
Die VW-Tochter Moia stellt (halb)autonome Fahrzeuge her. Die Software entwickelt seit Neustem Cariad. (Foto: Moia)
Parallele Arbeit an verschiedenen Software-Versionen, die die Modellplanung und am Ende den Chefsitz von Herbert Diess abheben ließen: Cariad hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Jetzt sollen Umstrukturierungen dafür sorgen, dass sich keine weiteren Katastrophen häufen. Auf der anderen Seite weiß Spartenchef Dirk Hilgenberg, dass auch sein Stuhl wackelt.
Cariad startete schon mit Schwierigkeiten
Eine Analyse des Magazins Autocar legt dar, dass die Software-Abteilung des zweitgrößten Autokonzerns der Welt seit ihrer Entstehung im Trudeln war. Version 1.1 hatte schwer lösbare Fehler und lieferte erst mit dem Upgrade 3.0 lange versprochene Funktionen nach, etwa Over-the-Air-Updates.
Parallel entwickelte man 1.2 für Audi und Porsche – und wurde nicht fertig. Der vollelektrische Macan musste verschoben werden und Diess gehen.
VW hat gelernt: Software first
Nachdem Herbert Diess – angeblich wegen der Software-Probleme – abgetreten war, übernahm Oliver Blume das Ruder. Er änderte eine entscheidende Mechanik: Nun soll Cariad das Tempo vorgeben und nicht von Produktionsstarts getrieben werden.
Hilgenberg bestätigte: „Das hat sich geändert. Wenn jetzt ein neues Auto entwickelt wird, geht die Marke zu Cariad und sagt: ‚Was habt ihr?‘“ Vorher habe es eher geheißen: „Wir kommen im Q2 2024 auf den Markt – ihr solltet besser mit etwas Heißem bereit sein.“
Software-Transformation bestimmt Marktchancen
Fachleute sind sich einig, dass der Software-Bereich im Automotive-Sektor eine zentrale Rolle spielen wird. Wer die Transformation nicht schaffe, werde von Newcomern verdrängt, hört man.
Als Beispiel dient immer Tesla, der Industrieneuling hatte sich in einer beispiellosen Aufholjagd hochgearbeitet und im Jahr 2022 beinahe Audi überholt, um drittgrößter Premiumhersteller der Welt zu werden.
Autonomes Fahren spielt große Rolle
VW will nicht nur die komplette Kontrolle über die Software-Entwicklung behalten, sondern auch über alle Daten, die in diesem Prozess anfallen. Einer der Gründe für die Cariad-Gründung war der Vertrag mit Mobileye.
Er sah den alleinigen Datenzugang für den Zulieferer des entscheidenden Chips für das autonome Fahren vor. Doch ohne diese Daten ist die Entwicklung eines autonomen Fahrsystems quasi unmöglich. Hilgenberg gab in Las Vegas zu: „Deshalb wurde Cariad gegründet, weil wir keinen Zugang dazu haben.“
VW setzt auf Cariad statt auf Argo AI
VW hatte sich für das autonome Fahren zunächst im Unternehmen Argo AI engagiert. Diese Zusammenarbeit endete mit dem Rückzug von Ford und VW – 2,6 Milliarden Euro schreiben die Wolfsburger voraussichtlich ab.
Mit der Sicherung der Fachkräfte klappt es bei VW nicht. Das Unternehmen hatte das Joint Venture vernachlässigt und die Mitarbeiter:innen dort verärgert.Dazu kommt, dass sich der Konzern nicht zu spannenden neuen Projekten für die Ingenieure durchringen konnte.
Anders Ford: 85 Prozent der US-Entwickler nahmen das Übernahmeangebot an und arbeiten nun an der Level-3-Technologie von Ford. In München sitzen dem Handelsblatt zufolge die Noch-Argo-Angestellten herum und baden in Anwerbungsschreiben von Apple, Nvidia und Co. Zu Cariad wollen angeblich nur wenige, das Unternehmen gelte als zweitklassig.
Cariad: Keine neuen Daten, Synergieeffekte gesucht
Derweil sind alte Pläne in sich zusammengefallen, Deadlines wurden abgesagt, neue Termine – etwa für das Erscheinen der Software 2.0 – gibt es nicht. Es ist unklar, welche Software-Version die anstehenden Automodelle Porsche Macan und Audi A6 E‑Tron erhalten.
Sicher ist nur: Die Software macht zunehmend den Unterschied und entwickelt sich zu einem Milliardengeschäft. Zum ID 7 könnte eine neue größere Version erscheinen, vermuten Beobachter. Er soll diesen Herbst herauskommen.