
IT-Profis aus russischem Knast sollen Fachkräftemangel eindämmen? (Foto: diy13/Shutterstock)
Bis zu 100.000 IT-Spezialist:innen sollen Russland wegen des Ukrainekriegs, der verhängten Sanktionen und der schwierigen innenpolitischen Lage, die viele als „Atmosphäre der Angst“ beschreiben, verlassen haben oder es noch vorhaben. Zuletzt haben die USA angekündigt, Beschränkungen zu lockern, um russischen Fachkräften die Einreise zu erleichtern. Russland begegnet dem Braindrain mit verschiedenen Maßnahmen. Nachdem zunächst etwa die Wehrpflicht für IT-Spezialisten ausgesetzt wurde, wird jetzt in Gefängnissen nach Programmierer:innen gesucht.
IT-Profis in russischen Gefängnissen rekrutiert
Wie IT-Sicherheitsexperte Brian Krebs unter Berufung auf verschiedene russische Medienberichte schreibt, soll die russische Strafvollzugsbehörde angekündigt haben, IT-Profis in Gefängnissen rekrutieren zu wollen. Diese sollen dann aus der Ferne – quasi im Knast-Office – für russische Unternehmen programmieren. Betroffen sind auch solche Russ:innen, die in Lagern Zwangsarbeit verrichten müssen. Russische Geschäftsleute sollen mit einer entsprechenden Bitte an die Gefängnisbehörde herangetreten sein, so deren Chef Alexander Chabarow.
Chabarow zufolge sollen die rekrutierten IT-Fachkräfte ausschließlich IT-bezogene Arbeiten ausführen, aber ihr Einsatzgebiet sei nicht auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen in der jeweiligen Region beschränkt. „Wir stehen erst am Anfang. Wenn dies gefragt ist, und das ist höchstwahrscheinlich gefragt, sind wir der Meinung, dass wir Spezialisten auf diesem Gebiet nicht zwingen werden, in anderen Branchen zu arbeiten“, so Chabarow gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Tass.
Nach Braindrain: Fachkräftemangel in Russland
Ende März sollen in Russland fast 100.000 IT-Stellen unbesetzt gewesen sein. Die Zahl ist im April zwar um 25 Prozent gesunken, Beobachter:innen gehen aber davon aus, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass viele russische Firmen ihre Pläne und Budgets neu strukturieren und einige Projekte verschoben werden. Wie viele Menschen in den russischen Gefängnissen über IT-Fähigkeiten verfügen, die von den Unternehmen benötigt werden, ist nicht klar. BBC zufolge sollen in russischen Gefängnissen und Straflagern aktuell 875.000 Menschen sitzen.
Die russischen Firmen dürften sich jedenfalls über vergleichsweise günstige Arbeitskräfte freuen. Der Strafvollzugsbehörde zufolge beträgt das durchschnittliche Gehalt für Gefängnisinsass:innen, die zur Zwangsarbeit verurteilt wurden, rund 20.000 Rubel im Monat. Aktuell entspricht das rund 285 Euro. Russische Softwareentwickler:innen verdienen laut Glassdoor-Berechnungen mindestens das Zehnfache.