Pixel C im Test: Das Android-Tablet, das auch ein Chrome-OS-Tablet hätte werden können
Pixel C: Warum kein Nexus-Tablet?
Google hatte für seine Android-Tablets bisher Hardwarepartner einbezogen, die mit ihrem Know-how das Beste in Sachen Preis/Leistung aus den Produkten herauszuholen versuchten. Die Resultate konnten sich zum Teil sehen lassen: Die beiden Nexus-7-Modelle aus den Jahren 2012 und 2013, die mit ASUS entstanden sind, waren unter anderem wegen ihrer geringen Preise, aber auch allgemein soliden Leistung erfolgreich.
Die beiden größeren Tablets der Nexus-Serie in Form des 2012er-Nexus-10, das in Kooperation mit Samsung entstanden war, und das mit HTC entwickelte Nexus 9 waren weniger erfolgreich. Insbesondere beim Nexus 9 gab es anfänglich Probleme mit der Hardwarequalität. Solche Scherereien und damit auch negative Publicity wollte man bei Google womöglich nicht mehr haben, weshalb man sich offenbar entschloss, das nächste Tablet komplett inhouse zu entwickeln: das Pixel C.
Pixel C: Design, Verarbeitung und Haptik – Minimalismus pur
In Sachen Ausstattung und Hardware entspricht es dem, was man von der Pixelreihe kennt, die bisher aber eigentlich nur Netbooks mit dem hauseigenen cloudbasierten Betriebssystem Chrome OS hervorgebracht hat. Das Pixel C besitzt daher eine erstklassige Verarbeitung. Das Unibody-Gehäuse aus Aluminium wirkt edel, das Display ist von oben eingelassen – Spaltmaße sind keine zu finden.
Die Rückseite des Android-Tablets ziert nur eine Acht-Megapixel-Kamera und eine bunte Lichtleiste in den Google-Farben Blau, Rot, Gelb und Rot, die den Akkustand per beherztem Doppeltapp anzeigen kann, wenn das Tablet sich im Standby befindet. Jedes der dann grün leuchtenden Elemente entspricht 25 Prozent Akkuleistung.
Das Tablet fühlt sich hochwertig an, ist mit seinen 517 Gramm aber kein Leichtgewicht. Zum Vergleich: Das iPad Air 2 mit seinem 9,7-Zoll-Display wiegt 444 Gramm und ist somit etwa 70 Gramm leichter. Außerdem ist das Pixel C etwas dicker, wodurch im Inneren aber auch mehr Platz für den Akku ist. Trotz des nicht geringen Gewichts kann man es dennoch eine Weile – beispielsweise für Präsentationen und Co. – gut in der Hand halten. Die metallene Rückseite ist leicht rutschig, dank des Rahmens um das Display herum lässt es sich aber sicher greifen.
Aber das Pixel C ist mehr als nur ein Tablet, denn als optionales Zubehör gibt es ein speziell angefertigtes Keyboard, das ohne mechanische Scharniere oder Klemmen magnetisch mit dem Tablet verbunden wird und das bombenfest sitzt. Mithilfe eines Scharniers ist allerdings der Winkel des Tablets verstellbar, um die ideale Arbeitsposition zu bekommen. Will man die Tablet-Keyboard-Kombo transportieren, legt man beide Elemente übereinander, schon haften sie magnetisch zusammen. Der Clou: Das Keyboard wird während des Transports automatisch per Induktion durch das Tablet aufgeladen.
Display, Ausstattung und Performance des Pixel C
Beim Display hat Google anstelle eines Bildverhältnisses von 16:10 wie beim Nexus 7 oder 4:3 wie beim Nexus 9 oder Apples iPads auf 1:√2 gesetzt, was dem Seitenverhältnis der DIN-Papiernorm entspricht. Ein großer Unterschied zum 4:3-Verhältnis ist im Grunde nicht bemerkbar. Das Seitenverhältnis dürfte sich ideal für einen Split-Screens eignen, um beispielsweise wie beim iPad Pro (zum Test) zwei Apps nebeneinander anzeigen zu können. Leider fehlt dem Pixel C aber diese Softwareeigenschaft.
Am 10,2-Zoll-Display des Pixel C ist nichts auszusetzen. (Foto: t3n)
Die Bildschirmauflösung des 10,2 Zoll in der Diagonale messenden LCD-Panels beträgt 2.560 x 1.800 Pixel und liefert eine Pixeldichte von ordentlichen 308 Pixel-pro-Zoll (ppi). Farbdarstellung und -brillanz sind optimal, auch die Helligkeit und Blickwinkelstabilität sind ohne Makel. Für ein LCD-Panel ist selbst der Schwarzwert gut, wenngleich das Schwarz eher ins tiefe Anthrazit geht, aber tiefe Schwarzwerte gibt es ohnehin nur bei AMOLED-Screens. Dennoch: Am Display gibt es nichts auszusetzen – besser geht es kaum.
