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Frauen in der Innovation: „Das ist keine Nettigkeit, sondern wirtschaftlicher Faktor!“

Am 2. Juni fand der Womenpower-Karrierekongress 2022 statt. Dabei wurde unter anderem diskutiert, wie Innovationsprozesse von Frauen profitieren.

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Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bei der Eröffnung des Womenpower-Karrierekongresses 2022. (Foto: t3n)


Der 19. Womenpower-Karrierekongress 2022 stand unter dem Motto „Future of Leadership“. Dabei gab es Veranstaltungen für alle berufstätigen Frauen: Von Workshops für Berufseinsteigerinnen bis Talks für Frauen in Führungspositionen – aber auch Panels mit einem Fokus darauf, wie wichtig Frauen für die Innovationskraft sind. Denn aktuell sind Frauen in der Innovation wenig vertreten: Laut der She-Figures-Studie der Europäischen Kommission von 2021 sind von 100 angemeldeten Patenten nur neun von Frauen. Das Institut der deutschen Wirtschaft berichtet sogar nur von 4,4 Prozent. Es gibt also einen Gender-Innovation-Gap. Das ist ein Problem, denn: Diverse Teams sind nachgewiesen stabiler, innovativer und rentabler.

Wir brauchen mehr Frauen und mehr Innovation

„An Krisen mangelt es uns nicht. Woran es uns mangelt, sind kreative Ideen“, sagt Hanna Drabon, verantwortlich für Gründungen, Netzwerke und Fachkräftesicherung bei der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Bielefeld. Gerade jetzt mit Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie und Fachkräftemangel gibt es mehr als genug Probleme, die gelöst werden müssen. „Wir haben eine Menge zu bewältigen – da 50 Prozent der Gehirne auszuschließen und das volle Potenzial der Unternehmen nicht auszuschöpfen, halte ich für einen fatalen Fehler.“ In den aktuellen Krisen wurden Diversity und Nachhaltigkeit aber hinten angestellt. Wie Diana Kinnert, CDU-Politikerin, sagte: „Die alte Welt ist wieder da: die Welt der Männer. Und da wird gern auf Frauen verzichtet.“ Sie kritisierte, dass diese Debatten mit einem „Jetzt gerade nicht“ vom Management vertröstet werden. Aber: „Diversity und Nachhaltigkeit ist kein Add-on, keine Zusatzleistung, die sich ausschließlich im Marketing abspielt.“ Sondern es sind langfristige Maßnahmen, die gerade in Krisenzeiten ihr Potenzial entfalten. Dafür müssen sie aber erst einmal umgesetzt werden.

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Diverse Unternehmen sind innovativer, umsatzstärker und stabiler

Eine McKinsey-Studie von 2020 belegt: Unternehmen mit hoher Gender-Diversität sind um 25 Prozent profitabler; kommt eine hohe ethnische Diversität dazu, steigt der Wert auf 36 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich zu performen, sinkt bei niedriger Diversität um 25 Prozent.  „Wir reden hier wirklich über wirtschaftlichen Erfolg. Das ist nicht ‚Bitte Bitte‘ und ‚Weil wir nett sind‘, sondern: Wenn du dein Unternehmen stabil aufstellen möchtest, brauchst du Frauen und diversere Teams“, sagt Hanna Drabon.

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Diversität meint aber nicht nur um das Einstiegslevel – sie muss sich in den Führungsebenen widerspiegeln. „’Wir haben 50 Prozent insgesamt und die sind alle im Marketing‘ – das reicht halt nicht“, so Drabon. Erst, wenn mindestens 20 Prozent Frauen in Führungsetagen vorhanden sind, zeigen sich Auswirkungen. Das bestätigt auch die McKinsey-Studie: Führungsteams mit 30 Prozent Frauenanteil oder mehr übertreffen in ihrer Performance deutlich die Konkurrenz mit weniger oder keinen Frauen. Zwischen den am wenigsten diversen Unternehmen und denen mit der höchsten Diversität lagen Leistungsunterschiede von bis zu 48 Prozent. Aber, wie Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in der Eröffnungsrede sagte: „30 Prozent Frauen ist ökonomisch klug. 50 Prozent Frauen ist gleichberechtigt.“

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Diversität bringt bessere Produkte

