stock von Comspace sind vor allem einige sperrige Formulierungen aufgefallen, und sie ahnte, dass Google Translate oder Deepl zum Einsatz kamen: „An einigen Stellen merkt man, dass es sich um eine Übersetzung von Englisch auf Deutsch handelt. Grammatikalisch ist nicht alles astrein“, gibt sie zu verstehen. Sie wäre nicht unbedingt von einer KI ausgegangen, aber hätte deutlich mehr von einem deutschen, sprachbegabten Journalisten erwartet.
Um das Ergebnis wirklich objektiv zu halten, habe ich nicht in den KI-Text eingegriffen. Schon beim Lesen sind mir selbst einige Formulierungen aufgefallen, die holprig waren. Viele hätte ich nie gewählt, wie beispielsweise „I am a hard-working and dedicated professional“. Mag sein, dass das in den USA, wo ChatGPT entwickelt wird, ein gängiger Berufsslang ist. In Deutschland dürften die meisten Menschen wohl die Stirn runzeln bei so einem Satz.
Auf das ChatGPT-Anschreiben lässt sich aufbauen
Beide Frauen sind sich einig: Für eine Einladung zum Vorstellungsgespräch hätte es nicht gereicht. „Als potenzieller PR-Manager wärst du raus, sorry“, sagt beispielsweise Eva Stock. Spannend ist aber auch der Umstand, dass beide HR-Expertinnen ein Anschreiben eigentlich gar nicht mehr wichtig finden. „Ein einfacher CV oder ein gepflegtes Linkedin-Profil sind für den ersten Eindruck bereits ausreichend“, erklärt beispielsweise Julia Baumgarten.
Was mir insofern durch den Kopf geht: Wenn schon Personalverantwortliche für Jobs, in denen Text-Skills wichtig sind, auf Anschreiben verzichten, welchen Stellenwert hat es dann tatsächlich noch für die Menschen, die überhaupt nichts mit Schreibaufgaben zu tun haben? Und wenn nun auch KI-Bots sie personalisiert am Fließband produzieren, ist das Thema dann nicht spätestens jetzt für Recruiterinnen und Recruiter komplett vom Tisch?
Abschließend lässt sich sagen, dass die künstliche Intelligenz ein echter Vorteil für Jobsuchende sein kann, die nicht durch sprachliche Finesse auffallen müssen. Und dennoch sollte ein prüfender Blick in Bezug auf die Übersetzung vom Englischen ins Deutsche nicht ausbleiben. Auf dem ChatGPT-Beispiel lässt sich in jedem Fall gut aufbauen. Kreativ und individuell ist es jedoch bei Weitem nicht. Wer wirklich Persönlichkeit zum Ausdruck bringen will, fährt mit Standardphrasen nie gut.
Da wäre es wohl sinnvoller gewesen, ChatGPT einfach auf Deutsch mit der Aufgabe zu betrauen. Das geht nämlich auch. :)
Warum Google Translate einsetzen? Es ist wohl durchaus bekannt dass die Übersetzungen nicht immer einwandfrei sind dachte ich. Fairer wärs gewesen ChatGPT auf deutsch zu fragen. Somit wurde ja eher die Übersetzung bewertet denke ich? Und warum wurden die Testpersonen vorher informiert wer es geschrieben hat? ;-) Ob ich objektiv bleiben kann wenn mir jemand erkklärt- hey- ich hab einen Bot mein Bewerbungsschreiben tippen lassen und es dann übersetzen lassen- kannst es bitte mal überprüfen ob du das erkannt hättest dass es nicht von mir ist? ;-)
Wer ChatGPT nicht von vornherein auf Deutsch nutz und sich mit einem derart einfachen Prompt abgibt, ist wohl noch ganz am Anfang mit ChatGPT. Da darf sich der Autor glücklich schätzen, dass sein Artikel überall promotet wird.
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Mit freundlichen Grüßen,
[Name]
Nachdem ich u.a. in der Time gelesen habe, wie ChatGPT & Co trainiert wird und welcher psychischen Folter die Menschen ausgesetzt sind bei geringer Bezahlung, ist mir der Appetit auf ChatGPT vergangen. Ich benutze lieber meinen eigenen Kopf, auch wenn es manchmal dampft.