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MIT Technology Review Analyse

Gehirnimplantate: Diese Etappen will Neuralink in diesem Jahr erreichen

Neuralinks entwickeltes Gehirnimplantat wird künftig mehr Freiwilligen zur Verfügung stehen. Doch bis zur Zulassung für den Verkauf des Implantats sind noch einige Herausforderungen zu meistern.

Von MIT Technology Review Online
7 Min.
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Neuralinks Gehirnimplantat soll seinen Trägern dazu verhelfen, Computer und helfende Roboterarme zu bedienen.

(Foto: Shutterstock/Dana S.)

Im November letzten Jahres kündigte ein junger Mann namens Noland Arbaugh an, dass er drei Tage lang live von seinem Haus aus streamen würde. Seine Übertragung war dann zwar in gewisser Weise einfache Hausmannskost: eine Tour durch den Garten, Videospiele, ein Treffen mit seiner Mutter. Die Technologie dagegen war alles andere als alltäglich. Denn Arbaugh ist gelähmt und bewegt seine Computermaus auf einem Bildschirm mithilfe eines Gehirnimplantates. Mit dessen Hilfe klickt er Menüs an und kann sogar Schach spielen. Das Implantat mit der Bezeichnung N1 wurde ihm letztes Jahr von Neurochirurgen eingesetzt, die mit Elon Musks Gehirnschnittstellen-Unternehmen Neuralink zusammenarbeiten.

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Gehirn-Computer-Schnittstellen für „digitale Freiheit“

Die Möglichkeit, Neuronen abzuhören und ihre Signale zu nutzen, um einen Computercursor zu bewegen, wurde erstmals vor mehr als 20 Jahren im Labor demonstriert. Arbaughs Livestream verdeutlicht Neuralinks Fortschritt und das langfristige Ziel: Proband:innen sollen mittels eines Plug-and-Play-Systems im Internet surfen und Spiele spielen können. So bekommen die Nutzer:innen das, was das Unternehmen „digitale Freiheit“ nennt.

Noch aber handelt es sich nicht um ein kommerzielles Produkt. Die aktuellen Studien sind klein und sollen erforschen, wie das Gerät funktioniert und wie es verbessert werden kann. So zogen sich beispielsweise irgendwann im letzten Jahr mehr als die Hälfte der mit Elektroden versehenen „Fäden“ des Gehirnimplantats zurück. In der Folge verschlechterte sich seine Kontrolle über das Gerät. Neuralink beeilte sich, Abhilfe zu schaffen, damit er seine verbleibenden Elektroden zum Bewegen der Maus verwenden konnte.

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Eine E-Mail-Anfrage von Technology Review an Neuralink für eine Stellungnahme blieb unbeantwortet. Doch eine Analyse der öffentlichen Erklärungen des Unternehmens lässt Folgendes für 2025 erwarten.

Mehr Patienten sollen das Gehirnimplantat erhalten

Wie viele Menschen werden diese Implantate erhalten? Elon Musk sagt immer wieder große Zahlen voraus. Im August postete er auf X: „Wenn alles gut geht, wird es innerhalb weniger Jahre Hunderte von Menschen mit Neuralinks geben, innerhalb von fünf Jahren vielleicht Zehntausende, und innerhalb von zehn Jahren Millionen.“

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In Wirklichkeit ist das Tempo langsamer. Viel langsamer. Das liegt daran, dass bei einer Studie zu einem neuartigen Gerät die ersten Patienten typischerweise in einem Abstand von mehreren Monaten behandelt werden, um Zeit für die Überwachung von Problemen zu haben. Neuralink hat öffentlich bekannt gegeben, dass zwei Personen ein Implantat erhalten haben: Arbaugh und ein Mann namens „Alex“, der sein Implantat im Juli oder August erhielt.

Drei Menschen mit Neuralinks

Am 8. Januar teilte Musk in einem Online-Interview mit, dass jetzt eine dritte Person ein Implantat erhalten habe. „Wir haben jetzt drei Patienten, drei Menschen mit implantierten Neuralinks, und sie funktionieren alle … gut“, sagte Musk. 2025, so fügte er hinzu, „rechnen wir hoffentlich mit, ich weiß nicht, der Behandlung von 20 oder 30 Patienten.“

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Wenn es nicht zu größeren Rückschlägen kommt, wird die Zahl der Implantate weiter steigen, wenn auch vielleicht nicht so schnell, wie Musk erwartet. Im November aktualisierte Neuralink seine US-Studienliste, um Platz für fünf Freiwillige (statt bisher drei) zu schaffen, und eröffnete außerdem eine Studie in Kanada für sechs Freiwillige. Mit diesen beiden Studien würde Neuralink bis Ende 2025 mindestens zwei weitere Implantate einsetzen lassen und bis Ende 2026 acht. Durch die Eröffnung weiterer internationaler Studien könnte Neuralink jedoch das Tempo der Versuche erhöhen.

Was Neuralink verbessern will

Wie gut hat Arbaugh seine Maus unter Kontrolle? Einen Eindruck davon kann man bekommen, wenn man ein Spiel namens Webgrid ausprobiert, bei dem man versucht, schnell auf ein sich bewegendes Ziel zu klicken. Das Programm setzt die Geschwindigkeit der Spieler in ein Maß für die Informationsübertragung um: Bits pro Sekunde.

Neuralink behauptet, dass Arbaugh eine Rate von mehr als neun Bits pro Sekunde erreicht und damit den alten Rekord für Gehirnschnittstellen verdoppelt hat. Durchschnittliche gesunde Benutzer:innen erreichen laut Neuralink etwa zehn Bits pro Sekunde.

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Dennoch beklagte sich Arbaugh während seines Livestreams, dass seine Maussteuerung nicht sehr gut sei, weil sein „Modell“ veraltet sei. Er bezog sich damit auf die Art und Weise, wie seine imaginären körperlichen Bewegungen auf Mausbewegungen abgebildet werden. Diese Zuordnung verschlechtert sich im Laufe von Stunden und Tagen, und um sie neu zu kalibrieren, verbringt er nach eigenen Angaben bis zu 45 Minuten damit, eine Reihe von Umschulungsaufgaben auf seinem Monitor zu erledigen. Dazu gehört etwa, sich vorzustellen, einen Punkt von einem Mittelpunkt zum Rand eines Kreises zu bewegen.

Die Verbesserung der Software, die zwischen Arbaughs Gehirn und der Maus sitzt, ist ein wichtiger Schwerpunkt für Neuralink. In diesem Bereich experimentiert das Unternehmen noch und nimmt erhebliche Änderungen vor. Eines der Ziele ist die Verkürzung der Rekalibrierungszeit auf wenige Minuten. „Wir wollen, dass sie das Gefühl haben, in einem Formel-1-Auto zu sitzen und nicht in einem Minivan“, sagte Bliss Chapman, der das BCI-Softwareteam leitet, letztes Jahr dem Podcaster Lex Fridman.

Weitere Geräte-Features von Neuralink

Bevor Neuralink die Zulassung für den Verkauf seiner Gehirnschnittstelle beantragt, muss das Unternehmen ein endgültiges Gerätedesign festlegen, das in einer Zulassungsstudie mit vielleicht 20 bis 40 Patienten getestet werden kann, um zu zeigen, dass es wirklich wie vorgesehen funktioniert. Diese Art von Studie könnte selbst ein oder zwei Jahre dauern und wurde noch nicht angekündigt.

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Tatsächlich ist Neuralink immer noch dabei, sein Implantat in erheblichem Maße zu optimieren, indem es beispielsweise versucht, die Anzahl der Elektroden zu erhöhen oder die Lebensdauer der Batterie zu verlängern. Diesen Monat sagte Musk, dass bei den nächsten Tests am Menschen ein „verbessertes Neuralink-Gerät“ zum Einsatz kommen würde.

Das Unternehmen entwickelt auch noch den chirurgischen Roboter R1, der für die Implantation des Geräts verwendet wird. Er funktioniert wie eine Nähmaschine: Ein Chirurg verwendet R1, um die Elektrodendrähte in die Gehirne der Patienten einzufädeln. Laut den Stellenausschreibungen von Neuralink ist die Verbesserung des R1-Roboters und die vollständige Automatisierung des Implantationsprozesses ein wichtiges Ziel des Unternehmens. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass Musk eine Zukunft voraussagt, in der Millionen von Menschen ein Implantat haben werden, da es nicht genug Neurochirurgen auf der Welt gibt, um sie alle manuell zu implantieren.

„Assistenzroboterarm“ von Neuralink

Ende letzten Jahres hat Neuralink eine begleitende Studie gestartet, in der einige Proband:innen, die bereits ein Implantat erhalten haben, ausprobieren sollen, wie sie mit ihrer Gehirnaktivität nicht nur eine Computermaus, sondern auch andere externe Geräte steuern können, darunter auch einen „Assistenzroboterarm“.

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Bisher ist nicht bekannt, wie der Roboterarm von Neuralink aussieht, ob es sich also um ein Forschungsgerät auf einem Tisch handelt oder um etwas, das an einem Rollstuhl befestigt und zu Hause zur Erledigung täglicher Aufgaben verwendet werden könnte. Aber es ist klar, dass ein solches Gerät hilfreich sein könnte. Während Aurbaughs Livestream bat er häufig andere Menschen, einfache Dinge für ihn zu tun, wie etwa sein Haar zu bürsten oder seinen Hut aufzusetzen.

Roboter per Gehirn zu steuern ist definitiv möglich, auch wenn es bisher nur in kontrollierten Forschungsumgebungen probiert wurde. 2012 teste eine gelähmte Frau namens Jan Scheuermann an der Universität von Pittsburgh ein anderes Hirnimplantat und bediente damit einen Roboterarm. Sie konnte Blöcke und Plastikbecher ähnlich gut stapeln wie eine gesunde Person, die nie einen schweren Schlaganfall erlitten hatte. Das ist umso beeindruckender, als sie ihre eigenen Gliedmaßen nicht bewegen konnte.

Noch gibt es mehrere praktische Hindernisse für die Verwendung eines Roboterarms zu Hause. Er muss nicht nur sicher und nützlich sein. Ein weiteres Hindernis ist auch, dass die Kalibrierung von 3D-Bewegungen und das Greifen von Objekten mühsam und zeitaufwändig sein könnte, wie das Magazin Wired berichtet hat.

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Implantat soll pixeliges Sehen ermöglichen

Im September teilte Neuralink mit, dass es von der FDA den Status eines „bahnbrechenden Produkts“ für eine Version seines Implantats erhalten hat, das die eingeschränkte Sehkraft von Blinden wieder herstellen soll. Das System namens Blindsight würde elektrische Impulse direkt in den visuellen Kortex eines Probanden senden und Lichtpunkte, sogenannte Phosphene, erzeugen. Entstehen genügend Lichtpunkte, könnten sie zu einer einfachen, gepixelten Sicht organisiert werden, wie Forscher gezeigt haben.

Die FDA-Zulassung ist nicht gleichbedeutend mit der Erlaubnis, die Sehstudie zu beginnen. Sie ist vielmehr eine Zusage der Behörde, die Überprüfungsschritte zu beschleunigen, einschließlich der Vereinbarungen darüber, wie eine Studie aussehen sollte. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich nicht abschätzen, wann eine Neuralink-Sehstudie beginnen könnte, aber es muss nicht unbedingt in diesem Jahr sein.

Neuralink hat zuletzt 2023 in einer Finanzierungsrunde rund 325 Millionen US-Dollar von Investoren eingeworben, die das Unternehmen auf mehr als drei Milliarden Dollar bewerteten. Ryan Tanaka, der einen Podcast namens „Neura Pod“ über das Unternehmen veröffentlicht, glaubt, dass Neuralink in diesem Jahr mehr Geld erhalten wird und dass sich die Bewertung des privaten Unternehmens verdoppeln könnte.

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Kampf gegen die Aufsichtsbehörden

Neuralink wurde von Zeitungsreportern, Tierschützern und sogar von Betrugsermittlern der Börsenaufsichtsbehörde genau unter die Lupe genommen. Viele der Fragen beziehen sich auf die Behandlung von Versuchstieren und darauf, ob das Unternehmen es eilig damit hatte, das Implantat an Menschen zu testen.

In jüngster Zeit hat Musk damit begonnen, seine X-Plattform zu nutzen, um Staatsoberhäupter zu bedrängen und zu tyrannisieren, und wurde von Donald Trump zum Co-Leiter eines sogenannten Ministeriums für Regierungseffizienz (DOGE) ernannt, das laut Musk „unsinnige Vorschriften abschaffen“ und möglicherweise einige Behörden der DC entkernen soll. Es bleibt abzuwarten, ob Musk sein digitales Megafon dafür einsetzt, um den Gesundheitsbehörden spitz formuliertes Feedback über ihren Umgang mit Neuralink zu geben.

Bei allen Neuralink-Nachrichten sollte man nicht vergessen, dass es nicht das einzige Unternehmen ist, das an Gehirnimplantaten arbeitet. Das Unternehmen Synchron hat ein solches Implantat, das durch ein Blutgefäß in das Gehirn eingeführt wird. Es testet das auch in Versuchen mit Menschen, die das Gehirn über Computer steuern. Andere Unternehmen, darunter Paradromics, Precision Neuroscience und BlackRock Neurotech, entwickeln ebenfalls fortschrittliche Gehirn-Computer-Schnittstellen.

Dieser Artikel stammt von Jessica Hamzelou. Sie ist Senior Reporter bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und schreibt über Biomedizin und Biotechnologie.

 

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