Unter dem Deckmantel des Guten: Apples neuer Safari-Browser behindert die Entwicklung von progressiven Web-Apps
Apple hat sich in der Vergangenheit stets als Unternehmen positioniert, dass sich der Privatsphäre seiner Nutzer in besonderer Weise verpflichtet fühlt. Wer kennt nicht die jüngere Werbung, die versichert, dass alles, was auf einem iPhone passiert, auch auf dem iPhone bleibt?
Apples Cookie-Blockade bringt weitere Einschränkungen mit
Ebenso hat Apple schon seit Jahren die sogenannte Intelligent Tracking Protection in Betrieb, die eigentlich die Aufgabe hat, Cross-Site-Tracking über den Safari-Browser zu unterbinden. Das wird allgemein als positiv wahrgenommen und wurde mit der Ankündigung der vollständigen Cookie-Blockade nochmal verstärkt.
Aber, wie es so ist mit dem Framing, man kann Begriffe auch so definieren, dass sie nebenbei einer anderen Agenda zu dienen vermögen. So wissen wir seit geraumer Zeit, dass PWA, also progressive Web-Apps, Apple ein Dorn im Auge sind.
Das ist aus Unternehmenssicht verständlich. Immerhin lebt Apple in steigendem Maße von Einnahmen aus seinem App-Store. Der wiederum beinhaltet native Apps, die auf den Geräten der Apple-Kunden installiert werden. Viele dieser Apps könnten auch als PWA funktionieren, also als per HTML, Javascript und CSS umgesetzte Web-App. Sie müssten nicht installiert werden, stünden stets in der aktuellsten Version zur Verfügung und würden keinen Speicherplatz auf dem Gerät belegen.
Zur allgemeinen Sinnhaftigkeit einer PWA im Vergleich zu einer nativen App haben wir uns bereits geäußert. Mit dem Zustand der PWA-Entwicklung im Jahr 2020 haben wir uns ebenfalls bereits beschäftigt.
Apple führt Zwangslöschung für lokal beschreibbare Speicherfunktionen ein
Damit eine PWA vollwertig funktionieren kann, muss sie Zugriff auf die Geräte-APIs, sowie einige andere technische Strukturen wie Indexed DB, LocalStorage, Media-Keys, SessionStorage oder Service Workers haben. Nicht jede PWA braucht dabei Zugriff auf alle eben genannten Features, aber ohne alle dieser Features funktioniert keine PWA.
Mit dem jüngsten Update des Safari-Browsers führt Apple einen 7-Tage-Löschrhythmus für genau diese Funktionen ein. Nutzt eine PWA etwa LocalStorage zur Datenablage, zum Beispiel für eine einfache Listen-App, so stehen die darin gespeicherten Daten nur noch für sieben Tage zur Verfügung, bevor sie der Apple-Löschroutine zum Opfer fallen. Ebenso verhält es sich mit den anderen eben genannten script-beschreibbaren Funktionen. Dabei gilt der Fristbeginn als letzter Zeitpunkt, an dem ein Nutzer die Website benutzt hat und kann so natürlich durch rege Nutzung stetig nach vorne geschoben werden.
Das bestätigt Apple im Beitrag „Full Third-Party Cookie Blocking and More“ unter dem Zusatz „and More“ und hofft dabei möglicherweise, dass es nicht so sehr auffällt. Immerhin klingt der Titel ansonsten überaus zustimmungswürdig.
Apple beschwichtigt: Homescreen-Web-Apps nicht betroffen
In einem weiteren Absatz versucht Apple klarzustellen, dass Web-Apps, die Nutzer zu ihrem Homescreen hinzugefügt haben, nicht in gleicher Weise von dieser 7-Tage-Regel betroffen sein sollen. Damit meint Apple natürlich die PWA, die der Konzern konsequent lieber als „Home Screen Web Apps“ oder „HTML5 Apps“ bezeichnet.
Wie PWA nun aber betroffen sind, lässt Apple offen und orakelt stattdessen, dass Websites auf Homescreens nicht Teil von Safari seien und insofern ihre eigenen Lösch-Timer hätten, die wiederum von der konkreten Nutzung dieser Web-App abhängig wären. Man ginge nicht davon aus, dass es zu Löschungen bei solchen Apps käme und sei es doch der Fall, sollten sich die Entwickler an Apple wenden, denn das würde als „ernster Fehler“ betrachtet.
Ohne Schwurbelei: Apple lehnt das Konzept der PWA ab
Dem PWA-Entwickler nutzt diese blumige Umschreibung nichts. Hier wären klare Aussagen wertvoller gewesen. Ein weiteres Problem, neben der Unsicherheit, was nun mit den „Home Screen Web Apps“ nach X Tagen passiert, stellt der Fokus darauf dar, dass es sich um „Home Screen Web Apps“ handeln muss, um eine gewisse, wenn auch unklare Verschonung von Apples rigidem Lösch-Regime für sich erwarten zu dürfen.
Immerhin definiert sich eine PWA nicht dadurch, dass sie irgendwer auf seinem Homescreen ablegt. Sie definiert sich vielmehr technisch durch ganz andere Features. Am Ende all dessen kann sich der Nutzer entscheiden, eine PWA auch auf seinem Homescreen abzulegen, muss es aber nicht. Tut er es künftig unter Safari weiterhin nicht, wird er in jedem Fall mit der 7-Tage-Löschung konfrontiert. Das bringt PWA-Entwickler wie Andre Garzia zu Recht auf.
Garzia sieht darin – und in der Beschränkung aller Browser unter iOS auf die Webkit-Engine – den transparenten Wunsch Apples, Entwickler ins System nativer Apps und damit den eigenen App-Store zu zwingen. Man kann es ihm nicht verdenken…
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Habe mehrere PWAs entwickelt… am Ende war die Pflege als App immer sinnvoller und einfacher. Auch wenn es hier nicht um Grundsatzdiskussionen geht… den meisten wird das nichts ausmachen. Die Grundsätzliche Idee solcher Apps ist durchaus clever… in der Praxis machen sie aber kaum bis gar keinen Sinn. Du kannst nicht alles auf zwei Ebenen entwickeln und willst es am Ende auch gar nicht. Außerdem funktionieren Web Apps gefühlt nicht nativ genug, weshalb auch Nutzer das Konzept derzeit nicht so recht verstehen.
Wir haben in der Agentur jedenfalls schlechte Erfahrungen gemacht und entwickeln auch nicht mehr dorthingehend.
Sehe ich nach etlichen Projekten völlig anders. Habe jetzt einem Kunden geraten, der bereits eine Android-App hat und nun eine iOS-App anfragte, beides zu lassen und auf PWA zu gehen. Nicht zuletzt die Kosten haben ihn überzeugt.
Natürlich sind die Kosten viel billiger. Aber dafür sind es halt nur PWA-Apps die keine große Zukunft haben.
Von einem Apple-Nutzer hatte ich keinen anderen Kommentar erwartet. Wenn der Anwendungszweck passt, ist eine PWA jeder nativen App deutlich überlegen. Funktional nicht, da sind sie gleich, aber alle anderen Parameter sprechen dafür.
Nach mehreren PWA-Projekten kehren wir nun zu nativen Apps zurück. Braucht kein Mensch, fühlt sich schlecht an und spart nur im ersten Lauf kosten.