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Analyse

Alles nur ausgedacht? So geriet Tesla-Rivale Lordstown Motors in eine schwere Krise

Das Investmentunternehmen Hindenburg Research fühlt börsennotierten Gesellschaften auf den Zahn. Das neueste Ziel: das US-Startup Lordstown Motors. Die Ergebnisse der Recherchen bringen personelle Konsequenzen und den Pickup-Produzenten in Schieflage.

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Bei der Entwicklung des elektrischen Trucks scheint dauerhaft die Bremse anzuliegen. (Foto: Lordstown Motors)

Ein Haufen Anschuldigungen und ein immer enger werdendes Marktumfeld machen dem US-Startup Lordstown Motors zu schaffen. Eine Investmentfirma hat aufgedeckt, dass es Investoren und Anleger getäuscht hat. Zusätzlich soll das Flaggschiff des Herstellers in spe viel weiter von der Serienreife entfernt sein als verkündet. Daraufhin verließen der Gründer und CEO Steve Burns sowie sein Finanz-Chef Julio Rodriguez ihre Posten. Auch die Gründer-Tochter Brittney Burns musste als Marketingchefin ihren Hut nehmen. Ihr Vater soll schon von seinem vorherigen Arbeitgeber aus ähnlichen Gründen gekündigt worden sein. Doch die Abgänge sind wohl nur die ersten Konsequenzen aus dem Skandal. Auch weitere Geschäftsvorgänge sprechen gegen eine positive Perspektive. Parallel sinken die Marktchancen für das einzige Produkt, den Pickup Endurance, ebenfalls.

Investmentfirma als Betrugsermittler

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Das Investmentunternehmen Hindenburg Research hat sich zur Aufgabe gemacht, börsennotierten Gesellschaften auf den Zahn zu fühlen. Findet es Fehlverhalten von Firmen, verdient es mit Wetten auf deren Niedergang Geld. Eine entsprechende Analyse über das Lkw-Startup Nikola machte letztes Jahr Furore: Der Gründer Trevor Milton habe ein Betrugssystem aufgebaut und Anleger geprellt. Nikola gab zu, dass man bei einer Präsentation einen Prototyp nur einen Berg herunterrollen ließ, weil er noch keinen funktionieren Antrieb besaß. Trevor musste gehen, quasi alle Partnerschaften mit anderen Konzernen platzten, die Pickup-Pläne wurden eingestellt, Nikola versucht, sich neu zu erfinden. Nun widmete sich Hindenburg dem Jungunternehmen Lordstown.

Den zentralen Vorwurf hat der ehemalige Tesla-Konkurrent schon zugegeben: Die Anzahl der Vorbestellungen für seine Fahrzeuge stimmten nicht. Die Börsenaufsicht untersucht zurzeit diesen Vorgang. Lordstown hat ursprünglich angegeben, 100.000 Reservierungen erhalten zu haben. Dazu Hindenburg: „Unsere Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern, Geschäftspartnern und eine umfassende Dokumentenprüfung zeigen, dass die Bestellungen des Unternehmens weitgehend fiktiv sind und als Stütze für die Kapitalbeschaffung und die Verleihung von Legitimität dienen.“ Viele der Bestellzahlen stammten von Briefkastenfirmen, Beratungsagenturen und Kleinbetrieben, die für ihre Bestellung von Lordstown Geld erhielten. Ganze Aufträge seien gefälscht worden. „Viele der angeblichen Kunden betreiben weder Flotten noch haben sie die Mittel, die angegebenen Käufe tatsächlich zu tätigen“, schreibt Hindenburg Research. Nach einer Prüfung widerspricht die neue Führung zwar Einzelheiten, gibt aber zu, dass unsichere Bestellungen eingeflossen seien. Viele sollen von „sogenannten Influencern“ stammen. Die hätten sich zu Vorbestellungen verpflichten lassen, ohne zu beabsichtigen, die Trucks auch zu kaufen.

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Ist der Endurance wirklich reif für die Serie?

Hindenburg führte zusätzlich aus, das Unternehmen sei drei oder vier Jahre von der Serienfertigung entfernt. Noch in diesem Januar seien Prototypen des Pickups Endurance nach zehn Minuten in Flammen aufgegangen, heißt es. Lordstown wollte eigentlich in diesem September mit der Massenproduktion des Geländewagens starten. Aktuell ist Auslieferungen Ende 2022 die Rede. Das Unternehmen ist nach dem Standort einer ehemaligen GM-Fabrik benannt, in der die Autos vom Band rollen sollten. Die Rede war von 5.000 Arbeitern, die 60.000 Fahrzeuge im Jahr zusammenbauen sollten. Lordstown hatte dafür sowohl saftige Fördergelder als auch über einen Spac-Börsengang Investorenmittel in Höhe von geschätzten 675 Millionen US-Dollar eingesammelt.

