El Salvadors Bitcoin-Wette scheint verloren – aber eine positive Sache gibt es

Bitcoin-Crash drückt auf El Salvadors Finanzen. (Grafik: Mehaniq/Shutterstock)
Mit der Entscheidung, als erstes Land der Welt die Kryptowährung Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel zuzulassen, haben El Salvador und dessen techaffiner Präsident Nayib Bukele im Juni 2021 einen Coup gelandet. Bejubelt von Fans der digitalen Währung und kritisiert von vielen Wirtschaftsexpert:innen und der Weltbank, steht der Beweis ein Jahr später noch aus, dass die Bitcoin-Adaption dem Land weiterhelfen kann. Der Kurseinbruch der vergangenen Monate und der drohende Kryptowinter sorgen kaum für eine Besserung der Lage. Nur in einem Bereich hat das Ganze offenbar positive Folgen gehabt.
Bitcoin-Adaption sollte Kosten senken
Bukele wollte mit der Bitcoin-Adaption in seinem Land nicht zuletzt Menschen ohne Bankkonto den Zugang zum Finanzsystem erleichtern und die hohen Kosten senken, die bei Überweisungen von Menschen aus dem Ausland – vorrangig den USA – anfallen. Auf solche Überweisungen sind viele Haushalte in El Salvador angewiesen. Sie machen über ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Gebühren dafür können sich auf zehn Prozent oder sogar noch mehr belaufen. Es ließen sich also Hunderte Millionen US-Dollar sparen. Nur: Kaum jemand verwendet Bitcoin und Co. zum Überweisen aus dem Ausland – laut aktuellen Daten sollen nur 1,6 Prozent der Auslandsüberweisungen nach El Salvador mit Kryptowährungen abgewickelt worden sein.
Ebenso erfolglos war bisher die eigens entwickelte und herausgegebene Krypto-Wallet Chivo. Hier haben sich zwar die meisten Bewohner:innen des Landes die ihnen zustehenden 30 Dollar gesichert. Entsprechend konnte Bukele im Januar 2022 vier Millionen Chivo-Nutzer:innen vermelden. Angesichts von nur 6,5 Millionen Einwohner:innen eine ordentliche Zahl. Allerdings haben unabhängige Befragungen ergeben, dass nur jede:r Fünfte die Chivo-Wallet weiterverwendet, wenn einmal die darauf als Anreiz eingezahlten 30 Dollar der Regierung ausgegeben sind.
Niemand nutzt die Chivo-Wallet für Bitcoin
Ebenfalls kaum befriedigend für Bukeles hochtrabende Pläne dürfte die Tatsache sein, dass 86 Prozent aller Unternehmen bisher noch kein einziges Geschäft oder einen Verkauf in Bitcoin abgewickelt haben. Und das, obwohl Unternehmen in El Salvador verpflichtet sind, Bitcoin zu akzeptieren. „Niemand nutzt die App wirklich, um mit Bitcoin zu bezahlen. Leute, die (die Chivo-Wallet; d. Red.) benutzen, benutzen sie meistens für Dollar“, zitiert CNBC den Wirtschaftswissenschaftler Frank Muci, der schon Regierungen anderer mittelamerikanischer Länder beraten hat.
Darüber hinaus hat Bukele nach dem jüngsten Bitcoin-Kurseinbruch rund die Hälfte des Werts seiner über 100 Millionen Dollar umfassenden Bitcoin-Käufe verloren. Schon länger twittert der Präsident nicht mehr fröhlich, er habe den jüngsten Dip gekauft, wie das zuletzt im Mai 2022 der Fall war, als der Bitcoin-Kurs auf gut 30.000 Dollar absackte. Der Beliebtheit des Präsidenten hat das vor dem Scheitern stehende Bitcoin-Experiment aber bisher kaum geschadet. Seine Zustimmungsrate beläuft sich auf über 85 Prozent. Das hat allerdings vor allem mit seinem erfolgreichen Kampf gegen die Gewalt im Land zu tun.
El Salvador drücken hohe Schulden
Würden die Leute ausschließlich auf die finanzielle Situation des Landes schauen, dann würde das Ganze vielleicht anders aussehen. Denn El Salvador drücken Schulden im Milliardenbereich. Ein großer Teil davon wird im Januar 2023 fällig. Die Weltbank weigert sich wegen der Bitcoin-Adaption gegen ihren Willen, dem Land unter die Arme zu greifen. Beim Wirtschaftswachstum muss El Salvador einen Rückgang von 10,7 Prozent im Jahr 2021 auf wohl 2,9 Prozent im laufenden Jahr hinnehmen. Bisher sieht es aber nicht so aus, als würde Bukele mit Steuererhöhungen oder Ausgabenbeschränkungen gegensteuern. Insbesondere die Benzinpreisrabatte seien sehr teuer, so Muci. Die finanzielle Situation habe aber wenig bis nichts mit dem Bitcoin zu tun.
Im Gegenteil: Die Bitcoin-Adaption hat El Salvador auf einen Schlag berühmt gemacht und zieht seitdem zahlreiche Tourist:innen, vor allem aus den USA, an. Die Tourismusindustrie hat seit September 2021 ein 30-prozentiges Plus verbucht. Im ersten Quartal 2022 sollen sich die Buchungen über Airbnb in El Salvador gegenüber dem ersten Quartal 2019 fast vervierfacht haben. Auch das schreiben Beobachter:innen vor allem dem Bitcoin zu.
Die Ausgaben für das Bitcoin-Experiment ließen sich da schon fast als Marketingkosten wegrechnen. Insgesamt soll El Salvador bisher rund 425 Millionen Dollar für die Etablierung des Bitcoins im eigenen Land ausgegeben haben. Zur Einordnung: Das Bruttoinlandsprodukt beläuft sich auf 29 Milliarden Dollar. In die Rechnung hinein gehören auch die oben angesprochene Zahlung von 30 Dollar an jede:n Bürger:in des Landes und die Kosten für den Bitcoin-Kauf. Zum Vergleich: Costa Rica gibt jedes Jahr Milliarden Dollar aus, um Tourist:innen ins Land zu ziehen.
Bitcoin löst Probleme des Landes nicht
So oder so: Sollten Bukele und seine Regierungsmitarbeiter:innen das finanzielle Problem nicht in den Griff bekommen, dann steht El Salvador vor dem Ruin. Das Land müsse viel disziplinierter sein, Steuern erhöhen, Ausgaben kürzen. Nur so könne man die Märkte davon überzeugen, dass El Salvador nachhaltig wirtschafte – und Investitionen ins Land holen. Der Bitcoin habe das Problem kaum verschärft, so Muci. Aber: Der Bitcoin löst auch keines der wirklich wichtigen Probleme des Landes.