Barbara Schwarze ist Mitbegründerin und Vorstandsvorsitzende des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V., Mitinitiatorin des Girls’ Day und hat 2021 das Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement für Chancengleichheit erhalten. Sie bestätigt, dass zwar immer mehr Mädchen bei dem Wettbewerb „Jugend forscht“ mitmachen und die Uni-Abschlüsse fast ausgeglichen sind – der Gender-Gap aber immer größer wird, je weiter die Karriere voranschreitet. Je höher der akademische Grad, umso weniger Frauen publizieren. Ohne diverse Wissenschaft und diverse Unternehmen kann es aber keine Innovation geben.

Professorin Barbara Schwarze, Lelia König und Hanna Drabon nach ihrem Panel

Prof. Barbara Schwarze, Lelia König und Hanna Drabon (v.l.n.r.) nach ihrem Panel beim Womenpower-Karrierekongress. (Foto: t3n)

Im Unternehmen selbst, so Lelia König, Gründerin von Dashfactory, hilft Diversity Schäden vorzubeugen. Denn Diversität bringt viele verschiedene Sichtweisen und hilft damit bei der Problemerkennung. „Je durchmischter ein Team, umso mehr Rundumblick hast du halt“, sagt auch Drabon. Mehr Perspektiven sehen mehr Probleme, für die es Lösungen benötigt. Diversity ist also unverzichtbar für innovative Produkte.

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Bei digitalen Produkten ist bekannt, dass sich ein Bias im Produkt manifestiert: KI, die von wenig diversen Teams entwickelt und mit nicht diversen Daten trainiert werden, funktionieren nicht bei allen Menschen oder diskriminieren sogar. Auch Jane Rygaard, Head of Dedicated Wireless Networks and Edge Clouds bei Nokia sagt: „Technologie hat die Tendenz, zu reflektieren, wer sie geschaffen hat.“ Aber wenn die Technologie unser Leben verändere, könne sie nicht nur ein Drittel der Menschheit reflektieren. Sie verweist auf den Fehlschlag Auto-Sicherheitsgurt: Die Sterblichkeitsrate von Frauen bei Autounfällen ist um 15 Prozent höher, die Wahrscheinlichkeit einer schweren Verletzung ist um 73 Prozent höher.

Wie kriegen wir mehr Frauen in die Innovation?

Auf der Womenpower kristallisieren sich vier Angriffspunkte heraus: das Bildungssystem, das Engagement heutiger Frauen, Unternehmen und die Gründungsszene. In der deutschen Bildung kritisiert Barbara Schwarze, dass Kinder zu wenig ermutigt werden, zu forschen und auszuprobieren, und für ihre Vorstöße vor allem zu wenig Rückmeldung erhalten. Insbesondere junge Mädchen kriegen keine Rückmeldung, dass sie kreative und innovative Menschen sind. Auch Rygaard sagt: „Wenn wir die Schulbücher nicht neu schreiben, kriegen wir keine Diversity.“ Schwarze ist zudem dafür, dass auch Studierende mehr Möglichkeiten haben sollten, Projekte durchzuführen und in denen frei denken zu können. Sie berichtet von einem Team Maschinenbauer, die sich hoch motiviert dem Problem gewidmet hätten, ob es alten Menschen mit Technik erleichtert werden kann, Stützstrümpfe anzuziehen. Innovation kommt nicht durch Micromanaging.

Frauen, die bereits in Führungspositionen oder in der Innovation sind, sollten sich vernetzen und Mentor:innen werden. Rygaard spricht sich besonders für Mentorings aus, die über mehrere Hierarchieebenen hinausgehen. Sie selbst sei gerade Mentorin für eine Berufsanfängerin. Es sei anstrengend, sie müsse sich Zeit dafür freischaufeln – aber sie wolle ein nahbares Vorbild sein. Sie möchte, dass die Berufsanfängerin nicht nur erlebt, dass es geht – sondern auch, wie es geht. Frauen müssen aktiv gefördert werden, um für Führungspositionen bereit zu sein, sollten diese dann frei werden. Auf der anderen Seite müssen junge Frauen motiviert werden, diese Netzwerke auch zu nutzen.

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Wenn es um Patente und Veröffentlichungen geht, müssen dort die Namen von beteiligten Frauen erscheinen, wie Barbara Schwarze betont. Bei der Auswahl, wer einreicht, nähmen sich Frauen oft zurück – auch aufgrund der Sozialisation. Damit machen sie aber nicht nur sich selbst unsichtbar, sondern auch Frauen in der Wissenschaft. Und sind Frauen in der Innovation unsichtbar, so gibt es auch keine Vorbilder.

In Unternehmen muss klar werden, dass es bei Diversity um die Wirtschaftlichkeit geht. Für Führungspositionen muss es Frauen geben, die im Zweifel gefördert werden, sodass sie bereit für diese Rolle sind, wenn die Stelle dann frei wird. Caroline Schlienkamp, Vorständin bei Talanx, verweist neben der Nachfolgeplanung, die Diversity berücksichtigt, auf Vereinbarkeit und flexiblere Arbeitsmodelle: geteilte Führung, Führung in Teilzeit, Up- und Re-Skilling, psychologische Sicherheit und mehr. Hanna Drabon spricht auch von Schulungen in der Management-Ebene, damit ein Bias bei Beförderungsentscheidung abgebaut werden kann. Schwarze betont, dass Möglichkeiten zum Erlebnisaustausch geschaffen werden müssen.

Zuletzt bemängelt Drabon, dass Frauen in männerdominierten Bereichen nach den Standards bewertet werden, die sich in dieser Umgebung mit alten Rollenbildern etabliert haben. Von dieser Stelle kommen auch die meist unsinnigen Ratschläge, als Frau männlicher aufzutreten: Beispielsweise andere Kleidung zu tragen oder aggressiver aufzutreten, beispielsweise beim Netzwerken. „Wir können nicht competetive damit sein, männlicher zu sein als die Männer – darum geht’s nicht“, sagt sie. Stattdessen ginge es darum, Bewertungsstandards zu prüfen und sie neutral zu gestalten. Dann hätten alle was davon – beispielsweise würden auch Männer unkommentiert ihre Arbeitszeit reduzieren oder Elternzeit nehmen können. Nur in diversen Unternehmen kann Innovation stattfinden.

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Diese Rollenbilder müssen auch bei Investor:innen abgebaut werden. Denn Gründerinnen erhalten weniger Funding. „Wenn sich bei Investoren auch das Rollenbild einschleicht, dass Gründer immer aussehen müssen wie Mark Zuckerberg, dann ist das natürlich ein echtes Problem für alle, die nicht so aussehen“, so Drabon. Aber auch in der Bewertung gäbe es einen Bias: Ziele würden bei Männern als ambitioniert und motiviert, bei Frauen als unrealistisch und illusorisch bewertet. Dazu gründen Frauen weniger risikobereit und stabiler. Obwohl das ein völlig solides und wirtschaftliches Gründungsmodell ist, wird es schlichtweg nicht gefördert. Drabon kritisiert, dass nur noch das Hockeystick-Wachstum als ideales Startup-Modell gesehen wird – und auch nur diese gefördert werden.

Womenpower bei der Hannover Messe nicht so hoch im Kurs

Dafür, dass auf dem Kongress vielmals betont wurde, wie wichtig Frauen für Innovationskraft und Wirtschaftlichkeit von Organisationen ist, war die Womenpower auf der Hannover Messe ein Underdog. Es gab kaum Wegweiser, mehrere Personen erzählten, dass sie sich zum richtigen Gebäude durchfragen mussten. Plakate, die den Kongress bewarben, waren spärlich bis nicht vorhanden. Auch der Zeitpunkt war nicht ideal: Der Kongress fand am letzten Tag der Messe statt, wo schon viele Menschen abgereist waren oder zumindest nicht bis zum Ende des Tages blieben. Die Womenpower wurde nach dem Mittagessen auch merklich leerer. Vielleicht schafft es die Hannover Messe nächstes Jahr, Diversity und Gleichberechtigung als zentralen Teil stattfinden zu lassen, statt als Randveranstaltung.

Hinweis: Obwohl der Schwerpunkt des Womenpower-Kongresses Frauen waren, wurde in den meisten Panels von Diversität gesprochen und an vielen Stellen ein intersektionaler Anspruch verdeutlicht.

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