Dass die Coronapandemie als Brandbeschleuniger für die Digitalisierung wirkt, gilt als allgemein bekannte Tatsache. Nirgendwo lässt sich das besser ausmachen als am Homeoffice. Während vor Covid-19 die Arbeit von zu Hause noch eher die Ausnahme als die Regel war, ist sie für viele Büroangestellte inzwischen sogar verpflichtend. Das hat eine Umfrage von t3n unter den 30 größten Dax-Unternehmen ergeben. Alle befragten Arbeitgeber haben ihre digital arbeitende Belegschaft entweder ganz oder teilweise in die Heimarbeit überführt. Lediglich Mitarbeitende aus der Produktion oder Logistik, die partout nicht von Zuhause arbeiten können, sind unter dem Schutz eines Hygienekonzeptes weiter ausnahmslos an ihren Standorten tätig.
Allianz und Daimler: Mobile Arbeit längst etabliert
Die deutschen Wirtschaftsgrößen konnten dabei in Teilen bereits auf Praxiserfahrung zurückgreifen. Nicht wenige Unternehmen sind schon vor Corona wichtige Schritte hin zu einer flexiblen Arbeitswelt gegangen. So hat der Versicherungskonzern Allianz bereits 2018 mit einer Betriebsvereinbarung ermöglicht, das alle Mitarbeitenden freiwillig mobil aus den heimischen vier Wänden arbeiten können. „Der maximal mögliche Anteil der Arbeitszeit zu Hause differiert und hängt von örtlichen Regelungen ab, liegt aber immer zwischen 40 und 50 Prozent“, so eine Sprecherin der Allianz gegenüber t3n. Die Erfahrungen mit Homeoffice seien zu jeder Zeit gut gewesen und somit wird wohl auch nach der Pandemie ein Hybridmodell anvisiert.
Ähnlich sieht das bei Daimler aus. Auch hier setzen sich Verantwortliche seit mehreren Jahren für die Flexibilisierung der Arbeit bei dem Autobauer ein – ob Teilzeit, Jobsharing oder mobile Arbeit beziehungsweise Homeoffice. So erklärt eine Unternehmenssprecherin gegenüber t3n, dass Mitarbeitende bereits seit Dezember 2016 ein grundsätzliches Recht haben, mobil zu arbeiten, wenn das mit der jeweiligen Aufgabe vereinbar ist. Auch hier gilt, dass vor allem Büromitarbeitende von dieser Betriebsvereinbarung profitieren. Für Kolleginnen und Kollegen beispielsweise in der Produktion, ist die Heimarbeit zweckmäßig nicht möglich. Auch Daimler gab bekannt, dass ein Hybridmodell nach Corona die unternehmensweite Regel bleibt.
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Einer Befragung des Digitalverbandes Bitkom vom Dezember 2020 zufolge, arbeiten derzeit rund 25 Prozent der deutschen Arbeitnehmer ausschließlich im Homeoffice. Das entspräche 10,5 Millionen Berufstätigen. Mit 8,3 Millionen Berufstätigen träfe das auf weitere 20 Prozent zumindest teilweise zu, sie sind also nicht an allen Arbeitstagen pro Woche im Büro. Insgesamt arbeitet damit aktuell fast jeder Zweite ganz oder teilweise im Homeoffice. Dieser Trend wird auch nach Ende der Coronapandemie bestehen bleiben, heißt es weiter. Nach Bitkom-Berechnungen wird mit 35 Prozent mehr als jeder Dritte den Arbeitsort flexibel wählen können. Das entspräche 14,7 Millionen Berufstätigen, die ausschließlich oder teilweise im Homeoffice arbeiten.
