Anzeige
Anzeige
Interview

Der Fall FTX: Was ihr über die Insolvenz wissen müsst

Die Pleite von FTX hat die Branche und viele Anleger aufgewühlt. Nun läuft das Gerichtsverfahren zum Bankrott. Ein Insolvenzrechtler erklärt, was das bedeutet.

3 Min.
Artikel merken
Anzeige
Anzeige
Chapter 11 Bankruptcy: Wie gehen amerikanische Gerichte mit FTX um? (Foto: Shutterstock/zimmytws)

Anfang November verfolgte die Kryptobranche gespannt den verbalen Schlagabtausch zwischen dem Chef der Kryptobörse Binance und FTX-Gründer Sam Bankman-Fried (SBF) auf Twitter. Am 11. November dann die Gewissheit: FTX ist pleite.

Seitdem läuft das Gerichtsverfahren zum Bankrott eines der ehemals größten Kryptounternehmen. Tom Braegelmann ist Insolvenz- und Restrukturierungsexperte bei der Fintech-Kanzlei Annerton und als Anwalt in Deutschland und den USA zugelassen. Er berät im Wirtschafts-, Restrukturierungs- und Insolvenzrecht und insbesondere zu modernen digitalen Geschäftsmodellen. Mit ihm haben wir über das undurchsichtige FTX-Verfahren gesprochen.

Anzeige
Anzeige

Anwalt Tom Braegelmann ist Insolvenz- und Restrukturierungsexperte. (Foto: privat)

t3n: Auch in der klassischen Finanzbranche haben wir schon spektakuläre Pleiten erlebt. Zum Beispiel die der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers 2008. Wie unterscheidet sich der Bankrott der Kryptobörse FTX davon?

Tom Braegelmann: Die Unterschiede sind groß. Das Geschäftsmodell von Lehman Brothers, die Verbriefung von Immobilien, ist damals durch die geplatzte Immobilienblase zusammengefallen, weil es ein schlechtes – aber damals legales – Geschäftsmodell war. Bei FTX geht es Medienberichten zufolge darum, dass Kundengelder unberechtigt verwendet wurden. Unter Umständen hat die Börse amerikanisches Regulierungsrecht, das bereits für den Kryptobereich gilt, nicht eingehalten.

Anzeige
Anzeige

t3n: Die Kryptobranche ist aber noch nicht so sehr reguliert, wie die Finanzbranche. Wird FTX ein Beispielfall?

Der Fall ist schon speziell. Es ist aber insofern ein Präzedenzfall, weil nun auch die Kryptoszene sehen wird, dass in einem großen, weltweiten Insolvenzverfahren viele Zahlungsströme mit aufgeklärt werden, Krypto also nicht irgendwie im rechtsfreien Raum stattfindet. Das hat nämlich nie gestimmt. Vielerlei Recht und Rechtsordnungen waren schon immer auf Krypto anwendbar, aber manche Puristen mochten das lange nicht wahrhaben. – Und das ist ja eigentlich eine gute Erkenntnis.

Anzeige
Anzeige

„Solche Insolvenzen sind nicht das Ende der Kryptowelt.“

t3n: Welche Bedeutung hat die FTX-Pleite für die noch junge Kryptobranche?

Das Insolvenzverfahren von FTX ist anscheinend die Konsequenz schlechten Wirtschaftens durch SBF. Es ist gut, dass die Kryptoszene sieht, dass schlechtes Wirtschaften Konsequenzen hat.

Anzeige
Anzeige

Insolvenzen wie die von FTX, Celsius oder Voyager sind aber nicht das Ende der Kryptowelt. Denn Insolvenzen sind ein normaler Teil des Wirtschaftsrechts und können wie eine Marktbereinigung wirken, aus der überlebende Marktteilnehmer gestärkt hervorgehen. Es könnte auch dazu führen, dass Anleger in Zukunft besser prüfen, welche Kryptoanbieter vertrauenswürdig sind.

t3n: Der Kollaps von FTX wird wahrscheinlich auch viele der angelegten Gelder vernichten. Brauchen Kryptounternehmen mehr Vorgaben zum Verbraucherschutz?

Diese Frage wird jetzt wieder aufkommen. Es ist wie in vielen anderen Märkten und bei allen risikoreichen Investments: Verbrauchern muss klar gemacht werden, dass ihnen ein Totalverlust droht.

Anzeige
Anzeige

Es geht aber nicht darum, Krypto unbedingt noch stärker zu regulieren. Allgemein ist Europa aber mit der demnächst in Kraft tretenden MiCA-Regulierung gut aufgestellt.

t3n: Wie könnte das Bankruptcy-Verfahren für FTX enden?

So ein Verfahren dauert. Drei Jahre wohl bestimmt. Ob FTX insgesamt wieder auf die Beine kommt, kann man noch nicht wissen. Wahrscheinlich ist wohl, dass Tochtergesellschaften, die eigentlich nicht schlecht gewirtschaftet haben und wertvoll sind, verkauft werden, unter Umständen zum Beispiel FTX Europe.

Anzeige
Anzeige

t3n: Ob FTX wieder auf die Beine kommt, könnte John Ray wissen. Er löste Sam Bankman-Fried als CEO ab und strukturiert FTX nun um. Wie sieht sein Job aus?

John Ray ist wie eine Art treuhänderischer Verwalter des gesamten Vermögens von FTX. Sam Bankman-Fried und die anderen abgesetzten Führungskräfte und Gesellschafter haben kein Mitspracherecht mehr, was mit FTX passiert. Dafür bestimmt der neue CEO als Chief Restructuring Officer den Kurs. John Ray handelt, in Rücksprache mit dem Gericht, Deals aus, um zum Beispiel einzelne Sparten der Firma zum bestmöglichen Preis zu verkaufen und so die Insolvenzmasse zu vergrößern.

t3n: In Interviews hat der ehemalige FTX-Chef SBF moniert, das Unternehmen habe noch genug Geld, um die Anleger:innen auszubezahlen. Ist so etwas, trotz Insolvenzverfahren, denkbar?

Anzeige
Anzeige

FTX hat ein Bankruptcy-Verfahren in den USA beantragt. Es ist ein Chapter-11-Verfahren, das in Eigenverwaltung ohne Insolvenzverwalter, aber unter Aufsicht des Gerichts und der Gläubiger stattfindet. Im Gegensatz zu einem deutschen Insolvenzverfahren können Firmen dieses Verfahren in Amerika schon früher anmelden, wenn sie noch weit davon entfernt sind, insolvenzreif oder komplett zahlungsunfähig zu sein. So kommt es dazu, dass FTX anscheinend trotz des Verfahrens noch über erhebliche Geldbestände verfügt.

Mit dem Bankruptcy-Verfahren kann das Unternehmen leichter abgewickelt, saniert oder Werthaltiges darin verkauft werden. Der Verkaufserlös geht dann an die FTX-Gläubiger.

t3n: Vielen Dank für das Gespräch

Mehr zu diesem Thema
FTX
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
Schreib den ersten Kommentar!
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige