
Weiter keine Gewerkschaft bei Amazon. (Foto: dpa)
Seit Februar hatten Mitarbeiter des Amazon-Logistikzentrums in Bessemer im US-Bundesstaat Alabama die Wahl: Soll der E-Commerce-Riese seine erste Gewerkschaftsvertretung bekommen – oder nicht? Amazon selbst hatte sich mit verschiedenen Mitteln gegen die Gründung einer solchen Mitarbeitervertretung stark gemacht – etwa mit Flyern auf den Toiletten und einer eigens eingerichteten Website. Jetzt steht fest, wie sich die Mitarbeiter entschieden haben: Die Mehrheit von ihnen ist demnach gegen eine Gewerkschaft.
Amazon-Mitarbeiter wollen keine Gewerkschaft
Insgesamt hätten 5.800 Mitarbeiter in dem Logistikzentrum ihre Stimme abgeben können, nur rund 3.200 von ihnen haben es schließlich getan. Davon entschieden sich laut der Auszählung vom Freitag 1.798 dagegen, dass die Einzelhandelsgewerkschaft Retail, Wholesale and Department Store Union (RWDSU) sie künftig vertritt. 738 der Amazon-Mitarbeiter stimmten dafür. Damit haben die Nein-Stimmen die notwendige einfache Mehrheit erreicht, auch wenn noch über 500 Stimmen ausstehen würden, wie CNBC berichtet.
Allerdings muss die Wahl noch von dem zuständigen National Labor Relations Board (NLRB) bestätigt werden. Die RWDSU plant derweil, die Wahl anzufechten. Amazon habe die Rechte seiner Mitarbeiter in Bessemer auf eine freie und faire Wahl verletzt, so der Vorwurf der Gewerkschaft. Amazon ist, laut wiederholten Aussagen, der Ansicht, dass es ohnehin überdurchschnittliche Löhne und Zuschüsse biete. Die Mitarbeiter seien daher gar nicht auf die Vertretung in einer Gewerkschaft angewiesen.
Kritik an Arbeitsbedingungen bei Amazon
Das Engagement der RWDSU im Vorfeld der Abstimmung hatte wiederum US-weit für Diskussionen über die Arbeitsbedingungen bei Amazon gesorgt. Immer wieder gibt es Berichte über hohen Druck und Kontrollen. Erst im Herbst hatte eine Untersuchung der US-Organisation Open Markets Institutes gezeigt, dass Amazon Mitarbeiter und Abläufe in seinen Logistikzentren überwache. Zudem werde gezielt gegen Mitarbeiter vorgegangen, die die Gründung von Gewerkschaftsvertretungen planten.
Zuletzt hatte ein Bericht weltweit hohe Wellen geschlagen, laut dem Amazon-Mitarbeiter gezwungen seien, in Flaschen zu pinkeln, weil für reguläre Toilettenpausen keine Zeit sei. Amazon hatte das zunächst dementiert, war dann aber über soziale Medien mit einer Flut an entsprechenden Beweisstücken konfrontiert worden – und musste schließlich einlenken. In den vergangenen Monaten gab es zudem immer wieder Beschwerden über den laschen Umgang mit Sicherheitsvorkehrungen im Zusammenhang mit dem Schutz vor dem Coronavirus.
Solange manipulieren lassen, bis man selbst glaubt, dass eine Gewerkschaft überflüssig und nicht vonnöten ist – das muss man erstmal hinbekommen.