Googles Hardware-Design-Lead: „Ich denke täglich über das Ende des Smartphones nach“
Alberto Villarreal ist seit fünf Jahren für die kreative Ausrichtung des mobilen Hardware-Designs verantwortlich. Eines seiner ersten Google-Produkte war das Nexus 5 (Test), das auch heute – fünf Jahre nach seiner Vorstellung – immer noch einige Fans besitzt. Bei den Nachfolgern wie dem Nexus 9 sowie Nexus 6P und 5X hatte er auch seine Finger im Spiel. Das 2016er Pixel (XL) und das im Oktober 2017 enthüllte Pixel 2 (XL) sowie die Google-Home-Familie tragen ebenfalls seine Handschrift. Warum die Produkte so aussehen, warum es beim Pixel 2 das Glaselement gibt und was er über die Zukunft von Smartphones denkt, hat er uns am Rande der Berlin Fashion Week verraten.
Villarreal: Googles Pixel-Geräte sind der konsequente Schritt
Laut Villarreal erschien der Schritt von den Nexus-Geräten hin zu komplett von Google entwickelter Hardware nur logisch und konsequent. Bei den Nexus-Geräten mussten stets Kompromisse eingegangen werden, da die Hardware-Partner ein Mitspracherecht hatten. Sie werden von Villarreal dementsprechend als Smartphones definiert, die die besten Eigenschaften von Android zur Schau stellen. Die Pixel-Geräte seien dagegen ein reines Google-Produkt, in denen „das Beste von Google“ hervorgehoben werde. Sie seien eine Kulmination aus bester Hardware, Industrial Design, Software und KI. Mit ähnlichen Worten beschrieb Android-Chef Hiroshi Lockheimer die Idee hinter dem ersten Pixel – es sei „Google in Reinform.“
Durch den Einsatz zweier Materialien auf der Rückseite entsteht ein semantischer Weg den Nutzer zu führen.
Eines der Hauptdesignmerkmale der Pixel-Geräte sei das rückseitige Glaselement, das neben einer kosmetischen Seite auch einen technischen Zweck erfülle: Denn dahinter sammeln sich alle erdenklichen Antennen. Hätte das Pixel 2 keinen Visor, würde das obere Element von zig sichtbaren Antennenstreifen durchzogen sein. Villarreal erläuterte weiter, dass durch die Material-Zweiteilung der Rückseite visuell und haptisch zwischen dem Geräteteil, das man berühren soll, und dem Sensor-Teil unterschieden werden könne.
Auch bei der Farbauswahl habe man sich für dezentere Töne entschieden: Neben Schwarz („Just Black“) und Weiß („Clearly White“) gibt es den elegant anmutenden Blauton „Kinda Blue“ sowie das Schwarz-Weiße Panda-Style-Modell des Pixel 2 XL. Die beiden Letzteren besitzen jeweils einen andersfarbigen Powerbutton, die einen Hauch Optimismus versprühen und die Google-DNA widerspiegeln sollen. Durch diesen dezenteren, ja ruhigen, Ansatz wollen man sich auch von vielen anderen Herstellern der Industrie abgrenzen, die auf glänzendes Design und „Bling-Bling“ setzen.
Bevor man sich für die finalen Farben entschieden hat, waren viele weitere Farbtöne im Spiel. Bei der Auswahl ließen die Designer sich von angesagter Mode und sogar Innenraumdesign inspirieren. Die Smartphones sollten sich in den Kontext einfügen und wurden daher „zugänglich“ respektive freundlich gestaltet, unter anderem auch, um den High-Tech-Aspekt der Geräte herunterzuspielen. Die Technologie soll bei den Pixel-Geräten in den Hintergrund rücken. Das zurückhaltende Design entspreche eher Googles Ansatz.
Villarreal betont ferner, dass man die Pixel-Geräte für den User entworfen habe: Auf der Front seien bei beiden lediglich Display und die Stereo-Frontlautsprecher. Auf weitere Elemente wie Hersteller-Logos, Schriftzüge und Buttons habe man verzichtet– sie lenken den Nutzer ab.
Der Einsatz zweier Materialien spiegelt sich auch in den weiteren Hardware-Produkten Googles wieder: Beim Google Home und Home Mini sind Elemente aus Stoff und Kunststoff zu finden, wie auch beim Pixelbook. Bei den Home-Produkten komme der Stoffüberzug nachvollziehbarer Weise wegen der Lautsprecher zum Einsatz.
Zum Pixel 2 und dem großen Rahmen rund ums Display
Auf die großen Bezel beim kleinen Pixel 2 angesprochen, erläutert Villarreal, dass die Intention bei der Entwicklung der beiden Modelle war, sie mit identischen Features auszurüsten. Sie verfügen beide über die Stereolautsprecher, die starke Hauptkamera und die Active-Edge-Funktion, um den Google Assistant zu starten. Um dies zu erreichen, musste das Opfer des größeren Rahmens rund um das Display gebracht werden.
Zu den größten Herausforderungen bei der Gestaltung des Pixel-Designs gehörten das Antennendesign und die Kamera, wenngleich der Designer betonte, dass die Entwicklung von Smartphones ohnehin keine einfache Aufgabe sei. Das Antennendesign sei jedoch besonders aufwendig, da unter anderem auf die Wünsche der Netzbetreiber eingegangen werden müsse, die immer schnellere Download-Geschwindigkeiten und weitere Bänder benötigen. Kameras erforderten immer noch eine Menge Platz, insbesondere jene mit optischem Bildstabilisator.
Auch über den Entwicklungsprozess der Pixel 2-Modelle ließ Villarreal sich einige Details entlocken. Es war früh klar, dass die Pixel-Geräte sich in puncto Design von der Masse abheben sollten. Daher waren die ersten Protoypen ziemlich eckig. Die Form fühlte sich jedoch weder in der Tasche noch in der Hand angenehmen an. Schließlich wurden die Ecken abgerundet, bis das finale Design erreicht wurde.
Auf den von Google veröffentlichten Fotos zur Entwicklung der neuen Pixel-Geräte wird der Entstehungsprozess deutlich. Villarreal betonte im Gespräch, dass diese Auswahl nur ein Bruchteil aus hunderten von Prototypen darstellt. Der Glasvisor auf der Rückseite wurde im Vergleich zum ersten Pixel etwas verkleinert. Es wirke auf diese Weise dynamischer. Zeitweise testete Google auch ein 50-zu-50-Verhältnis von Glas und Metall, was man letztlich fallen ließ.
Google Pixel 2: Entwicklung begann schon während der Entwicklung des ersten Pixel
Die Entwicklungszeit der Pixel-2-Modelle dauerte über ein Jahr, sodass es Villarreal zufolge eine deutliche Überlappung mit der Entwicklung des ersten Pixel gab. Der eigentliche Designprozess begann indes schon weit früher. Denn die Erkenntnisse, die Google durch die Nexus-Reihe sammeln konnte, flossen auch in die Entwicklung der Pixel-Geräte mit ein. Das spiegele sich optisch unter anderem am Visor wider, den Google erstmals beim Nexus 6P eingesetzt habe. Das Gerät entstand zusammen mit Huawei – Huawei hatte dieses Detail unter anderem auch beim Huawei P10 und dem Nova eingesetzt.
Auf die Frage, ob es zu Beginn des Designprozesses feste Vorgaben hinsichtlich bestimmter technischer Faktoren wie der Displaydiagonale oder den Abmessungen gebe, entgegnete Villarreal, der Entwicklungsprozess verlaufe äußerst flexibel. Auch wenn das Product-Management einen groben Rahmen vorgibt, sei der Entwicklungsprozess sehr organisch. Es bestehe zudem ein täglicher Austausch mit dem Android-Team sowie eine enge Zusammenarbeit mit Ingenieuren und Anbietern, die alle ihren Input geben. Prototypen würden jeden Tag mehrmals gefertigt, teils mit Mikrometer großen Veränderungen, die mit dem Product-Management bis zum finalen, aus der Sicht aller Beteiligten, idealen Gerät abgestimmt würden.
Die Zukunft: Was kommt nach dem Smartphone?
Auf die Frage, ob er sich mit der Zeit nach dem Smartphone beschäftige, und ob er denke, dass sie bald gegen etwas anderes ausgetaucht werden könnten, entgegnete Villarreal: „Ich denke dauernd darüber nach.“
Wenn man sich viele Jahre mit dem Design von Smartphones auseinandersetzt, sei es eine logische Konsequenz, in die Zukunft zu schauen. Es werden bereits Technologien entwickelt, die uns Informationen auf unterschiedlichen Wegen liefern, einige auch ohne Displays, wie etwa die Pixel Buds, oder komplett immersiv etwa per VR-Headset. Allerdings geht Villarreal davon aus, dass Smartphones uns noch einige Jahre erhalten bleiben.
Bis dahin könnten Super-Phones entstehen, die großartige Fähigkeiten besitzen werden. Die Industrie befinde sich zwar beinahe am Höhepunkt der Entwicklung, aber ganz durch sei das Thema Smartphone noch nicht. Das habe unter anderem an der schnelllebigen und kompetitiven Industrie zu tun, die immer wieder neue Fortschritte erzielt. Das Ende von Smartphones werde erst dann eingeläutet, wenn alternative Technologien ausgereift und allgegenwärtig seien. Bis dahin würden noch einige Jahre ins Land ziehen.
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