Recruiting: Bewertet Fähigkeiten, nicht Zeugnisse!
Noch immer werden Bewerber:innen mit traditionellen Qualifikationen bevorzugt. Klar, ein guter Studienabschluss von einer renommierten Universität oder ein beeindruckender Lebenslauf mit Stationen bei namhaften Unternehmen zeigen, dass ein:e Kandidat:in bereits überzeugt hat. Dieser privilegierte Blickwinkel kann jedoch dazu führen, dass eigentlich qualifizierte Kandidat:innen übergangen werden, denen der Zugang zu diesen Möglichkeiten verwehrt blieb.
Ähnlich geht es dann im Vorstellungsgespräch weiter: Statt über ihre tatsächliche Eignung für die Stelle zu sprechen, ist für Bewerber:innen die Vorgehensweise und Zielsetzung des Recruitings oft undurchschaubar. Viele fühlen sich eher wie in einem Gedächtnisspiel, bei dem es nur darum geht, sich möglichst viele Details zu merken. Dabei sollte ein Vorstellungsgespräch eigentlich die Chance sein, die tatsächlichen Fähigkeiten und Kompetenzen eines:r Bewerber:in zu bewerten.
Deshalb ist es an der Zeit, neue Ansätze zu entwickeln und praktische Tipps und Tools des Skill-based Recruiting zu nutzen.
Recruiting ist ein Teamsport
Ein erfolgreicher Einstellungsprozess erfordert nicht nur, dass man als Arbeitgeber:in die Fähigkeiten und Kompetenzen der Bewerber:innen beurteilt. Die Bewerber:innen sollten auch die Möglichkeit haben, das Unternehmen und die Stelle zu bewerten.
Ein kollaborativer Recruiting-Prozess, in dem mehrere Perspektiven einbezogen werden, schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Den Recruitingprozess übernimmt dabei ein Team, bestehend aus Personen mit verschiedenen Rollen und unterschiedlichen Aufgaben. Diese Gruppe kann sich ein vollständigeres und unvoreingenommeneres Bild von Kandidat:innen verschaffen. Sie kennen die Aufgaben der ausgeschriebenen Stelle aus erster Hand und können sich auf Augenhöhe dazu austauschen. Außerdem wird sofort deutlich, ob die Chemie mit dem Team stimmt oder nicht. Das gilt ebenso für die Kandidat:innen und das Unternehmen selbst.
Im Einstellungsteam sollte die größtmögliche Transparenz herrschen. Alle Beteiligten im Einstellungsprozess müssen dafür alle notwendigen Informationen verfügbar haben, einschließlich der Bewertungen und Notizen zu den einzelnen Gesprächen und Interaktionen. Über die Einstellung entschieden wird am Ende idealerweise ebenfalls gemeinsam.
Bewerbungsgespräch: Skill-Show statt Memory-Contest
Wenn das Team steht, stellt sich die Frage, wie der Prozess selbst gestaltet sein sollte. Das Ziel des Skill-based Recruiting ist eine Kombination aus fähigkeits- und kompetenzbasiertem Einstellungsansatz. Fähigkeiten sind der Werkzeugkasten von Wissen, Erfahrung und Erfolgsbilanz einer Person. Kompetenzen sind die Art und Weise, wie jemand diesen Werkzeugkasten in der Praxis einsetzt und neue Fähigkeiten erwirbt.
Dabei muss bedacht werden, dass frühere Erfahrungen keine Garantie für künftigen Erfolg in einer neuen Umgebung sind. Die Kompetenzen einer Person sind manchmal viel interessanter als eine bestimmte Erfolgsbilanz.
Kandidat:innen müssen also dahingehend geprüft werden, indem ihnen die Themen und Fragen, die im Vorstellungsgespräch behandelt werden, im Voraus mitgeteilt werden. So können sich die Bewerber:innen richtig vorbereiten und ihre echten Kompetenzen unter Beweis stellen.
