Während der Coronakrise hat sich die Arbeitswelt grundlegend verändert. Vom Büro ging es ins Homeoffice und jetzt in weiten Teilen in den Hybridmodus. Wenn Führungskräfte jetzt erleichtert zu den Büro-Rückkehrern sagen „Weiter so wie vor Corona!“, machen sie jedoch einen Fehler. Das findet Karin Zintz-Volbracht, Coach und Agile Organisationsberaterin. Gerade die hybride Zusammenarbeit von mehreren Menschen im Büro mit Menschen im Homeoffice braucht viel Aufmerksamkeit und klare Regeln, damit sie nicht im Kommunikationschaos endet. Viele haben nach zwei Jahren der Vorsicht und bei den aktuell hohen Infektionszahlen aber auch ganz reale Sorgen und Ängste, sich oder andere zu infizieren. Karin Zintz-Volbracht spricht von acht Gedanken, die sich Chefinnen und Chefs jetzt machen sollten.
1. Anerkennung der bisherigen Leistung
Ein Spruch wie „Die Sofa-Zeiten sind jetzt vorbei, nun arbeiten wir wieder richtig“ widerspricht nicht nur der tatsächlichen Produktivität während der Pandemie. Diese Haltung sei auch eine Ohrfeige für alle, die im Homeoffice große Anstrengungen, Einschränkungen und echtes Leid erlebt haben, so Karin Zintz-Volbracht. „Führende sollten zunächst ausdrücklich und detailliert anerkennen und feiern, was die Beschäftigten geleistet haben. Das ist die Basis für einen neuen Anfang unter veränderten Bedingungen“, sagt die Organisationsberaterin im t3n-Gespräch.
2. Corona-Sorgen weiter ernst nehmen
Manche Menschen freuen sich auf die Rückkehr ins Büro. Andere geraten bei dem Gedanken in Sorge. „Viele Kolleginnen und Kollegen haben angesichts der aktuellen Pandemielage auch weiterhin gute Gründe, sich um ihre Gesundheit zu sorgen“, so Karin Zintz-Volbracht. Führungskräfte sollten das respektieren. Hygienekonzepte und Schutzmaßnahmen braucht es weiterhin im Büro. Führende sollten zudem keinen Keil zwischen „Enthusiasten“ und „Zweiflern“ treiben. Das erzeuge nur unnötigen Druck und könne Spannungen in der hybriden Zusammenarbeit verstärken.
3. Auf Gelerntes aufbauen
Während der Pandemie wurde nicht nur gearbeitet, sondern auch intensiv gelernt. „Die Geschwindigkeit, in der sich viele Teams an virtuelle Arbeitsformen angepasst haben, war unglaublich. Diese Lern- und Anpassungsfähigkeit ist der Kern von agilen Arbeitsweisen und New Work“, erklärt Karin Zintz-Volbracht. Sie habe Corona-Retros moderiert, in denen es genau um diese Fragen ging: „Was haben wir unter Corona gelernt? Was haben wir eventuell verlernt? Was hat uns überrascht? Und was davon brauchen wir weiterhin?“ Die Zeit im Homeoffice sei kein Stillstand gewesen.
4. Sinn und Zweck des Arbeitsortes klären
Die guten Erfahrungen mit virtueller Zusammenarbeit haben dazu geführt, dass es kein komplettes Zurück ins Büro geben wird, so Karin Zintz-Volbracht. „Die leibhaftige Präsenz am Schreibtisch ist kein Selbstzweck mehr. Darum ist es wichtig zu klären, welchen Sinn und Zweck die Anwesenheit im Büro erfüllen soll.“ Der Kaffeeplausch für den kollegialen Austausch gehört genauso dazu, wie die gemeinsame Weiterentwicklung, das Brainstorming und die Arbeit an Innovationen. Jedes Team wird den Zweck definieren müssen. Gleiches gilt umgekehrt auch im Homeoffice.
5. Regeln für hybrides Arbeiten schaffen
Wenn Sinn und Zweck erstmal klar sind, gibt es eine erste Orientierung für hybrides Arbeiten. Doch die schlichte Formel, dass ein paar Tage im Büro und ein paar im Homeoffice gearbeitet werden, verbindet noch nicht das Beste beider Welten. „Hybride Arbeit ist herausfordernd für alle Beteiligten – vor allem für die Führungskräfte. Konferenzen mit fünf Leuten am großen Tisch und fünf Personen per Videoschalte können schnell zum kommunikativen Horror werden“, so Karin Zintz-Vollbracht. Sie plädiert für klare Regeln, wie etwa in Meetings oder in Deep-Work-Phasen kommuniziert wird.
6. Aufgestaute Emotionen ansprechen
Nach zwei Jahren des reinen Homeoffice schieben viele Teams aufgestaute Emotionen vor sich her. „Sie haben gelernt, in Online-Meetings schnell und lösungsorientiert zu arbeiten. Das Klären von Spannungen und Konflikten kam dabei oft zu kurz“, sagt Karin Zintz-Vollbracht. Es hätte schlicht an informellen Gelegenheiten gefehlt, um kurz mal ein Feedback zu geben oder sich auszusprechen. Deshalb sollten Führungskräfte jetzt rasch in der direkten Begegnung und für gutes Klima in so genannten „Clean the Air“-Meetings sorgen.
7. Zeit und Raum für die ersten Tage schaffen
Die bisherigen Punkte seien bereits wunderbare Themen für die ersten Teamtage im Büro. „Auch wenn der Drang zur Normalität, wie vor der Pandemie, groß ist, haben Führungskräfte nach die Verantwortung, gemeinsam mit dem Team erst einmal intensiv darüber nachzudenken, wie der veränderte Normalzustand auf einem neuen Niveau aussehen kann“, sagt Karin Zintz-Vollbracht. Es sei wichtig, jetzt nicht einfach in den Tag zu stolpern, sondern ganz gezielt Zeit und Raum für Gespräche zur Verfügung zu stellen. „Plant diese Phasen aktiv und setzt Blöcke im Kalender.“
8. Kommunikation und Aufmerksamkeit ist alles
Das sei die schwierigste Aufgabe für Führungskräfte, weil die Wahrnehmung oft auf das gerichtet ist, was sie unmittelbar erleben. „Kommunikation ist für das Gelingen von hybriden Modellen entscheidend. Dazu gehören nicht nur interne Regeln und gute Rahmenbedingungen für einen ortsübergreifenden Informationsfluss. Führende müssen auch ihre Wahrnehmung bewusst auf die im Team richten, die nicht vor Ort und somit im organischen Kommunikationsfluss sind.“ Das Gefühl, nicht gesehen und gehört zu werden, während andere mittendrin sind, löse viel Frust aus.