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Interview

Übernahme durch US-Firmen? Das könnte Binance und Coinbase drohen

Amerikanische Behörden verklagen zwei große Kryptobörsen. Dahinter könnten Pläne stecken, Kryptounternehmen in die Hände großer Banken zu treiben. Das vermutet Jurist und Regulierungsexperte Alireza Siadat.

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Wollen amerikanische Investmentbanken groß ins Kryptogeschäft einsteigen? (Grafik: Shutterstock/Peshkova)

Die US-amerikanischen Aufsichtsbehörden verklagen gleichzeitig zwei große Kryptobörsen. Bei den Verfahren gegen Coinbase und Binance geht es vorrangig um die Kategorisierung bestimmter Kryptowährungen. Die Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) hat nicht nur die Kryptounternehmen im Visier, sondern auch einzelne Token und Coins, denen ein Delisting an amerikanischen Börsen drohen könnte.

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Entgegen der bisherigen Praxis könnten einige Token unter das amerikanische Wertpapiergesetz fallen. Um ihren Kund:innen Wertpapiere (englisch: Securities) zum Handel anzubieten, bräuchten die Kryptobörsen allerdings eine Handelslizenz, die weder Binance noch Coinbase haben.

Anwalt Alireza Siadat berät Banken, Finanzunternehmen und Kryptodienstleister und ist Experte für NFT-Projekte und Plattformen. (Foto: Annerton)

Dass die amerikanische Kryptoindustrie vor umfassenden Regulierungen steht, wühlt den Markt für Kryptowährungen seit einigen Wochen auf. Die Kryptoleitwährung Bitcoin fiel vergangene Woche zeitweise unter die 25.000-US-Dollar-Marke. Besonders hohe Kursverluste büßten laut Coinmarketcap zum Beispiel der Solana-Token SOL (21 Prozent im vergangenen Monat) und der Cardano-Token ADA (28 Prozent) ein. Die beiden Token sind unter denen, die von der Börsenaufsicht als mögliche Wertpapiere genannt wurden.

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Die Regulierung gilt zwar nur in den USA, beeinflusse durch die Rechtsunsicherheit aber den gesamten Markt, sagt Alireza Siadat. Der Jurist bei Annerton ist auf die Blockchain-Technologie spezialisiert und berät Banken, Kryptobörsen und andere Kryptodienstleister. Außerdem ist er Experte für europäische Kryptoregulierung und Mitglied verschiedener Blockchain-Verbände.

„Die kommenden drei Monate wird es auf dem Kryptomarkt sicher noch turbulent sein.“

Die Kryptoindustrie sei weltweit so sehr verzahnt, dass die Rechtsstreits in den USA sich auch auf europäische Firmen und Kund:innen auswirken. „Die kommenden drei Monate wird es auf dem Kryptomarkt sicher noch turbulent sein“, sagt Sidadat. Ruhe werde erst einkehren, wenn die Behörden Rechtssicherheit schaffen.

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„Besonders für neue, noch nicht etablierte Coins wird es eine harte Zeit und viele werden wahrscheinlich wieder vom Markt verschwinden“, sagt der Experte. Die Gefahr sei hoch, dass Kryptobörsen Token von ihrer Handelsplattform nehmen müssen, um den staatlichen Auflagen gerecht zu werden. Ein Risiko, das viele Investor:innen abschrecken wird.

Den Richtungswechsel der amerikanischen Börsenaufsicht sieht er in Umstrukturierung und Personalwechsel in der Behörde begründet. „In der Vergangenheit gab es schon viel Durcheinander bei der Frage, welche Krypto-Coins Wertpapiere sein könnten. Jetzt ist die SEC dazu übergangenen, dass Token Wertpapiere sind, wenn die Halter mit ihnen passives Einkommen erzielen können.“ Das trifft zum Beispiel auf viele Ethereum-basierte Token zu, die durch das Staking Belohnungen einbringen.

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Steht Coinbase vor einer Abwärtsspirale?

Obwohl sie relativ zeitgleich angeklagt wurden, hätten die beiden großen Kryptobörsen Coinbase und Binance unterschiedliche Probleme. „Durch den Rechtsstreit geht es dem Unternehmen Coinbase derzeit so schlecht, dass ich mich nicht wundern würde, wenn es übermorgen aufgekauft wird“, sagt der Experte.