Kandidat:innen, die sich für dieselbe Stelle bewerben, erhalten natürlich die gleichen Fragen und Themen, um ein faires Ergebnis zu gewährleisten. Außerdem zwingt dies den:die Hiring-Manager:in dazu, strukturierte Gespräche zu führen, was für den Einstellungserfolg von größter Bedeutung ist. Die Personalbeschaffung wird oft als transaktional angesehen, aber es handelt sich um eine Funktion mit wachsender Komplexität.
Strategische „Talent-Acquisition“ repräsentiert nicht weniger als die Zukunft des Unternehmens – sie holt die Talente, Innovatoren und Führungskräfte von Morgen in das Unternehmen.
Papier ist geduldig
In einer Welt, in der spezifische Fähigkeiten und sich immer schneller wandelnde technologische Kompetenzen immer wichtiger werden, greifen traditionelle Qualifikationen und Lebensläufe zu kurz. Diese etablierten Wertmaßstäbe können zwar ein nützlicher Ausgangspunkt für die Suche nach Kandidat:innen sein, jedoch gibt es einige offensichtliche Schwächen in diesem System. Ein Lebenslauf kann Informationen über die Ausbildung und die Arbeitserfahrung liefern, aber es gibt einige Dinge, die er nicht abbildet, wie beispielsweise die Persönlichkeit, die Soft Skills und das Potenzial, das ein:e Kandidat:in mitbringt.
Fähigkeiten und Erfahrungen eines:r Kandidat:in in Bezug auf spezifische Aufgaben und Probleme der Arbeitswelt finden sich dort genauso wenig. Jemand kann viele Jahre Erfahrung in einer bestimmten Branche haben, aber wenn er oder sie nicht über die erforderlichen Fähigkeiten oder Kenntnisse für eine bestimmte Position verfügt, ist diese Erfahrung möglicherweise nicht relevant.
Ein wichtiger Aspekt bei der Umsetzung von Skill-based Recruiting ist also die Verwendung von Arbeitsproben, Tests und Simulationen, um die Fähigkeiten der Kandidat:innen zu messen. Arbeitsproben können beispielsweise die Durchführung von Projekten oder die Erstellung von Aufgaben umfassen, die in der ausgeschriebenen Position üblich sind. Mit Online-Tests kann das Wissen in einem bestimmten Fachgebiet getestet werden. Simulationen dienen dazu, zu überprüfen, wie gut jemand in bestimmten Situationen reagieren kann.
Kompetenz schlägt Kontakte
Ein weiterer Vorteil von Skill-based Recruiting ist die größere Vielfalt an Bewerber:innen, die damit erreicht werden kann. Traditionelle Recruiting-Methoden tendieren dazu, bestimmte Gruppen zu bevorzugen, wie zum Beispiel Bewerber:innen mit einem Ivy-League-Abschluss oder jene, die bereits in der Branche gearbeitet haben. Skill-based Recruiting hingegen ermöglicht es, Menschen unabhängig von ihrem Bildungshintergrund oder ihrer Arbeitserfahrung zu berücksichtigen, solange sie die erforderlichen Fähigkeiten besitzen.
Gleichzeitig kann der Ansatz sehr viel effizienter als herkömmliche Methoden sein. Indem man sich auf die spezifischen Fähigkeiten konzentriert, die für die Stelle relevant sind, wird die Anzahl der Kandidat:innen reduziert, die nicht den Anforderungen entsprechen. Dies spart Zeit und Mühe bei der Bewertung von Bewerbungen.
Fazit
Skill-based Recruiting ist eine vielversprechende Möglichkeit, um bessere Talente auszuwählen und eine höhere Diversität in der Belegschaft zu fördern. Unternehmen, die Skill-based Recruiting in ihre Einstellungspraktiken integrieren, können von einer effizienteren und faireren Bewerber:innenauswahl profitieren.
Es ist wichtig, dass Unternehmen ihre Methoden und Tools kontinuierlich verbessern und sicherstellen, dass sie fair und zuverlässig sind. Nur so können sie die bestmöglichen Talente finden und den Anforderungen des sich schnell verändernden Arbeitsmarkts gerecht werden. Um erfolgreich zu sein, sollten Unternehmen klare Kriterien für die erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen festlegen und geeignete Methoden und Tools zur Bewertung dieser Fähigkeiten verwenden.