Pixel C: Spezifikationen im Überblick
Weitere Details zum Pixel C bei Google.
Was die weitere Ausstattung angeht, hat Google, wie es sich für ein Gerät der Pixel-Reihe gehört, nur das Beste verbaut, außerdem feiert Nvidias Tegra-X1-Prozessor mit einem Maximaltakt von 1,9 Gigahertz in diesem Gerät seine Premiere. Der im 20-Nanometer-Verfahren gebaute 64-Bit-fähige Achtkern-Prozessor wurde schon im Januar 2015 angekündigt, ist bisher aber noch in keinem Smartphone oder Tablet verbaut worden. Unterstützt wird der Prozessor von drei Gigabyte DDR4-RAM und Nvidias schneller Maxwell-Grafikeinheit.
In Sachen Performance ist das Rechenpaket auf Höhe von Qualcomms Snapdragon-810-Octa-Core-Chips. Der Nvidia-Prozessor regelt allerdings nicht nach ressourcenintensiven Games herunter, wie es bei Qualcomms aktuellem High-End-Prozessor der Fall ist. Beim Nexus 6P (zum Test), in dem der Qualcomm-Chip verbaut ist, konnten wir dieses Phänomen beobachten, das aber letztlich kaum negative Auswirkungen auf die Gesamtperformance hatte. Das Pixel C wird auf der Rückseite oben links warm (aber nicht heiß), wenn man für eine Weile rechenintensive Games wie Lara Croft Go, oder Riptide GP2 spielt.
Was die von Google angegebene Akkulaufzeit von zehn Stunden anbelangt, scheint der Hersteller nicht zu viel versprochen zu haben. Denn der 9.000-Milliamperestunden-Akku hält bei Mischnutzung wie dem Abrufen von Mails, Twitter, Facebook und dem gelegentlichen Spiel und YouTube-Video tatsächlich lange durch. Sicher ist die Laufzeit vom individuellen Nutzungsszenario abhängig, sodass das Pixel C beispielsweise nach einer langen Gaming-Session früher an die Ladestation muss, bei „normaler“ Nutzung ist das erst nach ein paar Tagen nötig.
Das Pixel-C-Keyboard
Mit dem optional für 169 Euro erhältlichen 5,5 Millimeter hohen Bluetooth-Keyboard wird das Tablet zum kompakten Netbook. Die Tastatur ist genauso schlicht und hochwertig konzipiert wie das Tablet selbst und verfügt außerdem über sehr gute Tasten mit ordentlichem Druckpunkt und kurzem Hub von 1,4 Millimetern. Die Chicklet-Tastatur ist ohne Zweifel auf dem Niveau eines MacBooks der Surface 4 Pro (Test).
Was aber leider fehlt, ist eine Hintergrundbeleuchtung, mit der es sich auch unter schwierigen Lichtverhältnissen leichter tippen lässt. Positiv hervorzuheben ist die Möglichkeit, das Tablet im Winkel von 100 bis 135 Grad einzustellen, um so die ideale Position beim Arbeiten zu haben – es fühlt sich damit beinahe so an, als sitze man vor einem „echten“ kleinen Notebook.
Laut Google besitzt das Keyboard einen idealen Tastenabstand und das Layout einer Volltastatur. Das stimmt aber nicht ganz. Zwar sind die meisten Tasten tatsächlich so groß wie bei einem herkömmlichen Keyboard – Shift, Tab und ein paar Umlaute sind aber dem „Schrumpfstrahler“ zum Opfer gefallen, da nicht genug Platz auf dem 242 x 179 x 5,5 Millimeter großen Keyboard war. Daher ist es etwas gewöhnungsbedürftig, darauf zu schreiben, man bekommt aber schnell den Dreh raus.
Was neben der erwähnten Hintergrundbeleuchtung fehlt, ist ein Trackpad, mit dem man schneller navigieren kann. Zwar ist die Tastatur nicht sonderlich tief, sodass das Display problemlos erreicht werden kann, eine Dauerlösung ist das aber nicht, wie ich im Laufe des Tests feststellen musste.
Das Keyboard besitzt übrigens keine Anschlüsse. Das Aufladen erfolgt nicht über einen microUSB-Port, sondern per Induktion, indem man das Pixel C auf die Tastatur legt. Praktisch.