Bayer und BASF: Homeoffice mal mehr, mal weniger
Den Recherchen von t3n nach, wird die Heimarbeit jedoch kaum auf ein ausschließliches, sondern eher auf ein teilweises Konzept hinauslaufen. Keines der 30 befragten Dax-Unternehmen hat ein pauschales Modell angekündigt oder zumindest in Aussicht gestellt, das allen Mitarbeitenden, die ortsungebunden digital arbeiten können, den Weg komplett ins Homeoffice ebnet. Ebenso hält jedoch auch keines der befragten Unternehmen an einer uneingeschränkten Präsenzpflicht fest. Wie die Hybridlösung nach der Coronapandemie ausgestaltet wird, hängt auch mit der Unternehmenskultur zusammen. Einige deutsche Schwergewichte trauen sich und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wesentlich mehr, andere etwas weniger zu.
Der Pharmariese Bayer will beispielsweise nach Corona nicht wieder zu alten Regelungen zurückkehren. Zwar habe der Konzern schon vor der Pandemie tageweise Homeoffice gestattet, jedoch will sich das Unternehmen nach den positiven Erfahrungen während Covid-19 jetzt noch weiter öffnen. „Für die Zeit nach der Pandemie rechnen wir mit einer verstärkten Nutzung von Homeoffice, wobei viele Beschäftigte nach unserer Erwartung flexibel zwischen Büro und Homeoffice wechseln werden“, erklärt ein Unternehmenssprecher gegenüber t3n. „Eine feste Homeoffice-Quote oder -Obergrenze sieht unser Konzept ausdrücklich nicht vor.“ Homeoffice sei inzwischen sogar in Bereichen etabliert, in denen dies eher ungewöhnlich ist – etwa in Laborberufen.
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Auch der Chemiekonzern BASF baut auf ein Hybridmodell vor allem für Büroarbeitende auf, macht jedoch auch deutlich, dass es Bereiche gebe, die sich für mobiles Arbeiten nicht oder nur wenig eignen. Laborarbeitende profitieren anders als bei Bayer laut einer Unternehmenssprecherin beispielsweise nicht. Auch sei die Ausübung bestimmter Tätigkeiten ans Büro gebunden. „Wenn es um die kreative Entwicklung von Ideen geht, sind die persönliche Nähe und der direkte Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen oft der Schlüssel zum Erfolg.“ Ziel sei es jedoch, grundsätzlich eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert und in der Mitarbeitende ihr Potential bestmöglich entfalten können.
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SAP und Heidelberg Cement: Hybridmodell als Regel
Dass das Potenzial für flexibles Arbeiten aus Sicht vieler Berufstätiger hierzulande bei weitem noch nicht ausgeschöpft sei, lautet eine weitere Erkenntnis der bereits erwähnten Bitkom-Befragung. Demnach sind mit 74 Prozent knapp drei Viertel der Befragten der Ansicht, dass Homeoffice in Deutschland viel stärker genutzt werden sollte. Mehr Zeit aufgrund des wegfallenden Arbeitsweges und dadurch weniger Stress seien die persönlichen Hauptgründe, warum die Berufstätigen für mehr Offenheit plädieren. Der Großteil der Befragten sieht jedoch auch gesellschaftliche Vorteile wie einen positiven Effekt hinsichtlich der Klimapolitik: 85 Prozent meinen beispielsweise, dass das Homeoffice den Verkehr reduzieren und das Klima entlasten kann.
Es liegt in der Natur der Sache, dass einige Unternehmen sich deutlich früher mit der Digitalisierung ihrer Organisation beschäftigten als andere. Der Software-Konzern SAP gilt sicherlich als Vorreiter. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten schon vor Corona pro Woche im Schnitt 2,6 Tage von zu Hause oder einem anderen Ort außerhalb des Büros gearbeitet, erklärt ein Unternehmenssprecher gegenüber t3n. „Das passiert nach eigenen Wünschen und unkomplizierter Absprache in den jeweiligen Teams.“ Andere Traditionsunternehmen ziehen jetzt nach. Bei dem Baustoffkonzern Heidelberg Cement habe es vor Corona lediglich ein Pilotprojekt für mobile Arbeit gegeben. Inzwischen arbeite man an einer unternehmensweiten Betriebsvereinbarung.