Amazon: Wie FBA-Händler im Weihnachtsgeschäft nicht zum Kollateralschaden werden
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie allerdings ist dieser Traum ausgeträumt. Marktplatzpartner stellten fest, dass Amazon in diesem Modell Entscheidungen treffen kann, gegen die sich der einzelne Anbieter nicht wirklich wehren kann. Produkte, die Amazon in der Pandemie für nicht lebensnotwendig erachtete, wurden schlichtweg nicht mehr angenommen. Dabei hätte es auf dem Marktplatz vielleicht sogar eine Nachfrage dafür gegeben.
Obwohl Amazon auch 2021 wieder immens in den Ausbau der eigenen Logistikkapazitäten investiert hat, deutet sich jetzt schon an, dass es vor dem Weihnachtsgeschäft erneut zu Logistikengpässen kommen könnte. Wieder könnte Amazon Spielregeln nach eigenem Gusto vorgeben. Und einige FBA-Händler könnten dann in ihrer Hauptumsatzzeit auf Amazon nicht das Geschäft realisieren, das sie eigentlich realisieren könnten, weil ihnen Logistikkapazitäten nicht zur Verfügung gestellt werden oder die Services preislich so unvorteilhaft gestaltet werden, dass sich die Abwicklung über FBA nicht mehr rechnet. Die kontinuierlich zunehmenden Regeln und Vorschriften von Amazon führen laut eines aktuellen DVZ-Berichts schon jetzt dazu, dass einzelne Speditionen ihre Spediteure von der Zustellpflicht bei Amazon befreien.
Zusätzlich beginnt Amazon bereits jetzt im Vorgriff auf die Peak-Saison verstärkt damit, Reichweiten von Beständen zu hinterfragen und zu optimieren. Das führt dazu, dass Ware ohne vorherige Information unstrukturiert zurückgeschickt wird, sodass sie vom Lieferanten auch nicht einfach wieder vereinnahmt werden kann.
Wer in die Situation gerät, dass das eigene Sortiment von Amazon in der Warenannahme gesperrt wird, sollte vorbereitet sein und einen Plan B bereithalten. Prinzipiell gibt es zwei Wege, die Logistik außerhalb von Amazon zu realisieren:
a) Die Händler organisieren sie selbst in einem bestehenden Lager-Setup oder in einem Lager-Setup, das man selbst entwickelt.
b) Händler suchen sich einen Logistikdienstleister, der die Abwicklung für sie übernimmt.
Egal, für welche Lösung man sich entscheidet – angesichts des nahenden Weihnachtsgeschäfts stehen die Unternehmen in jedem Fall vor einer sportlichen Aufgabenstellung. Doch komplett zu spät ist es noch nicht.
Fulfillment-Dienstleister: Wegen Reichtum geschlossen?
Wer auf Outsourcing setzen will, sollte sich bewusst sein: Bei den Fulfillment-Dienstleistern ist die Auftragslage aktuell so prächtig, dass sie sich ihre Kunden mehr oder weniger aussuchen können. Händler, die einen Fulfillment-Dienstleister suchen, dürfen sich derzeit nicht wundern, wenn auf die eigene Anfrage nie ein Angebot eingeht.
Interessant für die Fulfillment-Anbieter sind vornehmlich Partner, die ein möglichst planbares Geschäft mitbringen, viel Drehung auf wenige Artikel vorweisen können und Standardartikel verkaufen, die von ihrer Grundkonsistenz her versandfähig sind. Gefahrgüter oder zerbrechliche Ware stoßen in den Logistikzentren hingegen auf weniger Gegenliebe.
Damit Dienstleister ohne zusätzlichen Klärungsaufwand schnell ihr Angebot abgeben können, sollten Händler ihre Anfrage möglichst strukturiert aufsetzen und alle relevanten Aspekte des Geschäftes gleich im ersten Wurf adressieren. So stellen sie auch sicher, dass sie von den Dienstleistern hinterher auch vergleichbare Angebote erhalten. Denn viel Zeit für die Auswahl bleibt nicht mehr. Schließlich dauert es von der Ausschreibung bis zur Umsetzung der Kooperation üblicherweise mindestens drei Monate. Also ist ein angestrebter Wechsel für 2021 bereits ein Sonderfall – und hierzu sind die bereitwillige Kooperation und das Interesse des Dienstleisters an diesem Neugeschäft erforderlich. Dann lassen sich neue Projekte auch sehr kurzfristig, innerhalb weniger Wochen onboarden.
Die Gretchenfrage dabei ist meist nicht die physische Logistik, sondern die Kompetenz der IT-Anbindung. Strukturierte Daten aus Standardsystemen auf Seiten der Händler zur Auftrags- und Bestandsübermittlung an den Dienstleister sind hierbei von erheblichem Vorteil.
B2C-Logistik nicht mit der B2B-Logistik mischen
Alternative zum Outsourcing ist die Eigenerbringung. Hier bleibt der Händler auf dem Fahrersitz und kann selbst entscheiden, wie viel Energie und Ressourcen er in das Thema Logistik investieren will. Wer im eigenen Unternehmen schon eine B2B-Logistik betreibt, ist für einen schnellen Schritt oft gut beraten, nicht die bestehende Struktur und Organisation auf B2C anzupassen, sondern für die B2C-Logistik eine eigene Lagerorganisation mit eigenem Warenwirtschaftssystem aufzubauen. Denn in der Regel ist die B2B-Logistik nicht in der Lage, die Kleinteiligkeit und Geschwindigkeit einer B2C-Logistik für Amazon abzubilden. Viele Lagersysteme sind zudem nicht auf Einzelstück ausgelegt, sondern auf Verpackungseinheiten, Umkartons und Paletten.
Wer bislang noch keine Endkundenlogistik abwickelt, muss zunächst die dafür notwendige Lagerfläche organisieren. Eine Fallback-Lösung könnte sein, sich irgendwo einzumieten oder notfalls eine flexible Logistik aus der Garage heraus zu initiieren.
Wer bereits eine Profilogistik für einen eigenen Webshop betreibt, das Marktgeschäft aber aus Kapazitätsgründen heraus outgesourct hat, muss entweder schnell zusätzliche Kapazitäten aufbauen oder die Priorisierung zulasten des eigenen Onlineshops in Richtung Amazon verändern. Denn wenn Ware auf dem Amazon-Marktplatz nicht mehr verfügbar ist, überlässt man nicht nur seinen Marktbegleitern die Chance, den Artikel zu verkaufen, sondern fällt auch im Ranking zurück, da Artikel ohne Bestand zu Minuspunkten in der Listungslogik führen, die so schnell auch nicht wieder aufzuholen sind. Im Zweifel reduzieren Händler hier lieber die Auftragsabwicklung im eigenen Webshop.
Problem erkannt, Problem gebannt
Der erste Schritt für ein weitgehend reibungsloses Weihnachtsgeschäft ist es, sich damit auseinanderzusetzen, dass es zu Problemen kommen könnte, an denen man selbst im ersten Schritt nicht schuld ist. Unternehmen müssen sich bewusst machen, dass Amazon im Bestreben, den großen Gesamtapparat am Laufen zu halten, manchmal Kollateralschäden akzeptieren muss. Denn der potenzielle Zulauf an Unternehmen, die auf Amazon verkaufen wollen, ist noch immer ungebremst. Wo ein Händler wegfällt, kommt stets ein neuer nach. Damit aus einem Kollateralschaden bei Amazon keine Insolvenz des eigenen Unternehmens wird, müssen sich Marktplatzhändler vorbereiten. Die schlechte Nachricht: Die Uhr steht auf fünf vor zwölf. Die gute Nachricht: Es ist also noch nicht zu spät.