Pixel-C-Software: Android 6.0.1 Marshmallow enttäuscht
Das Pixel C ist mit der neuesten Android-Iteration ausgestattet. Android 6.0.1 Marshmallow liefert aber nur minimale Anpassungen für das Detachable, denn nur die Onscreen-Navigation wurde verändert: Anstelle einer zentralen Anordnung der Tasten, sind die Zurück- und Home-Taste nach rechts gewandert, der Recents-Button, mit dem man einen Blick auf die zuletzt geöffneten Apps und Browser-Tabs erhält, ist jetzt auf den linken Rand des Displays gewandert. Auf diese Weise ist die Bedienung des Tablets leichter, denn man muss seine Daumen nicht so stark verrenken, das war es dann aber auch fast. Ob die Tastaturkombination ALT + Tab, mit der man durch die zuletzt geöffneten Apps scrollen kann neu ist, lässt sich leider nicht verifizieren. Als praktisch erweist sich dieses Feature aber allemal.
Dass Google mit seinem Pixel C nicht weitere Optimierungen an der Android-Nutzeroberfläche vorgenommen hat, enttäuscht zutiefst, zumal man unter Android 6.0 Marshmallow mit einem Trick eine Multi-Window-Funktion aktivieren könnte, mit der sich mehrere Fenster gleichzeitg anzeigen lassen. Diese Funktion wäre ideal für das Pixel C – vor allem wenn man es als Produktivgerät nutzt, was es letztlich aufgrund seines Formfaktors und des Keyboard-Docks auch ist.
Android 6.0.1 Marshmallow auf dem Pixel C ist im Grunde nichts anderes als ein aufgeblasenes Smartphones-OS – und damit kann Google im Rennen um das beste Tablet-OS für den Produktiveinsatz keinen Blumentopf gewinnen. In diesem Sektor liegt vor allem Microsoft mit seinem Surface Pro 4, das auf einem ausgewachsenen Desktop-OS läuft, ganz vorne – gefolgt von Apples iPad Pro, das sowohl Multi-Window- als auch Stylus-Unterstützung (die bringt auch Microsofts Surface mit) bietet, mit der man das Tablet auch für handschriftliche Aufzeichnungen nutzen kann. So schön und performant das das Pixel C auch ist, hier fehlt es Android einfach an Funktionen.
Doch damit nicht genug, denn die Anzahl an Anwendungen, die für das 10,2-Zoll-Display optimiert sind, ist überschaubar. Viele Apps, selbst die der „großen“ Entwickler wie Facebook und Twitter, sind gestreckte Smartphone-Apps, die grausig aussehen. Googles Apps wie Gmail, Google+ stellen hier eine Ausnahme dar – YouTube wiederum wirkt mit seinem Weißraum auch wieder wie eine aufgeplusterte Smartphone-App. Hier muss Google noch gehörig nachholen. Es sei allerdings angemerkt, dass Google seit dem Android 3.0 Honeycomb ausgestattet war und primär für Tablets entwickelt wurde, keine erfolgreichen Fortschritte in Sachen Tablet-Optimierung erzielen konnte (und das seit 2011!). Das Ganze wirkt schon etwas skurill, zumal Google sein OS für viele Displaygrößen und Formfaktoren wie Uhren, Fernseher und sogar Autos ansehnlich angepasst hat.
Hinweise: Pixel C war ursprünglich als Chrome OS-Gerät geplant
Arstechnica-Redakteur Ron Amadeo ist dem Pixel-C-Mysterium auf den Grund gegangen und mutmaßt, dass das Tablet ursprünglich gar nicht für Android konzipiert, sondern als Chrome-OS-Gerät entwickelt worden sei. Neben der Tatsache, dass Hard- und Software nur mäßig aufeinander abgestimmt sind, deute auch der interne Codename „Ryu“ darauf hin. Im Juli 2014 habe ein solches Gerät in der Chrome-OS-Repository sein Stelldichein gegeben. Das Ryu sollte, so heißt es, die erste Chrome-OS-Hardware mit umfassendem Touchscreen-Interface werden, das als „Project Athena“ entwickelt, aber schließlich doch gecancelt wurde.
Zwischenzeitlich sollte das Ryu/Pixel C als Dual-Boot-Gerät fungieren, auf dem Android und Chrome OS gleichermaßen laufen, und gewissermaßen als Vorbote des Android 6.0 Marshmallow zu enthüllen. Das Ganze wirkt ein wenig wie eine Kurzschlusshandlung, wenngleich die Hardware toll ist und Android 6.0 mit erwähnten Ausnahmen darauf durchaus funktioniert.