„Coinbase ist sehr stark von den Vorgaben für das Delisting von Token betroffen“, sagt Siadat. In Deutschland zum Beispiel könne das Unternehmen durch die hiesigen Gesetze seinen Kund:innen deutlich weniger Token zum Handel anbieten als die Konkurrenten. „Auch ist das Listing neuer Token für Coinbase zeit- und kostenintensiver als bei der Konkurrenz, da Prüfungen fällig werden.“

„Es kann für Coinbase eine Abwärtsspirale in Gang setzen, die zu einer Übernahme führt.“

„Wenn Coinbase jetzt viele der aufwendig gelisteten Token wieder von der Plattform nehmen muss, weil sie in den USA nicht mehr konform sind, kann das eine Abwärtsspirale in Gang setzen, die zu einer Übernahme führt“, so der Jurist.

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Ein großes Problem, das die Kryptobörse nicht hätte, wenn eine amerikanische Bank mit den entsprechenden Wertpapierlizenzen sie übernehmen würde. „Vor allem große Player wie JP Morgan oder Goldman Sachs kommen für eine Übernahme infrage. Teilweise arbeiten sie schon an eigenen Projekten, aber Kryptobörsen sind ihnen drei bis vier Jahre voraus, was die technologische Infrastruktur, Erfahrung und den Marktzugang betrifft“, sagt Alireza Siadat.

Die Mehrheit der Coinbase-Aktien zu kaufen und einen Squeeze Out zu machen, das wäre für die großen, amerikanischen Finanzunternehmen machbar, schätzt der Experte. „Bei der Credit Suisse, der Silicon Valley Bank oder Silvergate haben wir gesehen, wie solche Übernahmen in wenigen Tagen über die Bühne gingen.“

Was der Kryptoexperte allerdings nicht für möglich hält, ist eine Übernahme von Coinbase durch einen Konkurrenten wie Binance. Sehr unwahrscheinlich und kartellrechtlich bestimmt nicht möglich, so Siadat.

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Binance: CZ und die Geldwäschevorwürfe

Bei Binance sieht der Jurist zwei große Probleme: das schnelle Wachstum und die Abhängigkeit vom Gründer und CEO Changpeng Zhao (CZ). „Binance gibt es erst seit 2017, als es noch kaum Rechtssicherheit im Kryptobereich gab, deswegen hat das Unternehmen viele Altlasten“, sagt Siadat. Das betreffe zum Beispiel die Europäischen Geldwäscherichtlinien für Kryptounternehmen, die es erst seit 2020 gibt. „Das zweite Problem von Binance ist, dass sich alles auf CZ konzentriert und vieles von ihm abhängig ist, was das Unternehmen anfällig macht.“

„Wahrscheinlicher ist, dass Binance zu einem Franchise wird.“

Anders als bei Coinbase vermutet Alireza Siadat bei Binance keine Übernahme. „Wahrscheinlicher ist eine Umstrukturierung, sodass Binance zu einem Franchise wird“, sagt er. Banken oder andere Unternehmen könnten als Franchisenehmer von Binance von deren Infrastruktur und Erfahrungen profitieren. „Es dauert mindestens zwei Jahre, eine Kryptobörse aufzubauen, mit einem Franchisemodell wäre das in sechs Monaten möglich.“

Das könne europäische Wertpapierfirmen ansprechen, die jetzt durch die MiCA-Regulierung motiviert sind, auch ins Kryptogeschäft einzusteigen, vermutet der Experte.

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Fazit

Die vergangenen Wochen haben die Kryptobranche in den USA und weltweit aufgewühlt. Das zeigt sich in den Kursschwankungen der Kryptowährungen, aber auch dem Aktienkurs von Coinbase und anderen börsengelisteten Kryptounternehmen.

Abkühlung ist auch in den kommenden Wochen noch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Wenn die Regulatoren mit ihrem Eingriff mindestens eine der beiden großen Kryptobörsen ins Wanken bringen oder sogar in die Hände von Banken treiben, ändert sich der Markt.

Das betrifft nicht nur die Handelsplattformen und ihre Kund:innen, sondern auch andere Anbieter, die beispielsweise das Verwahren von Krypto oder die Registerführung von Kryptowertpapieren übernehmen. Auch sie könnten aufgekauft werden. „Am Ende des Tages könnte die Kryptowelt der klassischen Bankenwelt ähneln: dieselbe Infrastruktur, dieselben Player, aber auch professioneller als jetzt“, sagt Siadat.

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„Vielleicht ist das auch die Intention der Behörden: Sie wollen nicht nur die Kryptobörsen, sondern auch die Infrastruktur dahinter in der Hand regulierter Unternehmen sehen“, sagt er. Dafür sei jetzt ein guter Zeitpunkt, denn die Kryptounternehmen haben sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt und am Markt etabliert.

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