„Klassische Lose-Lose-Situation“: Welche Folgen der WHO-Austritt der USA haben könnte

Der Verlust der finanziellen Mittel durch den Rückzug der USA aus der WHO könnte sich unter anderem auswirken auf die Bemühungen, Mpox-Ausbrüche in Afrika einzudämmen. (Foto: QINQIE99 / shutterstock.com)
Gleich am 20. Januar, seinem ersten Tag im Amt, unterzeichnete US-Präsident Donald Trump eine Durchführungsverordnung zum Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO). „Oh, das ist eine große Sache“, sagte er, als ihm das Dokument ausgehändigt wurde.
Die USA sind der größte Geldgeber der WHO, und der Verlust dieser Einnahmen dürfte erhebliche Auswirkungen auf die Organisation haben, die internationale Gesundheitsrichtlinien entwickelt, Krankheitsausbrüche untersucht und als Drehscheibe für den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten dient.
Aber auch die USA werden zu den Verlierern gehören. „Es ist ein sehr tragisches und trauriges Ereignis, das den Vereinigten Staaten auf lange Sicht nur schaden kann“, sagt William Moss, Epidemiologe an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore.
Wie hoch die Beiträge an die WHO sind
Trump scheint ein Problem mit der Höhe der US-Beiträge an die WHO zu haben. Er weist darauf hin, dass das Land einen viel größeren Beitrag leistet als China, ein Land mit einer viermal so großen Bevölkerung wie die USA. „Das erscheint mir ein wenig unfair“, sagte er, als er sich anschickte, die Durchführungsverordnung zu unterzeichnen.
Es stimmt, dass die USA bei weitem der größte finanzielle Unterstützer der WHO sind. Im Zweijahreszeitraum 2022 und 2023 haben die USA 1,28 Milliarden US-Dollar beigesteuert. Zum Vergleich: Der zweitgrößte Geber, Deutschland, steuerte im gleichen Zeitraum 856 Millionen Dollar bei. Die USA tragen derzeit 14,5 Prozent zum Gesamthaushalt der WHO bei.
Aber es ist nicht so, dass die WHO den USA eine Rechnung von über einer Milliarde schickt. Alle Mitgliedsstaaten müssen Mitgliedsbeiträge zahlen, die als Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts eines Landes berechnet werden. Für die USA beläuft sich dieser Betrag auf 130 Millionen Dollar. China zahlt 87,6 Millionen Dollar. Der überwiegende Teil der US-Beiträge an die WHO wird jedoch auf freiwilliger Basis geleistet – in den letzten Jahren waren die Spenden ein Teil der milliardenschweren Ausgaben der US-Regierung für die globale Gesundheit. Darüber hinaus hat die Bill and Melinda Gates Foundation in den Jahren 2022 und 2023 rund 830 Millionen Dollar dafür bereitgestellt.
USA-Austritt hinterlässt eine Lücke im Budget der WHO
Es besteht die Möglichkeit, dass andere Mitgliedstaaten ihre Spenden erhöhen, um die durch den Rückzug der USA entstehende Lücke zu schließen. Aber es ist nicht klar, wer sich beteiligen wird oder welche Auswirkungen eine Änderung der Spendenstruktur haben wird.
Martin McKee hält es für unwahrscheinlich, dass die europäischen Mitglieder ihre Beiträge wesentlich erhöhen werden. McKee hat einen Lehrstuhl für europäische öffentliche Gesundheit an der London School of Hygiene at Tropical Medicine inne. Die Golfstaaten, China, Indien, Brasilien und Südafrika hingegen könnten eher bereit sein, mehr zu zahlen. Aber auch hier ist nicht klar, wie sich dies auswirken wird oder ob eines dieser Länder als Folge der Erhöhung seiner Spenden einen größeren Einfluss auf globale gesundheitspolitische Entscheidungen erwarten kann.
Tiefgreifende Wirkungen
Die Mittel der WHO werden für eine Reihe von globalen Gesundheitsprojekten ausgegeben, die von Programmen zur Ausrottung der Kinderlähmung über die schnelle Reaktion auf gesundheitliche Notfälle, die Verbesserung des Zugangs zu Impfstoffen und Arzneimitteln bis hin zur Entwicklung von Strategien zur Pandemieprävention reichen. Der Wegfall der US-Finanzierung wird sich wahrscheinlich zumindest auf einige dieser Programme erheblich auswirken.
Es ist nicht klar, für welche Programme die Mittel gestrichen werden und wann sie betroffen sein werden. Die USA müssen ihre Mitgliedschaft mit einer Frist von zwölf Monaten kündigen, aber die freiwilligen Beiträge könnten schon vorher eingestellt werden.
