Das bedeutet der Koalitionsvertrag für den Onlinehandel
Die neue Bundesregierung, bestehend aus SPD, FDP und Grünen, hat ihr Koalitionspapier vorgelegt – gerade einmal einen Monat nach der Wahl. Vorausgegangen waren den Koalitionsverhandlungen, die dem Vernehmen nach von großem Wohlwollen und Sachbezogenheit geprägt waren. Ein Novum, das umso höher zu bewerten ist, wenn wir berücksichtigen, wie weit die genannten Parteien politisch auseinander waren.
Erwartungsgemäß finden sich im Koalitionsvertrag einige Punkte, die den Handel und die Zukunft von E-Commerce und Präsenzhandel betreffen – doch es sind weniger als man eigentlich angesichts der Stellung des Handels in Deutschland erwarten dürfte. Die neue Bundesregierung will sich dem Vernehmen nach darum bemühen, dass der stationäre Handel angesichts des Strukturwandels faire Chancen erhält. Ob es sich dabei um infrastrukturelle oder eher monetäre Unterstützung handelt, lässt das Papier zwar offen, aber betont wird, dass man den lokal verwurzelten Handel resilient gegen die Geschäftsmodelle digitaler Großunternehmen machen wolle. Dass damit vor allem große Player wie Amazon gemeint sind, erfordert nicht allzu viel Interpretation.
Doch offen bleibt auch, wie der Onlinehandel bewertet wird. Dass dieser unter Klimaschutzgesichtspunkten in vielen Fällen sogar nachhaltiger ist als die Fahrt zum Geschäft in der Stadt oder ins Einkaufszentrum im Industriegebiet, ist hinlänglich bekannt. Man darf hoffen, dass die neue Bundesregierung nicht versuchen wird, den einen Kanal gegen den anderen auszuspielen. Denn dem Onlinehandel die Schuld für die über Jahre gewachsenen Probleme der Präsenzgeschäfte vor Ort zu geben, ist so falsch wie kurzsichtig. Darüber hinaus denken viele Händler vernünftigerweise nicht mehr in Online vs. Vor-Ort-Handel, sondern betrachten die Channels als sich gegenseitig ergänzend.
Stadtentwicklung fördern für mehr Lebensqualität
Dabei will die neue Bundesregierung erklärtermaßen die „digital gestützte Wertschöpfung in Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistung unterstützen und dafür ein Level Playing Field herstellen“. Es ist erstaunlich, dass sich die Bundesregierung, die ansonsten wo immer möglich verständliche deutsche Begriffe gewählt hat, sich hinter diesem nichtssagenden Begriff verschanzt. Auch das stellt mehr Fragen als es beantwortet.
Klar ist, dass das Förderprogramme „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ und „Lebendige Zentren“ fortführen will und sich um den Wandel und die Lebensqualität in den Innenstadtlagen sorgt. Barrierefreie, innovative Innenstädte, die auch außerhalb der Geschäftszeiten Aufenthaltsqualität bieten, sind erstrebenswert und sollten durch die neue Bundesregierung angesrebt werden. Immerhin betreffen einige weitere Passagen im Rahmen des 179-seiten Papiers den Handel mittelbar – etwa wenn es um das Lieferkettengesetz geht, das, wie an mehreren Stellen betont wird, auch mittelständische und kleine Unternehmen nicht überfordert habe. Eher partiell für eine spitze Zielgruppe relevant sind Aussagen zum Tierhandel, die aber eben eher den B2B-Sektor betreffen.
Ein Blick lohnt sich dagegen auf die Passagen, in denen es um Datenschutz und Nutzung von Personendaten geht. Hier ist einerseits der Kurs durch eine Vielzahl von bestehenden Gesetzen (bis hin zur DSGVO) vorgegeben, andererseits aber vieles, was etwa Gesundheitsdaten, Forschungsdaten oder personenbezogene Daten betrifft, so geregelt, dass es nicht sämtlichen wirtschaftlichen Interessen entgegenläuft. All das lässt hoffen, dass auch bei der Personalisierung von E-Commerce-Angeboten und im Online-Marketing der bisher eingeschlagene Kurs aufrechterhalten wird und zumindest mit Bedacht die Interessen abgewogen werden.