KI vs. KI: Warum Google in Zukunft nur mit relevantem Content überleben kann
Schon seit letztem Jahr experimentiert Google mit der Search Generative Experience, kurz: SGE. Bisher mit eher mäßigem Erfolg, zum Teil sogar mit erschreckenden Ergebnissen. Aber: Google steht mächtig unter Druck. Zum Einen wird die klassische Suchmaschine mit Content geflutet, der bestenfalls ein ChatGPT-Remix von ohnehin schon eher mittelmäßigem Content im Web ist.
Das Rennen um die vorderen Plätze in den SERP wird mehr und mehr zum toten Rennen, bei dem mit den scheinbar passenden Prompts und immer weniger Aufwand immer mehr Content produziert wird, in der Hoffnung zumindest kurzzeitig auf einem der Spitzenplätze zu landen. Der tatsächliche Nutzwert des Contents oder gar so etwas wie Lesespaß spielen dabei eine untergeordnete Rolle – der Zweck Platz 1 heiligt die KI-Mittel.
Wen kann es da überraschen, dass Dienste wie Perplexity in der Gunst der User steigen? Hier werden nicht nur Zusammenfassungen, sondern auch gleich die relevantesten Quellen auf Fragen geliefert. Genau das scheint nun die Blaupause für Google zu werden. Das zumindest glaube ich. Und dabei wird Geld keine Rolle spielen, denn Zeit bleibt kaum – wie die rasante Entwicklung von OpenAI & Co. zeigt –, um das Geschäftsmodell nach mehr als 20 unangefochtenen Jahren neu zu definieren.
Dafür wird der Druck der Aktionäre schon sorgen. Und wie die letzte Google I/O zeigt, versucht Google genau das zu machen, was Google eben am besten kann: viele Antworten zu liefern – auf GPT-4o, Sora, Co-Pilot. Ob hier auch die eine entscheidende Antwort dabei ist, wird sich noch erweisen. Fakt ist und bleibt: Das etablierte Geschäftsmodell, mit dem Klick auf Links Geld zu machen, wackelt gehörig.
Das Problem der KI-Suche
Aber auch die Sache mit SGE hat einen Haken: Während mehr als 120 Länder bereits Zugang zur Beta-Version der SGE haben, ist Europa bisher nicht dabei. Dafür dürften vor allem die absehbaren Konflikte mit dem AI Act verantwortlich sein. Anders formuliert: Ohne Anpassungen wird Google SGE kaum nach Europa bringen können – es sei denn, sie nehmen ein weiteres Mal empfindliche Strafzahlungen in Kauf. Für die Google-Mutter Alphabet scheint das ein Abwägungsprozess.
Nicht abwägen können hingegen die Unternehmen, die seit Jahren in Suchmaschinensichtbarkeit investiert haben und mit ihren Inhalten – zumindest in den letzten Monaten – für das absehbare Dilemma von Google mitverantwortlich sind. Google lebt von Relevanz. Egal ob bei der Standardsuche, Google Maps, News oder Shopping.
Wird diese Relevanz durch KI-generierten Content verwässert, der in vielen Fällen schon irgendwie außergewöhnlich, allerdings eher außergewöhnlich langweilig ist, schwindet automatisch die Relevanz Googles. Das gilt zumindest dann, wenn die hier sichtbaren Inhalte keine Fragen beantworten, wie es bei Perplexity der Fall ist, sondern einfach nur irgendwie gefunden werden sollen. Die bei der Google I/O vorgestellten AI-Overviews deuten zumindest an, dass Google in die gleiche Richtung denkt.
Zu Recht, denn Google wird sich nur mit einer massiven Steigerung der Relevanz vor dem Kippen des eigenen PPC-Geschäftsmodells schützen. Unternehmen, die es bisher verpasst haben, mit einer entsprechenden Strategie für mehr Qualität im eigenen Content zu sorgen, und stattdessen versucht haben, mit Prompt-Engineering und fix aufgebrühten Inhalten wettbewerbsfähig zu bleiben, wird Google daher aus den Rankings drängen und bei den Ads stärker zur Kasse bitten. Wetten?
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Mittelmäßigen Content, der in 30 Sekunden per KI oder in maximal 30 Minuten menschlich produziert ist, wird Google über kurz oder lang mit SGE in allen denkbaren Sprachen immer besser hinbekommen. Da hilft auch kein GPT 4.5 – mit größerem Kontextfenster und schnellerer Verarbeitung eine Art „LLM on steroids“. Der beste Content ist und bleibt der, der (Inter-)Aktionen auslöst. Was Unternehmen wirklich hilft, verdeutlicht folgendes Beispiel aus meiner ganz persönlichen Praxis:
Der Hersteller eines Durchlauferhitzers bekommt bei Google für sein Produkt nicht nur schlechte Bewertungen und Kundenmeinungen, sondern noch mehr Hinweise auf ein Problem mit der Dichtigkeit, das sich scheinbar auch nach dem Austausch des Dichtungsrings nicht wirklich lösen lässt. Die Lösung dieses – laut Google offenbar sehr bekannten – Problems ist dabei denkbar einfach: Der Dichtungsring muss beim Einbau einfach nur richtig eingefettet werden. Damit ist das Problem dauerhaft gelöst.
Die Suchabsicht entscheidet
Aus Kunden- oder Nutzersicht würde es daher reichen, wenn der Hersteller oder zumindest die Händler die Lösung zu diesem Problem beschreiben. Genau das möchte ich als Kunde doch als Antwort auf meine Frage ganz oben bei Google sehen. Anders formuliert: Suche ich als Kunde nach schlechten Bewertungen oder nach Kritik? Oder will ich wissen, wie ich mein Problem für vier Euro lösen kann, wenn der Boiler leckt?
Die Gretchenfrage lautet daher: Schafft es Google in möglichst kurzer Zeit die Nutzererfahrung von zehn Minuten Content (egal, ob nutzer- oder KI-generiert) zu außergewöhnlichen Inhalten und der passenden Antwort zu verschieben oder sind andere Dienste schneller? Fakt ist: KI wird KI-generierte Inhalte wieder zurückdrängen – zumindest dann, wenn sie nicht mit entsprechendem Aufwand erstellt wurden und somit auch das Label „einzigartig“ verdient haben. Innerhalb der kommenden zwölf Monate, so lautet meine These, wird sich zeigen, ob Google ein langfristig tragfähiges Geschäftsmodell hat oder das Unternehmen den Weg einstiger Giganten wie Yahoo antreten wird.
Unternehmen sind jedenfalls gut beraten, sich endlich um richtig gute, relevante Inhalte zu bemühen. Für Hersteller und Händler bedeutet das, dass sie ihre Produkte noch viel besser erklären müssen. Also: Finger weg von mittelmäßigem Content! Es lohnt sich weder mit KI-Unterstützung Texte aus bereits existierendem Content zusammenzuprompten noch mit mittelmäßigen Textern um Preise pro Wort oder Zeile zu feilschen. Content bleibt King – solange wir ihn auch so behandeln.