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Hindenburg erwähnte weitere Hinweise dafür, dass die Analysten an ein baldiges Ende des Projektes glauben. Zum einen hätten viele Führungskräfte nach dem Börsengang ihre Anteile sofort wieder verkauft. Zum anderen sei Trevor Milton bereits bei seinem vorherigen Arbeitgeber, dem Nutzfahrzeughersteller Workhorse, schon mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert gewesen. Im März berichtete zudem die Agentur AP, Lordstown Motors habe eine fällige Steuerschuld nicht bezahlt. Dabei handelte es sich um die Grundsteuer des Anwesens – rund 492.000 Euro. Lordstown gab bekannt, es habe sich um einen Verwaltungsfehler gehandelt und man werde umgehend die Schuld samt Strafzinsen von zehn Prozent begleichen.

Lordstown CEO Steve Burns (rechts) ließ sich von Ex-Präsident Donald Trump für die Pläne mit dem elektrischen Pickup Endurance (im Hintergrund) feiern. Heute sind beide nicht mehr im Amt. (Foto: Weißes Haus/Shealah Craighead)

Dicke Boni für geschasste Führungskräfte

Der letzte Quartalsbericht des krisengeschüttelten Unternehmens weist einen Verlust von 125 Millionen Dollar aus. Doch es scheint noch genug Rücklagen aus dem Millionen-Börsengang zu haben, um dem ehemaligen Chef eine saftige Abfindung von 750.000 Dollar zu bezahlen. Auch CFO Rodiguez erhält 200.000 Dollar. Dazu kommen Aktienoptionen. An denen werden die Inhaber nicht viel Freude haben, der Kurs fiel seit seinem 52-Wochen-Hoch auf ein Drittel – Tendenz weiter fallend. Becky Roof, eine Managerin von Alixpartners übernimmt den Posten des CFO. Die Beratungsfirma ist auf die Rettung instabiler Unternehmen spezialisiert. Zusammen mit Interims-CEO Angela Strand und Präsident Rich Schmidt strichen sie nun die vollmundigen Versprechungen von einem Van sowie einem Wohnmobil und konzentrieren sich ganz auf die Serienfertigung des Pickups. Das neue Führungstrio erwartet, dass von den 630 Millionen US-Dollar Anfang des Jahres am Ende nur rund 75 Millionen übrig bleiben werden.

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Die letzten Dokumente, die Lordstown bei der Börsenaufsicht SEC nachgereicht hat, zeichnen jedoch eine düstere Zukunft für den Endurance (eng. Ausdauer). Das neue Management gibt an, nicht die notwendigen Mittel für die Produktion des Autos zu besitzen. Zudem steht in Änderungen des SEC-Berichts, das Lordstown in einem Jahr möglicherweise nicht mehr als „fortgeführtes Unternehmen“ existiert. Diese Einschätzung liegt nicht fern: Wer will ihm jetzt noch bei den Produktionskosten unter die Arme greifen?! Für Hauptpartner GM war das Engagement nach Nikola schon das zweite unterstützte Elektroauto-Startup, das in die Hose geht. Auch von aus Investorkreisen lässt sich nach der Talfahrt wenig erwarten. Mehrere Anteilseigner haben Klage eingereicht.

Auch interessant: Schnapsidee Elektro-Pickup? Nein, davon profitiert die ganze Branche! 

Der Markt für E-Pickups und die Lordstown-Chancen

Abgesehen davon ist das Fahrzeug nicht mehr so konkurrenzfähig wie zuvor. Tesla hat für seinen Pickup Cybertruck bereits einen Kampfpreis von 40.000 Dollar ausgegeben und zuletzt weitreichende Verbesserungen versprochen. Auch Rivian hält an ambitionierten Pickup-Plänen zu einem ähnlichen Preis fest. Vor wenigen Wochen hat der vollelektrische Ford-F150 Furore gemacht: Er soll auch ab etwa 40.000 Dollar erhältlich sein und besitzt auf dem Papier beindruckende Daten. Der Lordstown-Pickup Endurance soll jedoch 52.500 Dollar kosten und besitzt kaum Alleinstellungsmerkmale. Weder seine Reichweite noch weitergehende Innovationen scheinen den hohen Preis zu rechtfertigen. Der Pickup-Markt ist sehr wichtig für die USA – und ein interessantes Versuchsfeld für die Elektromobilität. Ob der Endurance, falls er je herauskommen sollte, darin bestehen kann, steht in den Sternen.

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