Seit einigen Jahren verhandeln die WHO-Mitgliedstaaten über ein Pandemie-Abkommen, das die Zusammenarbeit bei der Vorbereitung auf künftige Pandemien verbessern soll. Das Abkommen sollte dieses Jahr abgeschlossen werden, allerdings werden diese Verhandlungen durch den Rückzug der USA gestört, sagt McKee. „Das wird Verwirrung darüber stiften, wie effektiv ein Abkommen sein und wie es aussehen wird“, sagt er.
Auch das Abkommen selbst werde ohne die USA als Unterzeichner nicht so wirkungsvoll sein, sagt der Epidemiologe Moss, der auch Mitglied eines WHO-Beratungsausschusses für Impfstoffe ist. Die USA würden sich nicht an die Standards für den Informationsaustausch halten, von denen andere Länder profitieren könnten, und hätten möglicherweise keinen Zugang zu wichtigen Gesundheitsinformationen aus anderen Mitgliedsländern. Die Weltgemeinschaft könnte auch die Ressourcen und das Fachwissen der USA verlieren. „Wenn ein wichtiges Land wie die Vereinigten Staaten nicht dabei ist, untergräbt das den Wert eines jeden Pandemieabkommens“, so Moss.
Kinderlähmung und Mpox auf dem Vormarsch?
McKee ist der Ansicht, dass sich der Verlust der Mittel auch auf die Bemühungen zur Ausrottung der Kinderlähmung und zur Kontrolle der Mpox-Ausbrüche in der Demokratischen Republik Kongo, Uganda und Burundi auswirken wird, wo weiterhin Hunderte von Fällen pro Woche gemeldet werden. Das Virus „hat das Potenzial, sich auszubreiten, auch in die USA“, betont er.
Moss ist besorgt über das Potenzial für Krankheitsausbrüche, die durch Impfungen vermeidbar wären. Robert F. Kennedy Jr., Trumps Wunschkandidat für die Leitung des Gesundheitsministeriums, ist ein prominenter Impfgegner. Daher macht sich Moss Sorgen über mögliche Änderungen der auf Impfungen basierenden Gesundheitspolitik in den USA. In Verbindung mit einer Schwächung der Fähigkeit der WHO, Ausbrüche zu kontrollieren, könne dies eine „doppelte Katastrophe“ sein, die zu Krankheitsausbrüchen in den USA führt. „Wir bereiten uns auf große Masernausbrüche in den Vereinigten Staaten vor“, sagt er.
Gleichzeitig sind die USA mit einer weiteren wachsenden Bedrohung für die öffentliche Gesundheit konfrontiert: die Verbreitung der Vogelgrippe in Geflügel- und Milchviehbetrieben. Nach Angaben der US-Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention sind in 51 Bundesstaaten Ausbrüche des H5N1-Virus in Geflügelfarmen zu verzeichnen, und das Virus wurde in 928 Milchviehherden in 16 Bundesstaaten nachgewiesen. In den USA wurden 67 Fälle beim Menschen gemeldet, und eine Person ist gestorben. Zwar gibt es noch keine Beweise dafür, dass sich das Virus von Mensch zu Mensch ausbreiten kann, doch die USA und andere Länder bereiten sich bereits auf mögliche Ausbrüche vor.
WHO ist Dreh- und Angelpunkt
Diese Vorbereitung setzt jedoch ein gründliches und klares Verständnis der Geschehnisse vor Ort voraus. Die WHO spielt eine wichtige Rolle bei der Weitergabe von Informationen: Die Länder melden erste Anzeichen von Ausbrüchen an die Agentur, die diese Informationen dann an ihre Mitglieder weitergibt. Diese Art von Informationen ermöglicht es den Ländern nicht nur, Strategien zur Eindämmung der Ausbreitung von Krankheiten zu entwickeln, sondern auch, genetische Sequenzen von Viren auszutauschen und Impfstoffe zu entwickeln. Die Mitgliedsländer müssen wissen, was in den USA passiert, und die USA müssen wissen, was weltweit passiert. „Beide Kommunikationskanäle würden dadurch behindert“, sagt Epidemiologe Moss.
Als ob all dies nicht schon genug wäre, würden die USA auch unter ihrem Ruf als führendes Land im Bereich der globalen öffentlichen Gesundheit leiden. „Indem sie der Welt sagen: ‚Eure Gesundheit ist uns egal‘, senden sie eine Botschaft, die wahrscheinlich einen schlechten Eindruck auf sie machen wird. Es ist eine klassische Lose-Lose-Situation“, sagt McKee. Moss ergänzt: „Es wird der globalen Gesundheit schaden und es wird sich bei uns rächen.“