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Nio ET7 im Test: Vollelektrische Luxuslimousine mit Luft nach oben

Der chinesische Luxusstromer Nio ET7 ist ein Supercomputer auf Rädern, offenbart im Test aber dennoch einige Schwächen.

Von Frank Feil
7 Min. Lesezeit
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Der ET7 ist das Flaggschiff von Nio – und mit 5,1 Metern fast so lang wie eine S‑Klasse. (Foto: Frank Feil)

Das chinesische Startup Nio zählt derzeit zweifellos zu den interessantesten und innovativsten Elektroautoherstellern am Markt. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an das erste Modell, das Nio in Deutschland auf den Markt bringt: den ET7.

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Es ist durchaus bemerkenswert und spiegelt zugleich das Selbstvertrauen der Chinesen wieder, dass man sich für das Deutschlanddebüt der Marke ausgerechnet für eine Luxuslimousine entschieden hat, die im günstigsten Fall knapp 82.000 Euro (75-kWh-Akku) und in der Maximalkonfiguration (100-kWh-Akku) sogar über 94.000 Euro kostet. Das Statement ist unmissverständlich: Nio ist eine Premiummarke und steht für Luxus. Man sieht sich in einer Liga mit Mercedes-Benz, Audi, BMW und Tesla. Daran soll erst gar kein Zweifel aufkommen.

Wir haben uns angeschaut, ob das dem ET7 im Alltag gelingt.

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Nio ET7: Vollausgestattet bis unters Dach

Während traditionelle Autohersteller ihre Kundschaft in der Regel mit günstigen Basispreisen in den Konfigurator locken, sodass einem dann beim Blick auf die Sonderausstattung die Tränen kommen, geht Nio einen anderen Weg. Der ET7 hat einen vergleichsweise hohen Einstiegspreis, aber dafür kommt die Limousine serienmäßig mit Vollausstattung daher – und Vollausstattung meint hier tatsächlich auch Vollausstattung.

Der 5,1 Meter lange und fast zwei Meter breite Luxusstromer hat jegliches Feature an Bord, das man sich vorstellen kann: ein Luftfahrwerk, das die Federung automatisch an die Straßenbedingungen anpasst, 33 Sensoreneinheiten (darunter Lidar) fürs autonome Fahren mit einem Datendurchsatz von acht Gigabit pro Sekunde, 23 Lautsprecher mit 1.000 Watt Ausgangsleistung und Dolby Atmos, 12,8-Zoll-Amoled-Center-Display, Head-up-Display, klimatisierte Massagesitze hinten und vorn, ein gigantisches Panoramadach, Ambientelicht mit 256 Farben – und für die Beduftung des Innenraums stehen gleich drei (!) Düfte zur Auswahl.

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Dem Zeitgeist entsprechend, setzt Nio beim Interieur auf nachhaltige Materialien, darunter den auf Rattan basierenden Nichtholzwerkstoff Karuun. In Kombination mit den Sitzbezügen aus Kunstleder entsteht so ein überaus edel anmutender Innenraum.

NIO ET7 im Test

Der Innenraum des Nio ET7 ist minimalistisch, wirkt aber dennoch edel und hochwertig. (Foto: Frank Feil)

Nio ET7: Battery-Swap und beeindruckende Performance, aber zu geringe Ladeleistung

Auch in puncto Elektromobilität kann der Nio ET7 überzeugen: Dank der aerodynamisch optimierten Karosserie erreicht die Limousine einen cW-Wert von nur 0,208. Dadurch schafft der ET7 mit der 75-Kilowattstunden-Batterie im WLTP-Testzyklus eine Reichweite von 445 Kilometern. Entscheidet man sich für die 100-Kilowattstunden-Batterie, sind sogar 580 Kilometer möglich.

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Aber nicht nur bei der Effizienz, sondern auch bei der Performance lässt Nio keinen Zweifel daran, dass man in der obersten Liga mitspielt: Die Systemleistung beträgt 480 Kilowatt (653 PS), das maximale Drehmoment liegt bei 850 Newtonmetern. Damit absolviert der 2,4 Tonnen schwere Luxusstromer den Sprint von 0 auf 100 km/h in 3,8 Sekunden. Zum Vergleich: Ein Mercedes-Benz EQE AMG 43 4Matic Plus, der mit ähnlicher Ausstattung knapp 20.000 bis 30.000 Euro mehr kostet, braucht 4,2 Sekunden.

