Warum der Coinbase-Superbowl-Spot schon jetzt der beste Werbestunt des Jahres ist
Was haben Superbowl und Krypto gemeinsam? Beide können auf ihre Art problemlos als Megahypes bezeichnet werden. Wer die Hypewelle richtig reiten will, legt die beiden zusammen. So jedenfalls könnten die Verantwortlichen der US-Kryptobörse Coinbase gedacht haben, bevor sie beim diesjährigen Superbowl mit ihrem Werbedebüt einen denkwürdigen Auftritt hingelegt haben. Mit einem sehr einfachen Spot holte die Marketingabteilung 20 Millionen Menschen auf die Coinbase-App. Was zwar dafür sorgte, dass die App abschmierte, auf der anderen Seite aber definitiv ein extrem erfolgreicher PR-Stunt war.
Die Werbepausen des jährlichen Superbowl sind über die Jahre zu einer der relevantesten Plattformen für Markenpositionierungen geworden. Trotz der seit 2015 rückläufigen TV-Zuschauerzahlen haben sich die Durchschnittskosten für einen 30-Sekunden-Werbespot laut Statista von rund 2,8 Millionen US-Dollar auf rund 5,6 Millionen Dollar in 2021 mehr als verdoppelt. Das zeigt: Der Run auf die begehrten Slots ist ungebrochen.
Superbowl-Spots sind ein Event für sich
Rund um den Superbowl hat sich inzwischen eine Art wiederkehrender Hype entwickelt. Für viele Fans steht dabei nicht das Sportliche, sondern viel mehr die teils bis zur Ausstrahlung geheimgehaltenen, eigens für das Event konzipierten Commercials im Fokus. Einige Spots erreichen Kultcharakter, werden fleißig über Social Media geteilt und haben nachhaltig positiven Einfluss auf das Image von Marken.
In diesem Jahr debütierten mit crytpo.com, FTX und Coinbase gleich drei Krypto-Börsen beim größten Einzelsportevent der Welt. Laut The Verge zielten ihre Spots eher darauf ab, massenwirksam Fomo zu generieren, denn wirklich für die Themen rund um das Web3 und Chancen der neuen Technologien zu sensibilisieren. Im Rahmen ihrer „Less talk, more Bitcoin“-Kampagne hatte sich Coinbase zuvor schon entschlossen, in Form von Bitcoin-Gutschriften möglichst viele neue User zum Download der eigenen App zu bewegen. Wert der Kampagne: 100 Millionen Dollar.
Beim Superbowl fahren die Big Player aus Tech, Mobilität und Fast-Moving-Consumer-Goods mit den größten Budgets Werbeproduktionen auf höchstem Niveau. Dort werden Emotionen und Nostalgiegefühle getriggert und die größten Hollywood-Stars geben sich die Klinke in die Hand. Wie sollte ein Unternehmen in so einem gigantischen Umfeld sein Werbedebüt angehen? Wie es zumindest mal anders und vor allem günstiger geht, hatte zuletzt Reddit 2021 gezeigt. Das soziale Netzwerk pumpte sein ganzes Werbebudget in eine fünf Sekunden lange Texteinblendung, um sich für den Gamestop-Hype zu bedanken. Lesen konnte die Botschaft so schnell zwar niemand, aber das mediale Feedback war groß. Für Reddit war es ein voller Erfolg.
Auch in diesem Jahr war es wieder eine solche absurde „Billigproduktion“, die auf unkonventionelle Art und Weise den größten Impact zu haben scheint. Dieses Mal sorgte Coinbase mit einem im QR-Code für Aufsehen. Für satte 60 Sekunden passierte nichts, außer dass der Code im Retro-DVD-Bildschirmschoner-Style herumwaberte. Hinter dem Bildchen versteckte sich eine Landingpage, die mit einer Gutschrift über Bitcoin im Wert von 15 Dollar lockte – Conversion vorausgesetzt. Was auf den ersten Blick wie ein leicht zu durchschauender Funnel wirkt, hat beim zweiten Blick deutlich mehr Tiefe als gedacht.
DVD-Meme hat eine Geschichte
Der eingesetzte DVD-Bildschirmschoner ist eigentlich ein DVD-Meme mit Geschichte. Eingeführt wurde es 2000 von der DVD-Forum and DVD Format/Logo Licensing Corporation, einer in Tokyo ansässigen Firma, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, DVD zum neuen Standard zu machen. In der „Satisfying“-Rubrik der Online- und Popkultur wurde relativ schnell ein Gag daraus, sich zu freuen, wenn das Logo perfekt in die Ecke klatscht. Spätestens als die US-Serie „The Office“ sich 2007 dieses Gags für eine Szene bediente, wurde ein offizielles Internet-Meme daraus.
Es ist smart, auf die Neugierde der Zuschauer:innen zu setzen. Wirklich spannend ist aber, wie hier bewusst die Online-Community adressiert wurde. Da in den Social-Media-Netzwerken, insbesondere auf Twitter, die Commercials in Echtzeit heiß diskutiert werden, bekommt ein solch stilistischer Fremdkörper wie der Coinbase-Spot ziemlich sicher die Extraportion Diskussionsstoff. Krypto-Fans und -Kritiker sprangen auf den Zug auf und sorgten so dafür, dass die Werbung viral gehen konnte.
Abgerundet wurde das Ganze von den Menschen, die das Meme-Game erkannten und sich mit dem Stunt identifizieren konnten.
Diese Kombination schaffte ein Momentum, das die große Reichweite von Superbowl-Commercials eigentlich nur als Kickstart nutzte, um in der Online-Community die wirklich große Runde zu machen. Vielleicht hat das Marketingteam von Coinbase die Agentur-Boomer-Papers gelesen, denn da steht geschrieben: „Marken müssen genau zuhören, die (Internet-)Culture verstehen und von ihr lernen. Schaffen sie es, sich durch authentische Ansprache und Content mit Mehrwert für die Community zu etablieren, ist das Potenzial riesig.“
Fokus auf den App-Absturz greift zu kurz
Dass die meisten Medien (auch t3n.de) den Fokus auf die in die Knie gezwungene Coinbase-App legten, greift also deutlich zu kurz. Die Coinbase-Werbung lockte laut eigenen Angaben 20 Millionen Menschen alleine in der ersten Minute nach der Ausstrahlung auf die Landingpage hinter dem QR-Code. Über Nacht sprang die App im US-App-Store von Platz 186 auf Platz 2. Es lässt sich nur erahnen, was die Internet-Community und die Berichterstattung danach noch für einen Uplift geschaffen haben.
Bei Coinbase dürfte man trotz der technischen Schwierigkeiten sehr zufrieden mit der Aktion sein. Keine ganz exklusive Sichtweise: Der jährlich zum Superbowl verliehene Super Clio Award hat den Coinbase-Spot zum besten Werbespot gewählt.