Das Pixel-Team hat schon angekündigt, dass es an weiteren Funktionen arbeitet, die dem Tablet mit kommenden Updates verabreicht werden sollen. Auch die Split-Screen-Window-Funktion soll kommen, es klingt aber danach, als dass wir darauf bis Android N, der nächsten große Android-Iteration warten dürfen. Es ist außerdem zu hoffen, dass der Sprachbefehl „Ok Google“ bald auch im Standby funktioniert, wie es bei Android-Smartphones der Fall ist. Warum Google diese Funktion nicht integriert hat, ist unklar. Außerdem ist wünschenswert, dass auch die Doubletap-to-Wake-Funktion nachgereicht wird – diese war beispielsweise beim Nexus 9 vorhanden.
Fazit: Gutes Android-Tablet, das eigentlich ein Chrome-OS-Detachable hätte sein sollen
Lässt man die wenigen Anpassungen von Android 6.0 Marshmallow für das Pixel C außen vor und betrachtet ausschließlich die Hardware, hat Google ein tolles Tablet auf die Beine gestellt, mit dem dank des optionalen Keyboards auch das Schreiben längerer Texte Spaß macht. Außerdem kann man sich der langen Akkulaufzeit und Zukunftstauglichkeit des Tablets erfreuen, schließlich ist Google bekannt dafür, zeitnahe Updates zu liefern – und mit Android „N“ wird es den Versprechungen Googles nach noch mal viel besser. Das wird aber wohl erst in der zweiten Jahreshälfte 2016 der Fall sein, wenn Google sich an seinen Update-Fahrplan der letzten Jahre hält.
Dass Google sein erfolgreiches mobiles OS aber immer noch nicht für Tablets mit Displaydiagonalen von neun Zoll und größer optimiert hat, ist eine enttäuschende Angelegenheit. Hier hätte das Unternehmen schon vor Jahren reagieren müssen. Sicherlich funktioniert Android 6.0 Marshmallow auf dem Pixel C tadellos, an vielen Stellen ginge es aber mit Sicherheit besser – vor allem fehlen Features, die aus dem Gerät ein echtes Produktivgerät machen. Das Potenzial und das Wissen ist bei Google vorhanden, es fehlt nur an der Umsetzung.
Pro:
- Tolle Verarbeitung
- Top Performance
- Super Display
Kontra:
- relativ schwer
- Android wenig optimiert
- zu wenig optimierte Apps für große Tablets
Danke für den tollen Test-Bericht Andreas. Da möchte ich das Pixel C tatsächlich sofort kaufen :)
Kann man das Tablett eigentlich wirklich (so wie auf dem zweitem und drittem Bild zu sehen) auf die Tastatur legen, oder rutscht das weg? Denn diese Lage ist mir beim swipen lieber.
Danke :)
Guter Artikel! Die dezentrale Platzierung der Nav-Buttons ist Bestandteil von Android 6.0.1 und somit jetzt auch auf dem Nexus 7 2013 und Nexus 9 so. Der App Switcher ist schon seit mindestens Ice Cream Sandwitch per Alt+Tab erreichbar, wenn eine physische Tastatur abgeschlossen ist – auch auf Telefonen.
Danke für die Blumen und die Info! Das mit dem Appswitcher ist mir neu – wieder was gelernt. Die dezentrale Platzierung der Buttons ist beim Nexus 7 (2013) nicht zu finden. Habe das Gerät schon mit 6.0.1 ausgestattet, daher bin ich mir da sicher.
Ich hoffe immernoch darauf, dass die nächste Android-Version wieder etwas mehr Liebe in die Tablet-Entwicklung steckt.
In Android 4.2 haben sie die Tablet-UI gekickt, und durch die universelle Andriod-UI ersetzt. Da gab es quasi eine „Taskleiste“ und die drei Buttons waren alle unten links, die UHR und Notification-Center unten rechts, beides leicht mit den Daumen bedienbar. Samsung hatte da sogar eine echte Taskleiste, mit der man laufende Apps „anpinnen“ konnte. Zusammen mit Multiwindow konnte man da halbwegs Produktiv mit arbeiten :)
Ich hoffe ja dass solche Features in der nächsten Android-Version offiziell kommen
Ein Trackpad und Chrome OS hätten das Pixel C zum 2in1-Killer machen können. Trotzdem ein interessantes und mutiges Gerät von Google mit neuen Ansätzen, wie z.B. dem DIN-Format und der magnetischen Arretierung.