Nicht so recht ins Bild passt dagegen die Ladeleistung. Maximal sind 130 Kilowatt möglich, in unserem Test kamen aber trotz Vorkonditionierung oft nur 100 Kilowatt an. Für einen Ladevorgang von 10 auf 80 Prozent SoC (State-of-Charge) muss man somit knapp 40 Minuten einplanen. Das ist für ein Elektroauto in diesem Preissegment im Jahr 2023 schlichtweg zu lang.

NIO ET7 im Test

Bei der Ladeleistung gewinnt der Nio ET7 leider keinen Blumentopf. (Foto: Frank Feil)

Fairerweise muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die geringe Ladeleistung vor allem darauf zurückzuführen ist, dass Nio den Fokus auf seine Batteriewechselstationen legt. An diesen erhält man innerhalb von fünf Minuten vollautomatisch einen vollen Akku. Klingt gut, aber da es bislang nur drei dieser Battery-Swap-Stationen in Deutschland gibt, bringt es einen im Alltag nicht so recht weiter. Immerhin: Perspektivisch sollen hierzulande 20 EnBW-Schnellladeparks mit Batteriewechselstationen von Nio ausgestattet werden.

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Wichtig zu wissen: Der Nio ET7 kann entweder abonniert oder gekauft werden. Beim Kauf hat man die Wahl, den Akku für monatlich 169 Euro (75 kWh) beziehungsweise 289 Euro (100 kWh) zu mieten oder für 12.000 Euro beziehungsweise 21.000 Euro zu kaufen. Entscheidet man sich für Letzteres, kann man die Battery-Swap-Stationen nicht nutzen.

Soweit die Theorie. Zeit für die Praxis.

Nio ET7: Viele Software-Features, wenig intuitive UI

Sobald man sich dem Nio ET7 nähert, fahren die Griffe aus und die Türen mit ihren rahmenlosen Fenstern öffnen sich ein Stück weit von selbst. Das ist überaus komfortabel, vor allem, da sich die Türen auch beim Aussteigen automatisch mit nur einem Klick öffnen lassen.

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Der Innenraum des Fahrzeugs ist geprägt von dem 12,8 Zoll großen Amoled-Center-Display sowie dem 10,2 Zoll großen HDR-Kombiinstrument. Und dann wäre da natürlich noch Nomi, ein KI-basierter Sprachassistent, der über dem Hauptdisplay thront und einem während der Fahrt permanent schöne Augen macht. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Alles in allem ist der ET7 unglaublich geräumig. Das Interieur ist minimalistisch gehalten, wirkt aber sehr edel. Man fühlt sich sofort wohl – und wenn Nio von einem „zweiten Zuhause“ spricht, ist das gar nicht so weit weg von der Realität.

NIO ET7 im Test

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NIO ET7 im Test

Der Nio ET7 bietet unglaublich viele Software-Features, allerdings ist das UI-Design etwas unintuitiv, weshalb sich viele Funktionen gerade während der Fahrt nur schwer bedienen lassen. (Foto: Frank Feil)

Physische Tasten gibt es so gut wie keine – und daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Letztendlich läuft die gesamte Steuerung des ET7 über das Amoled-Center-Display. Das Problem an der Sache: Die Software des Fahrzeugs ist so umfangreich und bietet derart viele Funktionen, dass anfangs sogar vermeintlich einfache Dinge zur Rätselaufgabe werden, etwa das Einschalten der Sitzheizung. Die Menüs haben teilweise mehrere Ebenen, und bis man sich darin zurechtfindet, dauert es eine ganze Weile. Intuitiv geht anders.

Hat man die Bedienlogik erst einmal verstanden, sind die Möglichkeiten allerdings grenzenlos: So gibt es beispielsweise einen Haustiermodus und einen Campingmodus, beides Dinge, die man selbst in einem Mercedes-Benz EQS für 150.000 Euro vergebens sucht. Oder eine Taste, für die die Besitzer:innen eines Porsche Taycans viel Geld bezahlen würden: „Batterie aufwärmen“. Selbst Lenkrad- und Sitzheizung können auf Wunsch intelligent gesteuert werden.

Nio ET7: Hohe Effizienz, ausbaufähige Assistenzsysteme

Erstaunt hat uns die Effizienz des Nio ET7. Obwohl das Fahrzeug riesig ist, lag unser Verbrauch abhängig von Fahrstil und Streckenprofil trotz teilweise winterlicher Temperaturen zwischen 19 und 21 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Reichweiten um die 500 Kilometer sind somit durchaus realistisch.

