„Wir dürfen uns unseren Standort, unsere Konzernzentrale nicht von Tesla in Grünheide kaputtmachen lassen!“ Diese Worte stammen aus der elfseitigen Rede des CEO von Volkswagen, die er auf einer internen Versammlung am Donnerstag gehalten hat. Jetzt veröffentlichte Herbert Diess das Manuskript auf Linkedin. Er hatte eine USA-Reise abgebrochen, nachdem die Betriebsratschefin Daniela Cavallo im Aufsichtsrat gegen ihn einen Misstrauensantrag gestellt hatte. Diess hatte prophezeit, 30.000 VWler verlören ihre Jobs, wenn nicht effizienter gearbeitet werde. Cavallo warf dem CEO vor versammelter Belegschaft im Stammwerk Wolfsburg vor, die Angestellten mit seinen Aussagen zu verunsichern. Die seien schließlich nicht schuld an der Misere, sondern die Lieferkette. Sie sagte: „Was man da gerade erlebt, ist ein Armutszeugnis für einen Weltkonzern. Und es ist die Verantwortung von ihnen, sehr verehrte Konzernvorstände!“ Diess antwortete ausgiebig und wortreich.
Diess: VW für die neue Ära gut aufgestellt
Der VW-Chef betonte zunächst die Vorteile, schon vor sechs Jahren mit dem Konzept „New Auto“ auf Elektromobilität umgeschwenkt zu haben. VW sei besser aufgestellt als die meisten Wettbewerber. Der Marktanteil in der EU liege bei 26 Prozent. In den USA stehe man auf Platz 2. Auf der anderen Seite setze sich der Golf gegen die gesamte Konkurrenz in der Kompaktklasse durch. „Die Auftragsbücher sind voll: 118.000 Bestellungen liegen für den Golf vor.“ Man habe schon alle Autos verkauft, die bis März 2022 vom Band laufen. Das Problem: die Halbleiter-Krise. Es herrscht Kurzarbeit und ein Produktionsverlust bei der Marke Volkswagen von 27 Prozent, bei Skoda sind es 32 Prozent.
Halbleiter-Krise: Einige schaffen es besser, Opel schließt Werk
„Beim Meistern der Halbleiterkrise liegen wie im Mittelfeld“, sagt Diess zu der Runde. Tesla und BMW arbeiteten schon länger enger mit den Herstellern zusammen und hätten daher Vorteile. Andere treffe es härter, etwa Ford, GM oder Stellantis. Opel schließe zum Jahresende das Werk in Eisenach. Bei VW arbeite man daran, die Fabriken besser auszulasten. Beobachter sagen, dass zurzeit die Premiummarken bei der Zuteilung bevorteilt werden, weil deren Modelle höhere Margen einstreichen. Diess prognostiziert: „Die Versorgung wird besser, aber wir werden nicht jedes Auto bauen können.“
Tesla, immer wieder Tesla
Diess erklärt seine immer wiederkehrenden Tesla-Vergleiche mit einer neuen Marktsituation in der „Neuen Welt“. Den Konzern erwarte ein Wettbewerb, „den Volkswagen so noch nie erlebt hat“. Er betont die Vorteile in Sachen Software und wie VW mit Cariad dagegenhalten will. Und er spricht wieder über Effizienz: In Brandenburg plane Tesla, in einer Linie 90 Einheiten pro Stunde zu bauen. Das seien zehn Stunden pro Auto. VW liege in Zwickau bei über 30 Stunden. Im nächsten Jahr wolle man 20 Stunden schaffen. „Selbst, wenn ich nicht über Elon Musk spreche: Er bleibt da und revolutioniert unsere Industrie und wird immer wettbewerbsfähiger.“ Diess betont, das Model 3 sei im September das meistverkaufte Auto in Europa gewesen – obwohl Tesla das Auto importieren müsse. „Tesla ist heute Benchmark“, sagt Diess.
Diess warnt vor Apple und Konkurrenz aus China
Starke Startups drängten auch in China nach. Diess habe mit VW-Markenchef Ralf Brandstätter einige Autos getestet. Das Fazit: „Wir müssen gestehen: Sie sind richtig gut.“ Zudem kommen neue Wettbewerber aus dem Technologiesektor. Diess nennt Apple, Google und Foxconn. „Sie sehen enorme Wachstumschancen und wollen uns Marktanteile abnehmen“, warnt der 63-Jährige das Plenum.
Eine Hoffnung namens Trinity
Die große Chance für VW heiße Trinity. VW wolle das autonome Fahren auf Level 4 damit zum Mainstream machen. Neben der neuen Autoplattform steht das Wort jedoch auch für schnellere Produktionszeiten und effizientere Arbeitsformen. Bei alledem soll der Standort Wolfsburg die Hauptrolle spielen. „Benchmark für viele unserer Wettbewerber soll Wolfsburg werden.“ Diess betont: Am Ende entscheiden die Kunden, ob sie ein Auto aus Wolfsburg oder eines aus Brandenburg kaufen. Trotz der Krisen sei man fast auf dem Niveau von 2019. „Der nächste Golf darf kein Tesla sein. Der nächste Golf darf nicht aus China kommen. Die nächste Ikone muss wieder ein Wolfsburger sein. Trinity!“, feuerte er die Belegschaft an.