Nio bleibt auf Expansionskurs: Nach dem Start in Norwegen ist nun Deutschland dran. Dazu hat der chinesische E-Auto-Pionier nun die ersten Vertreter der Oberklasse-Limousine ET7 ausgeliefert. Das Modell soll nach den ersten Verkäufen in China Ende März demnächst hierzulande für Umsatz sorgen. Im letzten Quartal des Jahres will Nio den deutschen Markt damit aufmischen und mit dem Power-Swap-System ein Wechselakkusystem einführen. Bis dahin sucht man Standorte und Kunden.
100 Jahre alte Idee: E-Autos mit Wechselakkus
Die Idee war eigentlich schon im Museum gelandet: Ein gewisser Thomas Edison wollte bereits ein Netzwerk aus Akku-Wechselstationen für E-Taxis aufbauen. Genau, der Edison, der die Glühbirne erfunden hat. Das war vor mehr als 100 Jahren. 1914 stellte Edison seine Arbeiten am Elektroauto und dem Wechselsystem ein, weil sein Partner Henry Ford lieber auf das viel günstigere und bequemere Benzin setzte. Das erzählt das Magazin Edison und führt ein weiteres Beispiel für ein gescheitertes Wechsel-Netzwerk auf: Better Place. Das Unternehmen ging 2013 an den Akkukosten pleite.
Nio: 860 Swap-Stationen
2014 ging Nio an den Start und ließ das Wechselsystem wieder aufleben. Im Gegensatz zu Better Place setzte das Unternehmen aber auf attraktive Elektroautos mit bis zu 1.000 Kilometern Reichweite. Die Renault-Fahrzeuge von Better Place hatten gerade einmal 20-Kilowattstunden-Batterien und mussten nach 150 Kilometern an eine der rar gesäten Stationen. Nio hat hingegen nach eigenen Angaben 860 „Power Swap Stations“ aufgebaut. 7,6 Millionen vollautomatische Batteriewechsel seien bereits absolviert worden, heißt es. 80 Prozent der Käufer oder Leasingnehmer mieten lieber den Stromspeicher, statt ihn zu kaufen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Kaum Leistungseinbußen wegen Verschleiß, immer frische Chemie und bei Bedarf auch teurere Hochleistungsakkus für den Urlaub. Die Nio-Fahrzeuge kann man allerdings auch regulär laden – es dauert nur länger.
Erste Station in Europa läuft, Deutschland im Visier
Nio erklärt, eine Station könne rund 162 Wechsel am Tag bewerkstelligen. Der erste europäische Vertreter steht bei Oslo und lud kürzlich Redakteure zum Test ein. Die vom Spiegel waren beeindruckt: Der Wechsel des Akkus eines ES8-SUV dauerte unter vier Minuten. Franz Rother von Edison bemerkt, dass der Wagen ebenfalls autonom in die Ladestation hinein- und wieder herausfährt. Der Fahrer müsse weder aussteigen noch in der engen Halle navigieren. Nach einer kurzen Überprüfung ist der Spuk zu Ende und es kann weitergehen, Rother stoppte 5:20 Minuten für den Vorgang. 19 weitere Standorte sucht das Unternehmen zurzeit. Der Europachef von Nio verriet, die ersten deutschen Power-Swap-Stationen entstehen in München und Berlin. Zuletzt gab der Hersteller eine neue Batteriechemie bekannt, die sich noch besser für das System eignen soll. Nach einer Kooperation mit Shell erwarten Beobachter Wechselstationen auf Tankstellen-Grundstücken.
Deutschlandstart für ET7 noch 2022
Letzten Herbst hat Nio auf der IAA die Limousine ET7 für den deutschen Markt gezeigt. Der Red-Dot-Gewinner erhält in der europäischen Version Dutzende von Sicherheits- und Assistenzsystemen. Das „halbautonome“ Fahrsystem setzt auf Lidar, hochauflösende Kameras, Radar und Ultraschallsensoren. Nun sind auch weitere Pläne bekannt geworden: Das zweite Modell in Deutschland soll die Kompaktlimousine ET5 darstellen, die als Model-3-Herausforderer konzipiert ist. Das in Norwegen gestartete SUV ES8 ist zunächst nicht für den deutschen Markt vorgesehen. Stattdessen hat Nio bereits eine Einsteiger-Submarke angekündigt, die günstigere E-Autos herstellen und vertreiben soll.