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Vom Fahrgefühl her ist die vollelektrische Limousine ein komfortabler Langstreckengleiter. Das Luftfahrwerk schluckt nahezu alle Unebenheiten, sodass man auch nach 700 Kilometern auf der Autobahn entspannt am Ziel ankommt. Zum Sportwagen wird der ET7 indes auch im Modus Sport Plus nicht. Es ist zwar beeindruckend, wenn 2,4 Tonnen innerhalb von 3,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen, aber sobald Kurven ins Spiel kommen, macht sich das Gewicht sofort bemerkbar. Die im Sportmodus abrufbare Leistung (0 auf 100 km/h in 5,9 Sekunden) hätte in dieser Fahrzeugkategorie vollkommen ausgereicht. Freilich passt es nicht zum Selbstverständnis der Chinesen, dass ihr Spitzenmodell dann nicht auf Augenhöhe mit Tesla gewesen wäre.

Enttäuscht waren wir derweil von den Assistenzsystemen: „Nio Aquila Super Sensing verfügt über 33 leistungsstarke Sensoreinheiten. Darunter ein hochauflösendes Lidar mit ultralanger Reichweite, sieben hochauflösende 8‑MP-Kameras, vier lichtempfindliche 3‑MP-Kameras, ein verbessertes Fahrerüberwachungssystem, fünf Millimeterwellenradare, zwölf Ultraschallsensoren, redundante hochpräzise Lokalisierungseinheiten und HOD. Es setzt neue Maßstäbe für Sensoriksysteme beim autonomen Fahren“ – so offensiv bewirbt Nio den ET7. Es gibt sogar eine eigene Microsite, die sich nur damit beschäftigt, wie unglaublich viel Rechenleistung in dem Auto steckt.

NIO ET7 im Test

Wenn man bedenkt, dass der Nio ET7 immerhin 5,1 Meter lang und zwei Meter breit ist, fällt der Kofferraum mit 370 Litern geradezu bescheiden aus. (Foto: Frank Feil)

Umso überraschter waren wir, dass die Assistenzsysteme in der Praxis eher mittelmäßig funktionieren. Immer wieder kommen grundlos irgendwelche Warnmeldungen oder das System greift in die Spurführung ein – und das nicht gerade sanft. Es dürfte potenziellen Käufer:innen nur schwer zu vermitteln sein, dass die Assistenzsysteme im ET7 stellenweise schlechter arbeiten als bei vier Jahre alten Fahrzeugen mit weitaus weniger Kameras und Sensoren. Bleibt zu hoffen, dass Nio diesbezüglich mit einem OTA-Update schnell nachbessert.

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Nio ET7: Aussichtsreiches Premium-Elektroauto mit viel ungenutztem Potenzial

Ein finales Fazit zum Nio ET7 zu ziehen ist derzeit noch schwierig.

Auf der einen Seite wartet die vollelektrische Luxuslimousine mit unglaublich viel Performance, Komfort und Technik auf. Die Software bietet allerlei Features, die man beim Großteil der Konkurrenz vergebens sucht – und mit rund 500 Kilometern Reichweite bei einem Verbrauch von knapp 20 Kilowattstunden pro 100 Kilometer ist der ET7 zudem überaus effizient. Auch die Battery-Swap-Stationen sind definitiv ein beachtliches Alleinstellungsmerkmal.

Auf der anderen Seite braucht gerade eine Software mit derart vielen Funktionen ein durchdachtes UI-Design – und daran hapert es beim ET7. Auch die schlechte Ladeleistung dürfte gerade für diejenigen, die viel auf der Langstrecke unterwegs sind, ein Manko sein. Denn bis es deutschlandweit Battery-Swap-Stationen gibt, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Bleiben noch die Assistenzsysteme, die derzeit eher wie eine Beta-Version als wie ein fertiges Produkt wirken – zumindest, wenn man berücksichtigt, wie viel Energie Nio im Marketing ins Thema autonomes Fahren steckt.

Das sind jedoch alles Dinge, die Nio in naher Zukunft mit einer Reihe von Software-Updates beheben dürfte. Sollte das gelingen, bekommt man gerade beim ET7 wirklich viel Auto fürs Geld.

Alles in allem macht das vergleichsweise noch recht junge chinesische E-Auto-Startup bereits sehr viel richtig – und könnte mittelfristig ein echter Rivale für die deutschen Premiumautobauer werden. Davor müssen die Chinesen aber erst noch ein paar Hausaufgaben erledigen.

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