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Karrierenetzwerke sind keine Dating-Plattformen

Anmachsprüche wie „Hey, hübsch siehst du aus!“ erwartet man eher auf Tinder oder Bumble als auf Linkedin oder Xing. Aber der Struggle ist real. Zwei Frauen berichten von echten Grenzüberschreitungen.

3 Min. Lesezeit
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Einige wollen mehr als nur Netzwerken. (Foto: Shutterstock-Krakenimages)

Celine Melo Cristino zieht mit dem Hashtag #ThisIsNotADatingPlatform im Intro ihres Linkedin-Profils direkt eine Grenze: „Seitdem bekomme ich deutlich weniger Nachrichten“, erzählt sie im t3n-Gespräch. Mit „Nachrichten“ meint die Düsseldorferin mindestens Annäherungsversuche, jedoch auch wesentlich explizitere Inhalte von Männern bis hin zu Nacktbildern. Die 27-Jährige nutzt Linkedin und Xing als Karriereplattformen, will sich ein Netzwerk aufbauen und auch eigene Themen setzen. Was sie nicht will, sind Anmachsprüche bis hin zu sexueller Belästigung. Beides kennt sie nur zu gut. Mit beidem ist Cristino schon mehrfach konfrontiert gewesen. Kürzlich sprach sie mit ihrer Freundin darüber. Johanna Geisler fand sich in den Erzählungen wieder. „Mich triggern solche Sachen sehr“, erklärt sie im Gespräch mit t3n.

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Geisler hat deshalb vor wenigen Tagen ein Linkedin-Posting veröffentlicht, in dem sie über die Schattenseiten von Personal Branding für junge Frauen spricht. „Eine Kontaktbestätigung gleicht definitiv keinem Tinder-Match und auch nicht der Aufforderung zu einer Nachricht wie ‚Hey, hübsch siehst du aus‘“, schreibt die ebenfalls 27-Jährige. Vor allem nach einem Bildposting würden die beiden Frauen vermehrt solche Nachrichten bekommen. „Viele verwechseln das mit einer Einladung, mein Aussehen zu kommentieren, dabei geht es doch darum, zu dem Inhalt ein Gesicht zu zeigen“, so Celine Melo Cristino. Was der ein oder andere Mann als Kompliment meint, finden die beiden Frauen – auch und vor allem – in Karrierenetzwerken zutiefst übergriffig. Auch viele Followerinnen und Follower stimmen ein und fragen sich, was in den Köpfen mancher Leute vor sich geht.

Einige Männer wollen mehr als nur Netzwerken

Manche Nachrichten seien plump. „Letztens hat jemand die Farbe meiner Hose gelobt und dann im gleichen Atemzug meine attraktive Figur erwähnt“, so Johanna Geisler. Derartiges lässt sich leicht schon direkt zu Beginn durchschauen. Jedoch gäbe es auch Übergriffe, die sich erst langsam anbahnen. „Erst schieben sie einen Business-Kontext vor und fragen nach einer HR-Beratung, man tauscht sich aus und plötzlich schwenkt das Gespräch in eine unseriöse Richtung um. Die Person spricht plötzlich davon, dass ich eine attraktive, erfolgreiche und selbstbewusste Frau wäre und man mir das mal sagen müsste.“ Sowohl Geisler als auch Cristino sind im Recruitment und Employer-Branding tätig und sprechen über Inhaltliches auf ihren Profilen. Einige Männer wollen jedoch mehr, als sich nur über Expertisen austauschen.

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Angesprochen auf einen Typus antworten beide unterschiedlich. Während Johanna Geisler vor allem von deutlich älteren Männern angeschrieben wird, sind die von Celine Melo Cristino meist jünger. „Das lässt sich nicht pauschalisieren“, so Geisler. Unter ihrem Posting sprechen sogar Männer darüber, dass sie ähnliches erleben. Vor allem Manager mit tendenziell hohen Gehältern würden von Frauen belästigt werden. Johanna Geisler bestätigt das und spricht vom „Sugardaddy“-Phänomen, das in beide Richtungen gehen könne: Männer, die anbieten, Frauen auszuhalten, und Frauen, die Männer suchen, die ihren Lebensstil finanzieren. Auch wenn es dafür scheinbar einen Markt gäbe, so solle der nicht auf Linkedin oder Xing stattfinden. Der Hashtag #ThisIsNotADatingPlatform könne helfen, das direkt im Profil klarzumachen.

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Die beiden wollen andere Frauen ermutigen, solche Übergriffe nicht hinzunehmen. Johanna Geisler hat bereits während ihres Berufsstarts erste Erfahrungen mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gemacht, traute sich aber nicht, sich zu wehren. „Ich hatte Angst, dass ich den Job verlieren könnte, wenn ich es anspreche“, so die Kölnerin. Celine Melo Cristino erklärt, dass sie anfangs noch die Schuld vor allem bei sich suchte. „Ich dachte, ich sei das Problem und würde womöglich derartige Dinge einfach nur falsch interpretieren“, so die Düsseldorferin. Beides ist im Arbeitsalltag jedoch nicht hilfreich – auch und gerade für andere Frauen. In Karrierenetzwerken gehen sie dagegen jetzt rigoroser vor und blocken nicht mehr nur, sondern melden Personen auch. Nur Online-Pranger lehnen beide ab.

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Fast jede Frau erfährt sexuelle Belästigung

Sexualisierte Gewalt ist in Deutschland weit verbreitet. Fast jede Frau erfährt in ihrem Leben mindestens einmal, meist jedoch regelmäßig, sexuelle Belästigung. Das zeigt eine Studie der Hochschule Merseburg. Demnach haben 97 Prozent aller Frauen und 95 Prozent aller diversgeschlechtlichen Personen schon Formen sexueller Belästigung erlebt oder sich belästigt gefühlt. Bei den Männern seien es 55 Prozent. Verbale und visuelle Formen wie anzügliche Bemerkungen oder Blicke seien ebenso häufig wie körperliche Übergriffe, schreiben die Forscherinnen und Forscher. Im Internet passiert das besonders häufig: Die Erlebnisse reichen von unangenehmen sexuellen Fragen oder unerwünschtes Anbaggern bis hin zu Nacktfotos und -videos. Unter den Folgen sexualisierter Gewalt leiden Betroffene – je nach Intensität – bisweilen jahrelang.

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