Christoph Jentzsch war einer der ersten Ethereum-Entwickler. Der Deutsche arbeitete 2014 und 2015 als Freelancer mit an der Software, die heute als richtungsweisend für den Blockchain-Bereich gilt. Wir haben mit ihm gesprochen und den Blockchain-Pionier gefragt, welche Mythen über Ethereum kursieren und was tatsächlich dahintersteckt.
Mythos 1: Eine Blockchain ist eine Datenbank
„Eine Blockchain ist kein dezentraler Speicher, sondern ein Protokoll“, stellt der Experte richtig. Das Protokoll legt dabei fest, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit am derzeitigen Zustand etwas verändert werden darf. „Eine Blockchain ist ein Permission-Management-System, legt also fest, wann es erlaubt ist, etwas zu verändern“, sagt Jentzsch.
„Eine Blockchain ist ein Permission-Management-System.“
Der derzeitige Zustand oder State meint dabei zum Beispiel, wer wie viele Token besitzt. Smart Contracts, also selbstausführende Codes, beschreiben, unter welchen Umständen etwas verändert wird. Eine Technologie, die bewusst ohne jemanden auskommt, der die Vorgänge prüft – das übernimmt das System selbst.
Mythos 2: Ethereum ist nur eine Kryptowährung
„Bitcoin ist tatsächlich eine digitale Währung, die die Blockchain braucht, um zu funktionieren“, sagt Jentzsch. „Ethereum ist aber andersherum eine Blockchain, die eine digitale Währung braucht, um zu funktionieren.“
Das heißt: Bitcoin wurde als digitales Geld geschaffen. „Eine Blockchain war dafür einfach die beste technische Lösung“, sagt der Entwickler. Bei Bitcoin gehe es nur um die Währung, nicht etwa um Apps oder dezentrale Applikationen, wie sie auf anderen Blockchains laufen.
„Wir wollten nicht nur Geld, sondern auch andere Dinge dezentralisieren.“
Mit Ethereum seien die Entwickelnden mit einer größeren Mission gestartet: „Wir wollten nicht nur Geld, sondern auch andere Dinge dezentralisieren“, sagt Jentzsch. Das kann alles sein, eine einfache Applikation wie ein Schachspiel, eine dezentrale autonome Organisation (DAO) oder andere Projekte.
„Viele Spekulanten haben Ether dann aber als Währung gepusht, obwohl das nie der ursprüngliche Gedanke des Netzwerks war. Wir brauchen Ether nur, damit Ethereum funktioniert“, sagt der Experte.
Mythos 3: Gasfees hängen vom Ether-Kurs ab
Wer Ether versenden möchte, zahlt dafür Gebühren, um die Veränderung in der Blockchain eintragen zu lassen. Die Anzahl an Transaktionen, die ausgeführt werden können, ist begrenzt. Wird viel gehandelt, steigt der Preis pro Transaktion, die Gasfee.
Im Boomjahr 2021 waren Gasfees von 30 Dollar pro Transaktion üblich. Bei weniger Handelsvolumen in der zweiten Hälfte 2022 schwankten die Gebühren meist zwischen ein und drei Dollar.
„Manchmal mag es so erscheinen, dass Gasfees und Transaktionskosten direkt vom Wert von Ether abhängen. Ganz kurzfristig kann das manchmal so sein, aber eigentlich stimmt das gar nicht. Denn sie hängen von Angebot und Nachfrage ab“, erklärt Jentzsch.
„In den vergangenen Tagen hatten wir extrem hohe Gasfees, was aber nichts mit dem Ether-Preis zu tun hatte, denn der war konstant. Es gab einfach nur extrem viel Nachfrage nach Ethereum-Transaktionen. Wenn jetzt keiner mehr Transaktionen machen will, gehen die Gasfees runter, egal ob der Ether-Preis sich bewegt oder nicht“, so der Entwickler.
Technisch wäre es auch möglich gewesen, einen fixen Preis für die Transaktionen festzulegen, einen gewissen Prozentsatz der Summe zum Beispiel. „Wir haben uns bei der Entwicklung von Ethereum aber für ein Vehikel entschieden: Gas. Es ist eine Zwischeneinheit, die wie auf einem Markt von Angebot und Nachfrage abhängt“, erklärt Jentzsch. Dieser Markt funktioniere allerdings mal mehr, mal weniger gut.